RTL muss beim „Bachelor“ die Notbremse ziehen

Die Reise von David Jackson findet ihr erwartbares Ende. Jetzt kann es nur noch harte Konsequenzen geben.
ACHTUNG, SPOILER!
Es ist endlich vollbracht. Bachelor David Jackson hat sich entschieden und wird zukünftig mit Angelina, genannt „Utze”, sein Glück versuchen.
Zumindest aus der jüngsten Bachelor-Historie heraus stehen die Vorzeichen gar nicht so schlecht: Nach einem knappen dreiviertel Jahr sind die letzte Bachelorette Sharon Battiste und Jan Hoffmann noch glücklich liiert. Und der Bachelor vor David Jackson, Dominik Stuckmann, liebt Anna Rossow seit weit über einem Jahr.
Das war’s dann aber auch an positiven Nachrichten für das RTL-Format. Denn während der etwas oberflächlich und holprig daherkommende Dominik bei der Wahl der eleganten, tiefgründigen und ihn herausfordernden Architektin noch überraschte, langweilte der diesjährige Bachelor nicht nur mit der völlig vorhersehbaren Wahl seiner Kandidatinnen, sondern auch mit seinem eigenen Auftreten.
Das Problem ist der Hauptcharakter – doch es gibt ein Vorbild für RTL
Meine Kollegin Nadja Goldhammer hat den Bachelor in einem Kommentar letzte Woche schon treffend auseinandergenommen und demaskiert. Zu seiner Person sei nur noch angefügt, dass sich RTL bei der Wahl von Influencern für den Hauptcharakter der TV-Show ganz schnell verabschieden sollte. Das zeigte 2019 schon Instagram-Expertin und Model Gerda Lewis. Auch diesmal gilt: Aalglatt und langweilig, keine (gezeigten) Schwächen oder Ecken und Kanten, alles ist „mega” und dreht sich um ein geiles „Mindset”. Nur am Ende zeigt sich Jackson innerlich zerrissen und verletzlich, als er sich scheinbar in gleich zwei Frauen verliebt hat. Aber das Tragische ist: Der Bachelor redet über tiefgründiges Kennenlernen und tiefe Gefühle, doch genau diese Gespräche gibt es dann nicht, genau diese Emotionen kauft man ihm und der Show nicht ab. Die letzte interessante Persönlichkeit, die Hamburger Immobilienkauffrau Henriette, flog bereits vor Wochen raus.

Statt glatt polierter Fassade sollten sie bei der Produktionsfirma WBITVP (Warner Bros. International Television Production), die das Format für RTL umsetzt, und dem Sender selbst dringend darüber nachdenken, auf Echtheit und Authentizität zu setzen. Die TV-Kameras werden immer bleiben, klar. Doch ausgerechnet „Bauer sucht Frau” - auch aus der RTL-Schmiede stammend - hat gezeigt, wie aus einer leicht peinlich-voyeuristischen Sendung, die sich über Leute lustig macht, eine liebevolle Dating-Show werden kann, die Lacher und Liebe verbindet. Das zeigen nicht nur die über 30 geschlossenen Ehen und mehr als 20 Kinder. Es liegt auch an den freimütigen, bodenständigen Bauern als Charaktere im Mittelpunkt.

Der Bachelor trägt nicht die alleinige Verantwortung für das TV-Desaster
Die Schuld für die Format-Schwäche trifft nicht nur den Bachelor, es liegt definitiv auch an der Produktionsweise. Den Machern mag man zurufen: Setzt doch auch mal auf einfache Gespräche, auf womöglich Banal-Alltägliches im Schnitt statt dauerhaft auf die ganz große Nummer! Zuschauer:innen lieben das Schlüsselloch, durch das sie die Kandidat:innen kennenlernen und sich wirklich mit ihnen identifizieren können. Zumal die Spannung flöten geht, wenn in ellenlangen Teasern zu Beginn jeder Folge schon massenhaft Bilder und Handlungen verraten werden, seien sie auch noch so verrätselt und potpourrihaft aneinandergeschnitten.
Damit wären wir beim letzten Thema: Die Staffel zog sich auch wie ein Kaugummi und erschien quälend lang, weil sie es war: Elf statt wie sonst zehn Folgen waren der Sendung ständig anzumerken, zumal in dieser Staffel zwischendrin nicht wie sonst zwei Neue auftauchten, sondern die ursprüngliche Besetzung erhalten blieb. Und auch viele der anderthalbstündigen Episoden (im Fernsehen mit Werbung auf zwei Stunden gestreckt) blieben in sich blass.

Einen Tiefpunkt erreichte der Bachelor in der Runde der letzten vier, als es nach Rio de Janeiro ging für die Dreamdates, die diesen Namen vor Ort nicht mehr verdienten und über eine halbe Stunde Vorgeplänkel brauchten, um umgesetzt zu werden. Hier muss starker Inhalt über der klassischen Privatfernsehen-Maxime stehen, Programmsequenzen nur für die Werbeplätze im linearen Fernsehen zu produzieren (viele gucken übrigens längst via TV Now). Erst in der Finalsendung kürzten Produzenten und TV-Planer auf wohltuende 55 Minuten Sendezeit.
Das könnte den „Bachelor“ jetzt noch retten
Eine andere Art Hauptdarsteller, ehrliche Inhalte und eine neue Machart: Die Zutaten für einen wirklich guten Unterhaltungsmix sind gar nicht so schwer zu finden. Ansonsten muss der Sender bald die Reißleine ziehen und das Format abschaffen. Erste Alarmsignale gibt es längst: Knapp über eine Million Zuschauer:innen hatte der Bachelor zuletzt, in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen waren es nicht mal mehr 500.000. Dieser Bachelor verdient es derzeit nicht anders. Aber vielleicht klappt es ja für David Jackson zumindest im wahren Leben mit seiner „Utze“.