7 Ideen, wie es nach dem 9-Euro-Ticket im ÖPNV weitergehen könnte
In einem Monat ist das 9-Euro-Ticket Geschichte – oder doch nicht? Wir sammeln 7 Ideen, wie es im ÖPNV weitergehen könnte.
Das 9-Euro-Ticket ist wohl einer der größten Erfolge der Ampel-Koalition, von deren anderen Vorhaben Fridays for Future sonst eher enttäuscht ist. Allein im Juni kauften sich über 21 Millionen Menschen das vergünstigte Ticket für Bahn und Bus, gab der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) Ende Juni bekannt. Am ersten Juniwochenende war so einiges los in den Regionalzügen – 13 Tweets, die das erste Wochenende mit dem 9-Euro-Ticket perfekt zusammenfassen.
Umso größer der Aufschrei, als der VDV noch zum Start der 9-Euro-Tickets mit steigenden Preisen nach den drei Monaten vergünstigtem ÖPNV rechnete. Solche „Preiserhöhungen als unmittelbare Folge der Einführung des Neun-Euro-Tickets würden den ÖPNV unattraktiv machen und wären klimapolitisch kontraproduktiv“, sagte Christine Behle, stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi damals gegenüber BuzzFeed News Deutschland.
9-Euro-Ticket Nachfolger: Die Grünen drängen auf Nachfolgeregelung
Auch die Grünen sehen das so. Sie wollen unbedingt eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet. Das 9-Euro-Ticket sei ein „echter Verkaufshit und ein voller Erfolg“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge den Zeitungen der Funke-Mediengruppe am 1. August. „Das 9-Euro-Ticket darf deshalb nicht einfach im September ohne Anschlusslösung auslaufen“, mahnte sie.
Eine Idee für die Finanzierung einer Anschlusslösung gebe es auch schon. Dröge wirft den Abbau der steuerliche Absetzbarkeit der Dienstwagennutzung vor. Damit würde auch ein Schritt zum Abbau umweltschädlicher Subventionen unternommen, auf den sich die Ampelkoalition (SPD, Grüne, FDP) verständigt habe, argumentierte sie laut dpa.

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7 Vorschläge zum Nachfolger des 9-Euro-Tickets
Und wie reagieren die Koalitionspartner? Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte der Bild am Sonntag: „Tankrabatt und 9-Euro-Ticket laufen aus. Es wird keine Anschlussregelung geben können.“ Das dürfte beim Tankrabatt wohl vor allem die freuen, die auf Twitter schon seit Einführung des Tankrabatts immer wieder gesagt haben, wie „zum kot***“ er ist.
Lindners Parteikollege und Verkehrsminister Volker Wissing schlug schon Mitte Juli für die Zeit nach dem 9-Euro-Ticket bundesweit gültige ÖPNV-Tickets vor. Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisierte, die bundesweit gültigen ÖPNV-Tickets, die Wissing forder, gingen „an der Realität vorbei“.
Doch der Schienenverkehrsbeauftragte der Bundesregierung, Michael Theurer, hält dagegen, berichtet die Tagesschau. Zumindest finanziell sei es denkbar, einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket auf die Beine zu stellen – wenn die Länder mitwirken. Die Ampelkoalition überlege derzeit, die Regionalisierungsmittel für die Länder zu erhöhen, sagte Theurer der Rheinischen Post.
Die Diskussion dürfte also noch nicht vorüber sein – hier 7 Vorschläge von Verbänden und Politiker:innen, wie es nach dem 9-Euro-Ticket weitergehen könnte.
1. Verlängerung des 9-Euro-Tickets bis Oktober.
Wie die dpa berichtete, schlug der VDV der Süddeutschen Zeitung (SZ) am 22. Juli vor, das 9-Euro-Ticket um zwei weitere Monate zu verlängern. „Wir brauchen schnell eine Nachfolgelösung“, sagt Oliver Wolff, der Hauptgeschäftsführer des VDV der SZ. „Am besten wäre es, die Aktion als Übergangslösung um weitere zwei Monate zu verlängern. Das Ticket könnte im September und Oktober weiter gelten und so die Bürgerinnen und Bürger von den hohen Energiepreisen entlasten“, betonte Wolff. Auf diese Weise wäre die Umstellung nach August nicht ganz so groß, so der Verkehrsverband.
2. 60 Euro mehr als momentan – das 69-Euro-Ticket.
Perspektivisch setzt sich der VDV für ein 69-Euro-Ticket ein. Wie der Name schon sagt, soll es 60 Euro mehr kosten und wie das 9-Euro-Ticket bundesweit gültig sein. Die Branche sei in der Lage, ab dem 1. September ein solches Klimaticket anzubieten, heißt es vom VDV. Dafür brauche es allerdings einen entsprechenden Auftrag seitens der Politik. Laut Berechnungen des Verbandes würde solch ein Klimaticket für 69 Euro Mehraufwendungen von etwa zwei Milliarden Euro pro Jahr nach sich ziehen – wie das langfristig finanziert würde, könnte bis 2023 geklärt werden.
3. Die Verbraucherzentrale will ein 29-Euro-Ticket.
Der Bundesverband der Verbraucherzentrale (vzbv) fordert ein 29-Euro-Ticket statt einem 69-Euro-Ticket. Laut Tagesspiegel sagte die Vorsitzende Ramona Pop den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Wir fordern eine Fortführung mit einem 29-Euro-Ticket ab September.“ Bei diesem Preis sei die klimafreundliche Mobilität für viele bezahlbar, so Pop, die Mitglied bei den Grünen ist.
Pop merkt an, dass der große Vorteil eines 29-Euro-Ticket vor allem die Vereinfach wäre. Kund:innen müssen dann nicht erst das Tarifsystem verstehen, bevor sie in Bus und Bahn steigen würden. Noch wichtiger sei ihrer Meinung nach aber der Ausbau des Verkehrsangebotes im ländlichen Raum. „Der Abbau von Bahnstrecken in den vergangenen Jahrzehnten war eine Fehlentscheidung“, sagt sie.
4. Ein 365-Euro-Ticket für ein ganzes Jahr ÖPNV wie in Wien.
Viele Verbände und Politiker:innen setzen sich für eine ähnliche Variante ein, wie die Verbraucherschutzzentrale: ein Ticket, das etwa 30 Euro im Monat kostet und damit insgesamt 365 Euro im Jahr. Heinrich Strößenreuther von der Initiative „Clevere Städte“ fordert diese Art Ticket genauso wie die Deutsche Umwelthilfe.
Dorothee Saar, Leiterin des Bereichs „Verkehr und Luftreinhaltung“ bei der Deutschen Umwelthilfe sprach mit uns erst vor einigen Wochen darüber, dass das 9-Euro-Ticket die Luftqualität verbessern könnte, denn Straßenverkehr ist „größte Faktor für die Luftbelastung“. Umso wichtiger sei es, dass die Bundesregierung sich jetzt Gedanken mache, wie man das 9-Euro-Ticket in ein Klimaticket verwandeln werden könne.
„Es sollte dauerhaft unkomplizierter und bezahlbarer öffentlicher Nahverkehr für alle ermöglicht werden“, das fordere die Deutsche Umwelthilfe. In Wien zum Beispiel gebe es das schon – für 365 Euro im Jahr. „Wichtig wäre aber auch da, dass es keine Tarifgrenzen gibt und das Ticket deutschlandweit genutzt werden könnte“, so Saar.
5. Der Verkehrsclub Deutschland will ein Länder-Plus-Ticket mit acht Tarifzonen.
„Länder-PlusTicket“ nennt der Verkehrsclub Deutschland (VCD) das Modell, das er als Nachfolger der 9-Euro-Tickets vorschlägt. „Es muss eine Nachfolge geben, dann steigen mehr Menschen auf Bus und Bahn um“, schreibt der VCD auf seiner Website. „Wir müssen aufhören, den öffentlichen Verkehr aus Verbundsicht zu betrachten, und anfangen, von den Fahrgästen aus zu denken“, sagt die VCD-Bundesvorsitzende Kerstin Haarmann mit Blick auf die unübersichtliche Tarifstruktur in Deutschland.
Der Vorschlag wäre, Deutschland in acht Tarifzonen einzuteilen, die sich im Wesentlichen an den Grenzen eines oder mehrerer Bundesländer orientieren. Hier soll ein Länder-Plus-Ticket angeboten werden, das sich an den acht Großräumen orientiert, aber auch mal eine deutschlandweite Reise möglich macht.
Kosten solle so ein Ticket 75 Euro im Monat betragen, als Jobticket 60 Euro. Als Sozialticket sowie für Schüler:innen, Azubis und Studierende soll es für 30 Euro im Monat erhältlich sein, so die Idee des VDC. Für 135 Euro könnte ein Ticket für den Nah- und Regionalverkehr in ganz Deutschland erworben werden.
6. Die norddeutschen Bundesländer kooperieren und kümmern sich um ein eigenes Nachfolger-Ticket.
Sollte der Bund nicht zügig zu einer Entscheidung kommen, was als Nachfolger des 9-Euro-Tickets infrage kommt, so wollen sich die norddeutschen Bundesländer im Notfall zusammentun und an einer eigenen Lösung arbeiten. Sowohl Niedersachsens Verkehrsministerium als auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) können sich ein norddeutsches Modell vorstellen.
Der Bund sollte die Länder in die Lage versetzen, nach dem Auslaufen des 9-Euro-Tickets ein kostengünstiges, bundesweites Ticket anbieten zu können, teilte das Ministerium in Hannover auf Anfrage der dpa mit. „Sollte ein bundesweites Ticket nicht umsetzbar sein, könnten alternativ auch die fünf norddeutschen Bundesländer [Schleswig-Holstein, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern] etwas auf die Beine stellen“, hieß es aus dem Ministerium.
Marcel Drews, Landesvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn, sagte laut Norddeutsche Rundfunk (NDR) in einer Talkshow, ein norddeutsches Ticket könne nur ein erster Schritt sein. „Im zweiten Schritt müsste es schon eine bundesweite Lösung geben.“ Ansonsten würden Menschen, die aus anderen Bundesländern in den Norden pendeln, ausgeschlossen werden.
7. Der ÖPNV wird komplett kostenfrei – so wie in Luxemburg.
Eine Alternative, die die Linke seit Jahren fordert: Der ÖPNV soll in fünf Jahren komplett kostenfrei sein, so schreibt es die Partei auf ihrer Website über Mobilität. Finanziert werden soll dieser kostenfreie Nahverkehr durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen für Flugverkehr und Diesel, Kerosin und Biokraftstoff. Fernverkehr soll um 50 Prozent günstiger werden, so die Forderung.
In Luxemburg ist der ÖPNV bereits kostenlos – das Land gibt 500 Euro pro Kopf für Bürger:innen aus, während es in Deutschland nur 83 seine, so die ARD-Journalistin, die im Podcast Dreimal besser von der ARD mit François Bausch spricht. Er ist luxemburgischer Verkehrsminister und kam von der Bahn in die Politik. Als eine seiner ersten Amtshandlungen ermöglichte er, dass in Luxemburg jeder kostenfrei mit Bus und Bahn fahren kann.
Im Hinblick auf Deutschland sagt er, es sei wichtig, dass im Anschluss an solch ein vergünstigtes Ticket wie das 9-Euro-Ticket eine Alternative komme, wie es in Zukunft laufen könnte. Sonst würden die Menschen frustriert werden. Bausch merkt jedoch an, dass kostenloser Nahverkehr in Luxemburg eher dem Berliner Großraum ähnelt und dass eine kostenfreie Lösung auch für Fernzüge sicherlich keinen Sinn ergeben würde.