Reginas Rat an Alex, sich nicht demütigen zu lassen, ist nett gemeint, aber ziemlich heuchlerisch. Wie auch ihre Bemerkung, dass sie sich nur auf Arbeit verlassen könne, sehr ignorant ist. Doch das ganze Land ist auf der Idee gewachsen, dass harte Arbeit dich im Leben nach vorne bringt. Kein Wunder, dass erfolgreiche Menschen an diese Vorstellung glauben wie an eine Religion. Selbst wenn vor ihnen jemand sitzt, der das lebendige Gegenbeispiel dafür ist. Alex ist schließlich nur am Arbeiten, was ihr herzlich wenig Sicherheiten gibt. Ich frage mich, ob die Ankunft von Baby Leo Regina gezeigt hat, wie sehr wir wirklich auf andere Menschen angewiesen sind. Vielleicht ist ihr Kind der Auslöser für ihre unerwartete Hilfsbereitschaft.
Das war so ein kurzer Moment, dass ich ihn fast verpasst hätte. Aber wie Alex Yolanda in dieser Szene widerspricht, finde ich total wichtig. Diese 25-jährige junge Frau stand kurz vorm Studium, ehe sie in ihrer Beziehung mit Sean ihrer Persönlichkeit beraubt wurde. Doch in Augenblicken wie diesen kommt nach und nach die wahre Alex zum Vorschein.
In dieser Szene ist völlig klar, dass das Alex‘ Neuanfang in dem Kreislauf emotionaler Gewalt sein wird, in den Sean sie immer wieder reinzieht. Dass er ihr Glück sabotiert, sobald er davon Wind kriegt, war vorprogrammiert.
Hör mal, Nate ist natürlich ein netter Typ™. Doch seine Absichten sind absolut nicht so nobel, wie er sie darstellt, und Alex hat mit allem recht was sie sagt. Dass eine Beziehung zwischen den beiden eine super schlechte Idee wäre, ist auch nicht schwer zu erkennen. Schließlich würde sich Alex nur von einer Abhängigkeit in die nächste begeben. Das müsste auch Nate klar sein, daher gehe ich einfach davon aus, dass er das willens in Kauf nimmt.
Andie McDowells Paula sorgt für so einige aufwühlende Szenen. Doch in dem Augenblick, als sie versucht, in ihr Haus einzubrechen, zerbricht auch etwas in Alex. Sie sieht ganz deutlich, dass ihre Muter nicht nur keine Unterstützung ist, sondern tatsächlich eine Last, die ihr den Weg versperrt. Sie hat nur noch Sean.
Damit haben alle gerechnet, die sich schon mal mit den Zyklen von (emotionaler) Gewalt in Beziehungen befasst haben. Auch dass Sean (für eine kurze Zeit) Alex‘ größter Unterstützer ist, passt absolut ins Muster. Doch die Anzeichen dafür, dass sein altes Verhalten langsam wieder hervorbricht, sind da. Seans Vorschlag, nur sein Telefon zu benutzen, erinnert daran, wie er zwei Jahre lang die volle Kontrolle über Alex‘ Finanzen hatte. Dass ihr Vater ihm sagt, er sei lange nicht bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker gewesen, tut sein übriges.
Als Sean Alex vorwirft, all seine Bemühungen seien umsonst gewesen, wenn sie mit wegzieht, ist das der Startschuss für die nächste Eskalation. Indem er im Anschluss Nates Auto zurückgibt, schneidet er Alex ihre Fluchtwege ab und sperrt sie somit in das tiefe Loch, in das sie dadurch fällt.
Während Sean Alex erniedrigt, sieht ihr Vater teilnahmslos zu, bevor er ein Tischgebet spricht. Nur Maddy sieht ihre Mutter aufmerksam an. Bisher war sie in dem Drama eher eine Statistin, auch wenn sich im Grunde alles um sie dreht. Doch die Szene zeigt, das die inzwischen Dreijährige ein Bewusstsein für die Situation zu Hause entwickelt.
Ihre verdrängte Erinnerung an den Küchenschrank ist ein wichtiger Schlüssel, um sich aus dem Geflecht der Gewalt zu befreien, in das Alex schon hineingeboren wurde. Das erst Mal, als sie sich erinnert, wie sie sich versteckt hat, bricht sie den Kontakt zu ihrem Vater ab. Die Erinnerung nach Alex‘ Rückkehr zu Sean nochmal zu sehen, zeigt, dass es oft keinen geraden Weg aus diesem Kreislauf gibt.
Diese Szene ist so wichtig, weil Alex nicht nur selbst die Wahrheit anerkennt und ausspricht, sondern dadurch auch die Kraft findet, Sean die Stirn zu bieten.
Alex‘ Eltern sind ein Thema für sich, aber ihr Vater ist definitiv der problematischere Teil und das nicht nur, weil er Paula misshandelt hat. Seine Hilfsbereitschaft Sean gegenüber ist lediglich Seelsorge für sein eigenes Ego, das sich weigert, Verantwortung für seine Taten zu übernehmen. Er tröstet sich damit, dass die Schuld ganz allein beim Schnaps läge. Seine Selbstdarstellung als fürsorglicher Vater und Opa ist purer Egoismus. Sogar als Alex und Maddy ein paar Tage lang bei ihm zu Hause unterkommen, fällt der Großteil der Arbeit auf seine Frau, während er sich selbst in der Illusion wiegt, dadurch sein Fehlverhalten von damals wiedergutzumachen.
Irgendwie kommt Sean ein zweites Mal zur Vernunft, was eine glückliche Fügung ist, damit die Geschichte ein Ende findet. Ich bin mir nicht sicher, wie sehr diese Entscheidung zu seinem Charakter passt, weil er so fixiert auf Alex ist. Trotzdem bin ich ganz glücklich darüber, dass die Täter in Alex‘ Geschichte nicht nur stumpf als brutale Schläger gezeichnet werden. Emotionale Gewalt und Manipulation können mit Liebe und Fürsorge Hand in Hand gehen.
Auch wenn Paula am Ende für einen leichten Hoffnungsschimmer sorgt, kann sie einfach nicht aus ihrem Verhaltensmuster ausbrechen. Ihre emotionale Abhängigkeit vom neuen Freund ist stärker, als der Wunsch auf einen Neuanfang mit ihrer Tochter und Enkelin. Es ist bittersüß, aber ihre Entscheidung zu bleiben, ist auch ein Befreiungsschlag für Alex.
Das Ende ist ziemlich kitschig, geb‘ ich zu. Aber dafür ist die ganze Serie schon so traurig und entmutigend. Ich bin froh, dass Maid eine Miniserie ist, weil so auch offen bleibt, was aus Alex und Maddy wird. Vielleicht macht sie ihren Abschluss und wird Schriftstellerin. Aber vielleicht kehrt sie auch zu Sean zurück. Wichtig ist: Maid zeigt den Kreislauf der Gewalt und der Abhängikeit, in dem Täter*innen und Opfer stecken, und von solchen Geschichten brauchen wir noch mehr.
Für Betroffene von Gewalt in der Partnerschaft ist zum Beispiel das Hilfetelefon eine erste Anlaufstelle. Auch die Organisation Weisser Ring hat Hilfsangebote. Bei der Initiative Stärker als Gewalt findest du außerdem eine Liste von Stellen, die sich explizit für Männer einsetzen, die häusliche Gewalt erleben.
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