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Was ich zum Vatertag von meinem Kind erwarte

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Von: Martin Trotz

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Wütende Kommentare, absurde Reaktionen: Ein Kita-Schreiben tobt derzeit durchs Netz.
Wütende Kommentare, absurde Reaktionen: Ein Kita-Schreiben tobt derzeit durchs Netz. © Imago / Panthermedia

Ein Verzicht auf Geschenke löst im Netz Empörung aus. Zwar macht auch die Kita einen Fehler, doch besorgniserregend ist eher das, was danach passiert.

„Dem Wahnsinn sind keine Grenzen gesetzt“: So dämlich leitet Tilman Kuban seinen Tweet ein. Es geht dem CDU-Politiker um eine Kita im Amöneburger Stadtteil Mardorf, die im Sinne der Diversität auf stereotype Geschenke und Basteleien zum Mutter- und Vatertag in diesem Jahr verzichten wollte (hier findest du wirklich komische Regeln aus der Kita).

Schwierig ist daran vor allem die Marktschreierei auf Twitter, das typische Schwarz-Weiß-Kategorisieren auf der Plattform, das ständige Wittern eines „woken Wahnsinns“. Und das kommt nicht von rechten Trollen, sondern von einem Bundestagsabgeordneten einer bürgerlichen Partei. Geht‘s eigentlich noch?

Der Verzicht der Kita ist nicht das eigentliche Problem

Doch von vorn: Mutter-Vater-Kind sei „nicht mehr die Norm“, heißt es in der Begründung der Kita. Ein Geschenk ohne Papa in der Familie könne „die Identität des Kindes“ infrage stellen. Das Bistum Fulda erklärt, das Vorhaben habe für Irritation in der Elternschaft gesorgt. Seinee Kita setzt ein zweites Schreiben auf und entschuldigt sich. 

Das Problem ist aber nicht das Anliegen, sondern die Begründung und vor allem das Fass, dass rund um solche Jahrestage aufgemacht wird.

Das Prinzip Mutter-Vater-Kind gilt nach wie vor

Fakt ist: Bei etwa der Hälfte aller Scheidungen in Deutschland haben die Paare minderjährige Kinder. Ganze 40 Prozent der Trennungen finden im ersten Jahr nach der Geburt des ersten Kindes statt. Wenn keine Ehe besteht, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Trennung nochmals.

Heißt: Ja, viele Kleinkinder wachsen in Deutschland mit getrennt voneinander lebenden Eltern auf. Und viele haben so oder so eine Mama und einen Papa. Einer meiner engsten Freunde lebt getrennt von der Mutter seines Kindes, trotzdem verstehen sich seine Ex-Freundin, er und ihr gemeinsamer Sohn als Familie. Zudem packen viele Paare den erhöhten Beziehungsstress durch Kinder und bleiben zusammen. Von daher ist die Begründung der Kita problematisch.

Die Kita trifft die Entscheidung aus guten Gründen

Dennoch hat sie mit ihrem Anliegen Recht. Als Vater von zwei Kindern kann ich sagen: Meine beiden kleinen Kinder, eins davon in der Kita, können mir das ganze Jahr „Danke“ sagen – oder es lassen, denn sie sind klein und meine bedingungslose Liebe hängt nicht von Kreationen am Vatertag ab. Mein Sohn ist agil und springt eher in Pfützen, als dass er gerne kritzelt oder bastelt.

Die katholische Kita wollte auf Geschenke wie Blumen für die Mutter oder Werkzeug für den Vater verzichten. Richtig so, denn viel stereotyper geht es kaum. Da geht das Klischee-Kopfkino für den urdeutschen Ablauf des Mutter- und Vatertags sofort an: Für die Mama Kitsch und Pflanze, für den Papa Spanferkel und Bier? Denken wir doch lieber über einen Elterntag nach! Nein, nicht jede Tradition muss abgeschafft werden. Aber Zeiten ändern sich, Rollen- und Familienbilder auch und die Bedeutung von Jahrestagen im Alltag von Menschen sowieso.

Zeiten ändern sich und die Kita hat doch eine freie Wahl

Denn Eltern und Gesellschaft sind glücklicherweise anders als vor 100 Jahren – modern, bunt, divers, feministisch statt religiös geprägt (Mutter- und Vatertag stammen eigentlich aus einem US-Gedenkgottesdienst und aus dem Aufstieg Jesu Christi als Sohn Gottes in den Himmel). Lasst unsere Kinder also malen, basteln, schenken – egal wann und zu welchem Anlass.

Schwieriger finde ich, wenn mein Sohn zu seinem Geburtstag keinen Kuchen oder andere Leckereien mitbringen kann, weil die Kita Allergien und Unverträglichkeiten fürchtet. Aber auch hier gilt: Es ist eine individuelle Entscheidung der Kita, genau wie die des Pendants im Kreis Marburg-Biedenkopf.

Am dümmsten sind übertriebene und polternde politische Reaktionen auf solche Interna wie in Amöneburg; wie eben die von Tilman Kuban. Übrigens: Dass ausgerechnet eine katholische Kita so einen Weg geht, ist zumindest bemerkenswert – und durchaus positiv.

Interessierst du dich für Kita-Content? Dann schau‘ doch mal, welche schlechte Erfahrungen Eltern und Kinder mit Erzieher:innen gemacht haben.

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