- 0 Kommentare
- Weitere
- vonNadja Rödigschließen
- Michelle Anskeitschließen
Wie wenig wir tatsächlich über die Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma während des zweiten Weltkriegs wissen, beweist ein ARD-“Meinungstalk“ von diesem Wochenende.
Vielleicht hast du schon etwas von der Wochenendausgabe der WDR-Talkshow „Die letzte Instanz“ gehört. Wenn nicht, hier nochmal das Wichtigste in Kürze: Ein Thema des „Meinungstalks“ war die Umbenennung der „Z*-Sauce“. Hintergrund hiervon war ein geschmackloser Witz von Barbara Schöneberger bei der Verleihung des Deutschen Radiopreises, bei dem sie sagte, man könne die Z*-Sauce ja nicht mehr so nennen, sondern müsse jetzt „Sauce ohne festen Wohnsitz“ sagen.
Die ausschließlichen weißen Gäste der Talkshow bildeten sich eine recht geschlossene Meinung zum Thema, die mit bereits bekannten Begründungen unterlegt wurden: Man darf ja gar nichts mehr sagen, die älteren Generationen haben das noch anders gelernt, es gäbe ja wichtigere Probleme etc.
Das hier ist das mit Abstand ignoranteste, arroganteste und diskriminierendste was ich seit langem im deutschen TV gesehen habe! Vier weiße Menschen, die erklären wie anstrengend und albern es ist sich mit Rassismus-Kritik auseinanderzusetzen. DANKE @WDR https://t.co/8aGob1kOr7
— ANSCHLAG auf Pressefreiheit Quattromilf (@ebonyplusirony) January 30, 2021
Dass hinter diesem Thema noch viel mehr steckt, scheint den Gästen, aber auch vielen anderen Menschen nicht bewusst zu sein. Grund hierfür ist insbesondere, dass auch in der Schule zwar über den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust gesprochen wird, die Gruppe der Sinti und Roma dabei jedoch häufig missachtet wird.
@FerdaAtaman spricht dieses Problem an und erhält darauf viele dieser Rückmeldungen, welche diese Missachtung bestätigen:
Ich hab erst durch Social Media mehr darüber erfahren.
— dorolicious🏳️🌈(🏠) (@DoroliciousBDSM) February 1, 2021
In der Schule ging das irgendwie sehr nebensächlich unter "weitere" unter.
Sehr traurig wie mit der Geschichte umgegangen wird. 😓
Auch beim Internationalen Gedenktag an die Opfer des Holocausts, der erst am 27. Januar stattfand, wird die Gruppe oft übersehen. Und das, obwohl allein in Europa über 500.000 Sinti und Romas ermordet wurden.
Zum heutigen #HolocaustRemembranceDay erinnerten Romani Rose und Dotschy Reinhardt zusammen mit #OBWürzner in Heidelberg an die 500.000 ermordeten #Sinti und #Roma Europas und aller anderen Menschen, die der nationalsozialistischen Willkürherrschaft zum Opfer fielen. pic.twitter.com/mFNWanw4WM
— Sinti und Roma (@sintiundromaDE) January 27, 2021
Aus diesem Grund bieten einige Menschen auf Twitter uns eine dringend benötigte Geschichtsstunde an, die über das aufklärt, was der Unterricht offensichtlich versäumt hat: Die Diskriminierung, Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma.
@_sgt_official erklärt, wieso das Z-Wort aus der Debatte so problematisch ist:
Das Z-Wort war Propagandasprech der Nazis, es ist stark stigmatisierend und eine Qual für viele Sinti und Roma.
— שמואל (@_stg_official) January 31, 2021
Wer es dennoch verwendet, spuckt aus Hochmut auf die Opfer des #Porajmos, des faschistischen Völkermords an ebendiesen.
@rubenmcloop klärt über den Begriff „Porajmos“ auf:
Kennt ihr den Begriff #Porajmos? Damit bezeichnen Sinti* und Roma* die Vernichtung durch den NS. Sollte man kennen wie die jüdische Selbstbezeichnung Shoah für den Holocaust. Aber diese Geschichte ist noch mal specially abgefuckt. Hier ein Thread, man sollte das wissen. 1/7
— max czollek (@rubenmcloop) August 9, 2020
@MelinaBorcak informiert über die lange Verfolgungsgeschichte der Roma und Sinti, die einen Höhepunkt im Porajmos fand:
Porajmos - Nazi-Genozid gg Roma & Sinti. Schätzungen zufolge 1 Million R+S ermordet. Viele wurden mit Zügen der Bahn in KZs verschleppt. Errinerungskultur? Die meisten Deutschen haben noch nie das Wort "Porajmos" gehört.
— Melina Borčak 🇧🇦 🌱🎸 (@MelinaBorcak) June 12, 2020
Bundesregierung hat erst 1982 den Genozid anerkannt. 3/6 pic.twitter.com/f1kTps59jz
Während des Porajmos wurden viele Roma und Sinti in Konzentrationslager gebracht, wo ihnen ein „Z“ tätowiert wurde, was eine Abkürzung für das Z-Wort war:
....Die von den #Nazis auf dem Arm eintätovierte Nummer fing bei #Sinti & #Roma mit 'Z' an.... pic.twitter.com/IbxgX9v391
— (((Sabine))) (@kampsabine) January 31, 2021
Wie weit diese Missachtung geht, zeigte ein Bau-Projekt der Deutschen Bahn, in welchem ein Mahnmal zu diesem Genozid entfernt werden sollte, um eine neue S-Bahn Station zu bauen.
6/6
— Melina Borčak 🇧🇦 🌱🎸 (@MelinaBorcak) June 12, 2020
Und nach ALL DEM im Thread beschriebenen will *ausgerechnet* @DB_Bahn das Genozid-Mahnmal entfernen um ne komplett unnötige Sbahn-Station zu bauen.
NEIN! #dasdenkmalbleibt
Demo: 13.6., 15 Uhr, Scheidemannstr vorm Bundestag
Petition unterschr.+teilen:https://t.co/5ElgPn9qUN
Der Zentralrat der Sinti und Roma und seine Unterstützer kämpften jedoch hiergegen unter dem Hashtag #DasDenkmalbleibt an, wodurch der Bau angepasst und das Mahnmal geschützt blieb.
Erfreuliche Entwicklung beim neuen Berliner S-Bahntunnel unter dem #Denkmal für die im NS ermordeten #Sinti und #Roma: Denkmal wird beim Bau komplett mit einem Tunnel unterquert und so geschützt. #DasDenkmalbleibt #sintiundromadenkmal https://t.co/M0on9Nkl4n via @ZR_SintiRoma
— Sinti und Roma (@sintiundromaDE) December 1, 2020
All das zeigt, dass es noch viel Aufklärungsarbeit braucht. Die hier gezeigten Twitter-Threads und die anhaltende Arbeit des Zentralrats der Sinti und Roma sind ein guter Anfang, um sich der Weite des Themas bewusst zu werden.
Informationen zum Thema sowie aktuelle Nachrichten, die sich hiermit beschäftigen, können auf der Internetseite des Zentralrats der Sinti und Roma abgerufen werden
Die Bundeszentrale für politische Bildung hat zudem eine umfangreiche Themenseite zum Thema „Antiziganismus“ erstellt, über die sich ebenfalls informiert werden kann.
Rubriklistenbild: © https://twitter.com/FerdaAtaman / Hintergrundbild: IMAGO / Panthermedia