Die überwiegende Mehrheit der Frauen, die ich fotografiert habe, kannte ich zuvor überhaupt nicht. Alle kamen sie mit Geschichten zu mir, die sie mit der Öffentlichkeit teilen wollten. Jede Frau ist völlig anders, manche haben Angst davor, fotografiert zu werden, und andere sind Models, die sich dabei extrem wohlfühlen. Es ist immer eine Lernkurve dabei und etwas, das mir besonders wichtig ist, ist, dass die Frau sich wohlfühlt, wenn sie ihre Geschichte erzählt. Als kleine Anmerkung: Die Frau und ich werden bei fast jedem Shooting von einem Mann oder zweien, die vorbeigehen, sexuell belästigt.
Die Themen, die hinter Cheer UpLuv stehen, waren schon immer ein Faktor in meinem Leben, aber erst als mir ein fremder Mann dieses Jahr auf der Straße hinterherlief und "Kopf hoch" zu mir sagte, hat es mich wirklich gestört. Dieser eine Satz, den ich durchaus öfter höre, hat mich schließlich so verärgert, dass ich etwas unternehmen musste. Er führte dazu, dass ich mich mit meinen Freundinnen über Belästigung unterhalten habe, und dazu, dass wir über eine Stunde lang Erlebnisse austauschten und über sexuelle Belästigung redeten, als wäre es das Normalste auf der Welt.
Das hat mich wirklich schockiert, dass wir über dieses Thema auf so schamlose Art redeten. Aber erst, als meine männlichen Freunde das alles nicht glauben wollten und total schockiert davon waren, fühlte ich mich berufen, das Projekt zu starten. Mir wurde klar, dass nicht nur die Belästigung selbst das Problem ist, sondern auch das Bewusstsein darüber.
Ich glaube, dass dieses Projekt für seine Zeit extrem wichtig ist, denn historisch gesehen hatten Frauen nie die Plattform oder das Publikum, um so über Belästigung im Alltag zu sprechen, dass es auch ernst genommen wird. Egal wie 'leicht' die Erfahrung ist, jedes Vorkommnis ist ein Pinselstrich im größeren Bild des Lebens einer Frau.
Ein paar meiner Freunde sagen immer wieder, dass sexuelle Belästigung in den Medien "viral" geworden ist; ein seltsames, schwer zu begreifendes Konzept, aber es ist irgendwie wahr. Die Anschuldigungen und Geschichten, die ans Licht gekommen sind, nehmen kein Ende, und ich denke, es hat eine lange Zeit gedauert, und es ist ermutigend, dass das Schweigen zu diesem Thema endlich vorbei ist. Ich glaube, dass die #metoo-Initiative eine sehr mächtige Bewegung ist. Dadurch hatten Frauen und Männern die Möglichkeit, andere zu informieren, dass sie belästigt wurden, ohne sich als Einzelperson bloßstellen zu müssen und ihre Geschichte im Detail zu erklären. Sie hatte genau das richtige Maß an Anonymität und Solidarität.
Als ich das Projekt gestartet habe, habe ich jede Frau, die ich kannte, gefragt, ob sie schon einmal sexuell belästigt wurde. Jede Frau hat geantwortet und es gab zwei verschiedene Arten von Antwort. Die erste war: "Ja, welche von meinen fünf Geschichten willst du hören?" Und die zweite war: "Oh… Ich weiß nicht, ob mir so etwas Schlimmes schon einmal passiert ist." Durch die zweite Antwort wurde mir klar, dass manchen Frauen gar nicht bewusst ist, was als sexuelle Belästigung zählt. Nachdem ich sie noch einmal fragte, ob sie schon einmal etwas von einem Mann, der ihnen aus einem fahrenden Wagen heraus nachruft, bis hin zu einem unerwünschten Kompliment von einem Fremden, erlebt haben, erhielt ich tonnenweise Geschichten über sexuelle Belästigung.
Die Reaktionen auf Cheer Up Luv waren definitiv ziemlich überwältigend - ich habe niemals erwartet, dass die Anzahl der Frauen, die sich mit ihren Geschichten an mich wenden, so hoch sein würde. Neben Frauen jeden Alters, die mich kontaktierten, bekam ich auch E-Mails von Vätern, die sich um ihre Töchter sorgten, und sogar von einem älteren Mann, der sich für sein Verhalten in der Vergangenheit entschuldigte! Es war wirklich ermutigend und gab mir das Gefühl, dass ich zu den Leuten durchgedrungen bin und es mir gelungen war, meine Botschaft zu übermitteln.
Das war sowohl für die beteiligten Frauen, als auch für mich selbst wie eine Therapie. Ich habe wirklich das Gefühl, dass hier etwas bewirkt werden kann, und ich hoffe sehr, dass es mir gelingt, den Unterschied zu machen, den ich mir wünsche. Ich möchte, dass Leute aus meinen Bildern und dem Projekt etwas Positives mitnehmen. Das ist alles, was ich damit jemals erreichen wollte. Mein Ziel war es immer, das, was einstmals eine negative Situation war, in eine zu verwandeln, in der die Frau unerschrocken sprechen kann und in der Situation Stärke findet.