Gekipptes US-Abtreibungsurteil: Diese Menschen sehen jetzt in einer Sterilisation die sicherste Lösung

Durch das gekippte Abtreibungs-Urteil rückt nun eine eher seltene Verhütungsmethode in den USA immer mehr in den Vordergrund: die Vasektomie.
Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, „Roe v. Wade“ zu kippen, hat weitreichende gesundheitliche Folgen für Menschen, die schwanger werden könnten. Als im Mai nach Berichten von Politico ein Entwurf für eine Gerichtsentscheidung zur Abschaffung des Rechts auf Abtreibung durchgesickert war, begannen einige, sich mit der Pille-Danach, Antibabypillen und anderen Verhütungsmitteln einzudecken. BuzzFeed News US hat mit mehreren Personen gesprochen, die sich am Freitag für eine andere, oft ignorierte Methode der Schwangerschaftsverhütung entschieden haben: die Vasektomie.
„Auch wenn ich in einem Staat lebe, in dem Abtreibung immer noch legal ist, möchte ich meine Partnerin nicht in die Situation bringen, ihr Leben zu riskieren, vor allem nicht für etwas, das ich verhindern kann.“
Von dem Abtreibungsverbot sind natürlich nicht nur Menschen betroffen, die eine Schwangerschaft verhindern wollen: Es gibt Menschen, die schwanger werden und aus gesundheitlichen Gründen eine Schwangerschaft nicht austragen sollten; Menschen, deren Schwangerschaften als ungesund, riskant oder nicht lebensfähig eingestuft werden: Opfer von Vergewaltigungen und s*xuellen Übergriffen und Menschen, die einfach kein Kind haben wollen. Bis Freitag, 24. Juni 2022, waren all diese Situationen durch das Roe-Gesetz rechtlich geschützt, obwohl der Zugang von Staat zu Staat sehr unterschiedlich ist. Nun fiel in den USA das konstitutionelle Recht auf Abtreibung.
Die Auswirkungen: Abtreibung wird voraussichtlich in 26 Staaten verboten sein, darunter 13 Staaten, die über sogenannte Trigger-Gesetze verfügen, die sofort oder durch schnelle staatliche Maßnahmen in Kraft treten. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ließ viele befürchten, dass auch andere Formen der Empfängnisverhütung in Zukunft unter Beschuss geraten könnten.
Um Horror-Geschichten von Abtreibungs-Gegner:innen ein Ende zu bereiten, zeigt diese Fotografin, wie „undramatisch“ Abtreibungen eigentlich aussehen.
Vaektomien: Etwa 500.000 werden in den USA pro Jahr durchgeführt
Greg Thomas aus Seattle erzählte BuzzFeed News US, dass er schon eine Weile über eine Vasektomie nachgedacht hatte, aber gestern „beschlossen hat, meinen Arsch dafür hochzukriegen“. Seine Partnerin leidet unter einer zerebralen Lähmung, eine Schwangerschaft wäre somit ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko für sie. „Ich bin schon seit langem der Meinung, dass Penis-Besitzer mehr Verantwortung für die Geburtenkontrolle übernehmen sollten, und es erscheint mir am logischsten, das Problem im Keim zu ersticken. Auch wenn ich in einem Staat lebe, in dem Abtreibung immer noch legal ist, möchte ich meine Partnerin nicht in die Situation bringen, ihr Leben zu riskieren, vor allem nicht für etwas, das ich verhindern kann.“
„Ich bin schon seit langem der Meinung, dass Penis-Besitzer mehr Verantwortung für die Geburtenkontrolle übernehmen sollten.“
Eine der National Library of Medicine veröffentliche Umfrage, ergab, dass in den USA jedes Jahr etwa 500.000 Vasektomien durchgeführt werden, meist bei Verheirateten über 35, die bereits Kinder haben. Nur etwa sechs Prozent der Männer in den USA verlassen sich auf die Vasektomie, um eine Schwangerschaft zu verhindern. Im Vergleich dazu greifen nach Berichten der CDC etwa 18 Prozent der Frauen, die verhüten, auf eine Eileiterunterbindung zurück, ein weitaus invasiveres, riskanteres und schwierigeres Verfahren.
Obwohl es mehrere Techniken für diese Art von Verfahren gibt, wird immer ein Teil des Samenleiters durchtrennt oder behandelt. Dr. Philip Werthman, Leiter des Zentrums für männliche Reproduktionsmedizin, erklärt, dass die Spermien in den Hoden gebildet werden und dann durch ein Organ namens Nebenhoden wandern, das in den Samenleiter übergeht. Eine Vasektomie gilt als sichere, kostengünstige und dauerhafte Verhütungsmethode, die zu 99,9 Prozent eine Schwangerschaft verhindert.
Vasektomie als Verhütungsmethode: Viele Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht
„Der einfachste Ort, um an den Samenleiter heranzukommen, ist der Hodensack, weil er dort unter der Haut liegt, und die Haut des Hodensacks ist sehr elastisch“, erklärte Werthman. Diese Elastizität ist der springende Punkt bei der Technik ohne Skalpell, die er seit fast 30 Jahren durchführt und für die lediglich eine lokale Betäubung erforderlich ist. Er dehnt die Haut und macht mit einem speziellen Instrument einen winzigen Einstich, bevor er die Samenleiter herauszieht, sie durchschneidet, ein kleines Stück herausnimmt und wieder hineinsteckt. „Normalerweise verwenden wir nicht einmal eine Naht, um den Einstich zu versiegeln, weil er so winzig klein ist. Wir machen ein Pflaster darauf. Der Patient kann wieder gehen.“
Werthman weist Patienten, die eine Vasektomie in Erwägung ziehen, darauf hin, dass eine Rückgängigmachung zwar möglich ist, sie den Eingriff aber als dauerhaft betrachten sollten. „Zu diesem Zweck gibt es die Möglichkeit, Spermien in einer Samenbank einzufrieren und als Versicherung aufzubewahren. Es gibt auch die Möglichkeit, Spermien direkt aus dem Hoden zu entnehmen, was ein sehr kleiner Eingriff ist. Diese werden später bei der In-vitro-Fertilisation verwendet“, sagte er. „Wir sagen zwar, dass es dauerhaft ist und als dauerhaft betrachtet werden sollte, aber es gibt sicherlich eine Reihe von Möglichkeiten, seine Meinung zu ändern und erfolgreich zu sein.“
Der Arzt stellte die unbestätigte, aber logische Vermutung auf, dass der Grund dafür, dass reversible Vasektomien meist nicht von der Versicherung übernommen werden, sei, dass es für die Versicherungen billiger sei, eine Vasektomie zu übernehmen als die Kosten einer Geburt im Krankenhaus. Selbst wenn man die Kosten für eine Vasektomie aus eigener Tasche bezahlen muss, deckt der Geldbetrag, den man im Laufe des Lebens für Verhütungsmittel oder Kondome spart, die Kosten mehr als ab.
Nach dem Affordable Care Act müssen die meisten Versicherungen Verhütungsmethoden wie die Pille, die Spirale und die Eileiterunterbindung abdecken. Vasektomien müssen von den Versicherungen jedoch nicht übernommen werden, was sie für einige, die sich den Eingriff wünschen, unerschwinglich macht. Ein Mann erzählte BuzzFeed News US, dass er den Eingriff seit dem Tod von Justice Ruth Bader Ginsburg vornehmen lassen wollte, weil er diesen Tag vorausgesehen hätte. Seine Versicherung decke den Eingriff jedoch nicht ab und er sei zu teuer, um ihn aus eigener Tasche zu bezahlen.
Abtreibungsgesetz in den USA: Auch die Rechte von Transse*uellen und gleichgeschlechtliche Ehen sind in Gefahr
„Ich hatte heute bereits einen Termin bei meinem Hausarzt aus anderen Gründen, aber [die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs] ist der letzte Strohhalm, und ich werde es heute zur Sprache bringen“, sagte Dakota, 24, aus Colorado gegenüber BuzzFeed News US. Dakota (die aus Gründen des Datenschutzes ihren Nachnamen nicht nennen möchte) ist nicht-binär, ihr Partner ist transsexuell. „Keiner von uns beiden will Kinder, wir hatten nur noch keine Gelegenheit, etwas dagegen zu unternehmen. Verhütung war genug, aber jetzt sind wir an dem Punkt, an dem wir auf dieses Land schauen und uns fragen, was am Horizont sein könnte.“
Huffpost berichtete, dass die Rechte von Transsexuellen gefährdet seien. Die Entscheidung des Gerichts deutet darauf hin, dass es nun einen Weg gibt, die Entscheidung zur Gleichstellung der Ehe aus dem Jahr 2015 zu kippen, weshalb sie sich Sorgen um die Zukunft machen. „Ich denke, dass viele Menschen in unserem Alter damit kämpfen, irgendeine Art von Kontrolle über ihr Leben zu haben, vor allem wenn uns gesagt wird, dass die politische Option das Wählen ist. Aber dieses System hat uns mehrfach im Stich gelassen“, sagte Dakota. „Dies [die Vasektomie] zu tun, erlaubt mir, die Kontrolle zu übernehmen, was leider selten der Fall ist.“ Auch einige Promis haben ihren Unmut über das Abtreibungsurteil des Obersten Gerichtshof geäußert.
„Dies zu tun, erlaubt mir, die Kontrolle zu übernehmen, was leider selten der Fall ist.“

„Roe v. Wade“ fällt: Das gab einigen den Anstoß, sich sterilisieren zu lassen
Studien haben ergeben, dass Menschen, die sich einer Vasektomie unterzogen haben, in der Regel verheiratet, weiß, über 35 Jahre alt sind und zwei oder mehr Kinder haben. Sie haben jedoch auch gezeigt, dass Menschen, die zum Zeitpunkt ihrer Vasektomie noch keine Kinder hatten, kaum anstrebten, diese rückgängig zu machen.
„Ich hatte einfach eine Vasektomie heute Morgen um neun Uhr, eine Stunde vor der Bekanntgabe der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs. Es dauerte 20 Minuten und kostete 60 Dollar“, erzählte Sean Sullivan aus Boston. Sullivan wurde dazu motiviert, als er von der durchgesickerten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im vergangenen Monat erfuhr. „Ich bin ein verheirateter Vater von Zwillingen, und meine Frau und ich haben die Entscheidung getroffen, damit meine Frau nicht noch eine Spirale oder eine andere Form der Geburtenkontrolle braucht“, sagte Sullivan. „10 von 10 Punkten. Würde ich empfehlen.“
Mark McKinny aus New Jersey beschloss ebenfalls, einen Termin zu vereinbaren, sobald er die Nachricht hörte. „Ich bin 37 Jahre alt, verheiratet und habe zwei Kinder. Ich schiebe den Termin schon seit Jahren vor mir her, weil ich Angst vor einer Operation habe, aber das [Gerichtsurteil] hat mich endlich so weit gebracht, dass ich ihn wahrgenommen habe“, sagte er BuzzFeed News US. „Meine Frau nervt mich schon eine ganze Weile damit, einen Termin zu vereinbaren, und als ich ihr sagte, dass ich heute einen gemacht habe, meinte sie: ‚Also gut: Wann immer du etwas tun musst, werde ich mich einfach an den Obersten Gerichtshof wenden.‘“
Autorinnen sind Katie Notopoulos und Loren Cecil. Dieser Artikel erschien am 27. Juni 2022 zunächst auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Aranza Maier.