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Expertin entlarvt Eltern, die ADHS bei ihren Babys vermuten

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Von: Felicitas Breschendorf

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Schreiendes Baby
Bedeutet Schreien bei Babys, dass sie ADHS haben? (Symbolbild) © Imago/anthermedia

Mütter glauben bei ihren Kleinkindern ADHS zu erkennen, weil sie so viel meckern. Das ist nicht nur deshalb absurd, weil sie so jung sind.

Das Baby schreit, will nicht kuscheln und ist ständig zappelig. Ist mit ihm alles in Ordnung oder hat es womöglich ADHS? In Eltern-Foren finden sich einige Mütter, die sich diese Frage stellen. Wir haben mit der Psychotherapeutin Sarah Hohmann gesprochen, wie wahrscheinlich so eine Diagnose ist – und wie Eltern handeln sollten, wenn sie sich Sorgen machen. Hohmann ist Leiterin der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Eine ADHS-Diagnose macht bei Babys gar keinen Sinn

„Er wird jetzt bald zwei und ich habe immer wieder den Verdacht, dass er einfach ‚anders‘ ist“, schreibt eine Mutter unter dem Nickname lou1991 im Eltern-Forum „Urbia-Community“. Eine Diagnose mit ADHS könne man jedoch erst ab einem Alter von vier Jahren stellen, sagt Hohmann BuzzFeed News DE. In der Praxis stellten Ärzt:innen die Diagnose sogar noch später: wenn das Kind schon zur Schule geht. Denn erst im schulischen Umfeld seien die Symptome besonders auffällig – zum Beispiel, wenn sich das Kind im Vergleich zu Gleichaltrigen deutlich weniger konzentrieren könne oder motorisch unruhig sei.

Beitrag in dem Eltern-Forum „Urbia Community“.
Beitrag in dem Eltern-Forum „Urbia Community“. © Screenshot/ Urbia Community

Eltern versuchen sich ein Verhalten zu erklären, „das sie bei ihrem Kind nicht erwartet haben“

Eine andere Mutter schreibt bei „Urbia Community“ „Mein Kind ist jetzt 5 und hat viel Energie. Es fällt ihr schwer, ruhig zu sitzen beim Essen oder mal Fernsehen gucken. Es braucht gefühlt immer Action.“ Sie fragt die anderen Forumsmitglieder, wo man die Grenze zwischen lebhaften Kindern und ADHS ziehen könne. Auch wenn das Kind bereits fünf Jahre alt ist, deutet ein solches Verhalten nicht unbedingt auf ADHS hin, sagt Hohmann BuzzFeed News DE.

Wie kommen die Eltern überhaupt darauf, solche Beiträge zu schreiben? „Die Eltern in den Foren haben womöglich das Bedürfnis, eine Erklärung für ein Verhalten zu finden, das sie bei ihrem Kind nicht erwartet haben und nicht so richtig einordnen können“, sagt Hohmann.

Ob Panikmache oder begründeter Verdacht: In jedem Fall sei es der falsche Schritt, in einem Forum um Rat zu fragen. „Wenn Eltern sich Sorgen machen, sollten sie sich am besten an ein:e Kinderärzt:in wenden“, mahnt Hohmann. „In dem Fall, dass der Verdacht begründet ist, leitet diese:r sie an Fachleute weiter.“

Sogenannte „Reborns“ sehen aus wie Babys, schreien aber nicht. Manche Frauen wünschen sich auch deshalb lieber ein Reborn als ein Baby.

Psychotherapeutin: Wenn wirklich ADHS-Symptome bei Kindern da sind, ist es gut, früh einzugreifen

„Natürlich ist es problematisch, wenn Eltern schon im Kleinkindalter ADHS vermuten“, sagt Hohmann. Die Sorge der Eltern könne in bestimmten Fällen aber auch positiv sein. „Es ist hilfreich, frühzeitig einzugreifen, wenn wirklich Symptome da sind.“ Einem betroffenen Kind kann es helfen, wenn Eltern schon früh Bescheid wissen. „Eltern können ihre Alltagsstruktur und ihren Erziehungsstil an das Kind anpassen.“

Bei Frauen wird ADHS oft erst im Erwachsenenalter erkannt. Das liegt daran, dass ADHS bei Mädchen oft anders aussieht als bei Jungs. Sie sind zum Beispiel verträumter, während Jungs eher hyperaktiver sind. Es kann laut Hohmann deshalb auch positiv gewertet werden, wenn Eltern ADHS-typische Symptome bei ihren Töchtern schon früh auffallen.

Meistens herrscht in den Foren noch Verwirrung darüber, was ADHS genau bedeutet: Hohmann fordert, dass Eltern besser darüber aufgeklärt werden. In den Foren berichten manche Eltern, dass sie die Hinweise darauf, dass ihr Kind ADHS haben könnte, von Erzieher:innen oder Pädagog:innen haben. Hohmann fordert deshalb auch in diesen Bereichen mehr Aufklärung.

In die Klinik kommen Eltern oft schon mit einer selbst gebastelten Diagnose für ihr Kind

Hohmann konnte bisher nicht beobachten, dass Eltern ihre Kinder vermehrt mit ADHS diagnostizieren. Generell nehme es durch das Internet jedoch zu, dass Eltern online selbst nachforschen, was mit ihrem Kind nicht stimmen könne – das gelte für ADHS, aber auch für andere psychische Krankheiten.

„Eltern kommen vermehrt mit einer genauen Diagnose ihres Kindes zu uns, die sie online gefunden haben. Wenn diese sich dann nicht bewahrheitet, kann es manchmal schwierig werden, sie vom Gegenteil zu überzeugen.“ Dasselbe erlebe die Psychotherapeutin auch mit Selbstdiagnosen: Jugendliche kommen zum Beispiel über TikTok zu der Erkenntnis, dass sie selbst ADHS haben.

Hier erzählen Eltern ehrlich darüber, welches Verhalten ihrer Kinder sie „hassen“.

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