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Dieser Comedian macht Witze über sein Kurzdarmsyndrom und ich frage mich: „Darf ich lachen?“

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Von: Nadja Goldhammer

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Der junge Comedian Anthony Bauer erzählt: „Das Talent, Leute zum Lachen zu bringen, habe ich also quasi, weil ich es früher gebraucht habe.“
Comedy-Newcomer Tony Bauer auf der Bühne. © Vanytales.photography

Tony Bauer spricht im Interview mit BuzzFeed DE über seine seltene Krankheit und wie sein Humor ihm als Kind geholfen hat.

Damit ich am Wochenende mal etwas anderes unternehme, als Tom Kha Gai und Ente süßsauer zu bestellen, bin ich neulich mit meinen Freunden zu einer Comedy-Show gegangen. Guten Gewissens, denn so konnte ich mich on top auch noch kulturell weiterbilden. In Hamburg kannst du dir nahezu jeden Tag bei den Veranstaltungen von Schnack Stand-up coole Comedians und Newcomer ansehen, die sich auf die Bühne trauen und ihre neuen Gags ausprobieren. Da bin ich liebend gerne Versuchskaninchen! Einer von den Newcomern ist jedoch an diesem Abend aus der Menge herausgestochen.

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Der junge Mann heißt Anthony Bauer und geht lässig mit einem Rucksack auf die Bühne, was er natürlich nicht lange unkommentiert lässt. „Nein, ich komme nicht aus der Schule“, stellt er klar und erntet die ersten Lacher. „Ich sehe, was ihr denkt, Leute. Ihr denkt: ‚Was macht dieses Kindermodel mit seinem 4U-Scout-Rucksack auf der Bühne?“ Die nächsten Lacher.
„Das ist einfach erklärt, ich habe Kurzdarmsyndrom. Ich bin chronisch krank und schwerbehindert.“
Jetzt traut sich keiner mehr zu lachen.

Ich auch nicht. Und ich finde es wirklich mutig, damit auf die Bühne zu gehen. Weil ich Tonys Auftritt cool und seine Hintergrundgeschichte interessant fand, habe ich ihn um ein kleines Interview gebeten. Hier ist das, was dabei rauskam und du solltest genau mitlesen, denn da kannst du noch was lernen.

Hi lieber Tony, willst du dich einmal kurz vorstellen?

„Hey. Ich bin Tony Bauer, bin 26 Jahre alt, ich habe bis vor Kurzem noch bei meinen Großeltern gewohnt und ich komme aus Duisburg. Ich war schon immer in Duisburg. Erst durch die Comedy kann ich mir auch mal was anderes außerhalb des Ruhrgebiets ansehen. Ich habe Kurzdarmsyndrom, das Thema kommentiere oder thematisiere ich auch oft in meiner Comedy.“

Kannst du vielleicht nochmal in deinen Worten erklären, was es mit deiner Krankheit auf sich hat?

Comedy-Newcomer Tony Bauer erzählt: „Der gesamte Dünndarm hatte sich ineinander verdreht.“
Tony Bauer im Interview. © BuzzFeed Screenshot

„Als ich 8 Jahre alt war, habe ich eines Nachts Bauchschmerzen gehabt. Dann sind wir in die Klinik gefahren und der Arzt, der mich behandelt hat, wusste gar nicht, was los ist. Mein Insulinwert war echt so hoch, dass er nicht mehr angezeigt werden konnte.

Als sie dann operiert haben, haben sie gesehen, dass der gesamte Dünndarm sich ineinander verdreht hat und abstirbt. Sie haben diesen deswegen entnommen. Ich kam auf die Intensivstation. Die künstlichen Darmausgänge wurden gekappt und alles wurde miteinander vernäht, sodass ich diese zum Glück nicht mehr brauche. Also ich kann alles ganz normal machen. Ich muss mich eben nur anschließen, damit ich zusätzlich parenteral ernährt werde.“

Parenterale Ernährung? Was ist das denn eigentlich genau?

„Also, du musst dir das so vorstellen: Da ist an der Brust so ein kleiner Schlauch, der dann quasi an dem Beutel hängt, in dieser ‚Aldi-Tüte‘ quasi und dann wirst du daran angestöpselt. Das Ganze läuft mittlerweile 17 Stunden. Meistens dann abends, damit ich in Ruhe schlafen gehen kann.

Ganz am Anfang waren es 24 Stunden, also den ganzen Tag. Dann 21 Stunden, dann 19 Stunden. Es war für kurze Zeit mal 13 Stunden. Dann gings mir wieder ein bisschen schlechter. (...) Es pendelt sich immer so ein, wie ich mich gerade fühle. Es wird aber nicht weniger als 10.“

Was hat dich denn dazu inspiriert, Comedy zu machen?

Comedy-Newcomer Tony Bauer erzählt: „Wenn ich den Arzt zum Lachen gebracht habe, dann kam er mit einer ganz anderen Laune zu mir.“
Tony Bauer Interview © BuzzFeed Screenshot

„Ich lag wirklich gefühlt mein ganzes Leben lang im Krankenhaus. Meine Familie kam natürlich so häufig, wie sie konnte. Aber es gab auch Zeiten, in denen dann mal keiner da war. Dann war es so, dass ich mit 9 oder 10 Jahren, weil ich nicht alleine sein wollte, mich zu den Krankenschwestern gesetzt und denen Witze erzählt habe. Wenn die gelacht haben, durfte ich mit denen chillen. Dann musste ich nicht alleine in meinem Zimmer sein, sondern durfte mit ihnen essen.

Wenn ich den Arzt zum Lachen gebracht habe, dann behandelte er mich nicht besser. Aber er kam mit einer ganz anderen Laune in mein Zimmer. Das habe ich dann immer versucht und so ist es geblieben. Das Talent, Leute zum Lachen zu bringen, habe ich also quasi, weil ich es früher gebraucht habe.“

Gab es einen bestimmten Moment, wo es bei dir plötzlich Klick gemacht hat?

„Dadurch, dass ich auch häufig mit dem Tod konfrontiert wurde, habe ich mich häufig gefragt: ‚Das ist alles? Das ist mein Leben?‘

Irgendwann kam das dritte Programm von Kevin Hart heraus. Immer zu den Zeiten, wo ich unzufrieden war und nicht wusste, wo lang, kam ein Programm von ihm heraus. Dann guckte ich mir das an und habe einfach die Entscheidung getroffen, dass ich aufhören würde zu studieren und dass Comedy eben das ist, was ich machen will. Von jetzt auf gleich.“

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Wie kamst du von der Idee auf die richtige Bühne?

„Die Künstlerszene war wegen Corona eigentlich tot zu der Zeit. Dann habe ich angefangen mit Wohnzimmershows. Ich habe mir einfach vorgestellt, dass das 10.000 Menschen waren und auch wenn die nicht gelacht haben, war das okay. Denn nur dadurch konnte ich besser werden.

Dann war ich auf meinem ersten Open Mic. Ich wollte unbedingt im November letzten Jahres anfangen. Über Instagram war eine Werbung dafür und ich habe mich eingetragen. Ich habe meine 2 Kumpels eingepackt und bin nach Bremen. Aus der Retrospektive war der Auftritt natürlich schlimm, aber zu dieser Zeit war das auch gut so. Dann kam eins zum anderen und es kamen die nächsten Auftritte und auch relativ viele.“

Zurück zu deinem Auftritt. Darf man überhaupt darüber lachen?

„Das ist das Problem an dem Publikum. Die stellen sich am Anfang die Frage: ‚Darf ich das? Darf ich jetzt lachen?‘ Wenn man heikle Themen anspricht, dann ist es ja auch gut, dass man erst darüber nachdenkt, ob man jetzt lachen darf. Es ist eben in den Köpfen der Menschen und umso länger ich davon erzähle und je besser der Witz wird bzw. umso mehr ich die Leute in meine Welt ziehe, desto häufiger lachen die bzw. desto größer werden die Lacher der Menschen. Und bis zum Ende des Auftritts habe ich die Menschen eigentlich so weit, dass die sich richtig wegschreien und genau das ist mein Ziel. Die Resonanz ist dann auch immer sehr positiv.“

Was war der schönste Moment deiner Karriere bis jetzt?

„Letztes Mal habe ich in Frankfurt gespielt und da war eine Krankenschwester, die mir danach geschrieben hat. Sie arbeitet mit Kindern, die parenteral ernährt werden. Also mit Kindern, die eine ähnliche Krankheit haben wie ich. Und sie hat mir einfach geschrieben: ‚Schön zu sehen, dass es auch so gehen kann.‘

Das sind eigentlich die schönsten Komplimente. Ich freue mich über alle Komplimente! Auch wenn jemand sagt: ‚Ich habe mir vor Lachen in die Hose gemacht.‘

Aber solche Komplimente, wo Leute oder Kinder in derselben Situation sind wie ich. Und da ist dann einer, dem ich zeigen kann: ‚Gib nicht auf, es kann auch so sein!‘ Das war schon das schönste Kompliment von allen.“

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Ist die Comedy auch ein Weg für dich, um mit deiner Situation umzugehen?

„Ja, denn als Kind fragt man sich häufig: ‚Ist das alles ein böser Traum?‘ Man wacht irgendwann auf und dann ist alles anders. Aber die Frage ist eher: ‚Wie gehe ich damit um?‘ Kinder sind grausam. Dieses Mobbing in den Schulen, dieses Hänseln, das passiert. Das ist präsent und dann muss man sich fragen, ob man darauf eingeht oder eben quasi die Flucht nach vorn wählt. Ich nehme dann allen die Patronen weg und stecke diese in meine eigene Tasche.“

Kannst du den Leuten einen Tipp mit auf den Weg geben, immer so positiv zu bleiben?

Comedy-Newcomer Tony Bauer rät: „Man sollte einfach akzeptieren, wer man ist und lernen, wie man das nutzt, was man hat.“
Tony Bauer Interview © BuzzFeed Screenshot

„Mir hat immer geholfen, dass ich niemals daran gedacht habe, dass ich krank bin. Ich habe immer von mir erwartet, dass ich, wenn jemand schneller rennen kann als ich, genauso schnell bin. Ich habe immer irgendwie versucht genauso gut zu sein oder besser. Vielleicht im Rahmen, weil das macht auch irgendwann wahnsinnig. Aber man sollte einfach akzeptieren, wer man ist. Und lernen, wie man das nutzt, was man hat, sodass es trotzdem irgendwie geil ist! Was in der Vergangenheit war, ist nun mal so, aber man kann trotzdem eine tolle Zukunft haben.“

Danke Tony, dass du dir die Zeit genommen hast und für dieses starke Schlusswort.

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