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Das Karlsruher Urteil zur AfD-Stiftung ist eine Ohrfeige für die Ampelkoalition

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Von: Robert Wagner

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Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender, nimmt am Landesparteitag der Partei Alternative für Deutschland (AfD) Niedersachsen teil.
Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender, nimmt am Landesparteitag der Partei Alternative für Deutschland (AfD) Niedersachsen teil. © Swen Pförtner/dpa

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Die AfD hat vor dem Bundesverfassungsgericht einen Teilerfolg errungen. Hätte die Ampelkoalition ihre Arbeit getan, wäre ihr diese Steilvorlage versagt geblieben.

Es war eine Entscheidung, die nur wenige überrascht haben dürfte. Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch (22. Februar) entschieden, dass die staatliche Förderung der parteinahen Stiftungen durch ein eigenes Gesetz umfassend geregelt werden muss. So wie bisher, nämlich im Rahmen der Haushaltsberatungen im Bundestag, gehe es nicht. Geklagt hatte die AfD, weil die ihr nahestehende Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) im Gegensatz zu allen anderen Parteistiftungen bis heute keine staatliche Finanzierung erhält.

Eins vorweg: Es kann nicht sein, dass Steuergelder an demokratiefeindliche Kräfte verschenkt werden. Von daher war es gut und richtig, dass der Bundestag im Mai 2022 den Haushalt um einen Vermerk in dieser Sache ergänzt hat. Der sieht vor, dass parteinahe Stiftungen keine öffentlichen Gelder erhalten dürfen, wenn es Zweifel an deren Verfassungstreue gibt.

Auf dieser Grundlage wurde die DES von den staatlichen Fördertöpfen ferngehalten, denn eigentlich hätte sie mit ihrer Wiederwahl in den Bundestag 2021 Anspruch auf ein Stück vom Steuergeldkuchen gehabt. Das gibt es gemäß der bisherigen, informellen Praxis nämlich dann, wenn eine Partei zum zweiten Mal in Fraktionsstärke in den Bundestag einzieht.

Ampelkoalition erhält Quittung für provisorisch anmutende Strategie

Was gut gemeint war, war leider nicht gut durchdacht. Expert:innen wie der Staatsrechtler Christoph Möllers von der HU Berlin haben das Vorgehen der Ampelkoalition kritisiert: „In dem Moment, in dem ein Verteilungskonflikt aufkommt, der gleichheitsrelevant ist, braucht es eine gesetzliche Grundlage“, sagte er der Süddeutschen Zeitung (SZ). Der Staat müsse verbindliche Kriterien zur Förderung der parteinahen Stiftungen vorlegen. Schon damals prophezeite Möllers, dass diese provisorisch anmutende Strategie „sehr schnell vor Gericht scheitern“ könne. Er sollte Recht behalten.

Dass es so weit kommen könnte, war auch vielen Innenpolitiker:innen bewusst, wie die SZ berichtet. Man schlittere „sehenden Auges“ auf einen Rechtsstreit zu. Trotzdem geschah seit Regierungsantritt der Ampelkoalition nichts in dieser Richtung. Dabei hatten sich SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, die Finanzierung der parteinahen Stiftungen rechtlich besser abzusichern. Für dieses Versagen gab es nun die Quittung.

Dieses Versagen beschert der AfD, die seit 2022 ein offizieller Verdachtsfall auf Rechtsextremismus ist, einen Erfolg vor dem höchsten deutschen Gericht. Sie sei zumindest 2019 in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt worden, weil die Kriterien der Stiftungsförderung bisher nicht in einem Gesetz geregelt sind, so das Bundesverfassungsgericht. Es ist nur ein Teilerfolg, da die Klage der AfD sich auch auf weitere Jahre bezog, und nicht einmal ein besonders großer, da noch nicht darüber entschieden wurde, ob die AfD-Stiftung tatsächlich Steuergelder erhält oder nicht.

Erwartbares Urteil war Steilvorlage für die AfD

Dennoch erhält diese Partei, die davon lebt, ihren rechtsextremen Kern mehr oder weniger geschickt zu verhüllen, eine weitere Gelegenheit, sich als ganz normale bürgerliche Partei zu inszenieren. Der stellvertretende AfD-Bundessprecher Peter Boehringer zeigte sich nach dem Urteil gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erfreut, dass es nun ein Gesetz geben werde, wonach nur Stiftungen gefördert werden, die sich voll und ganz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verschreiben – schließlich stünde die AfD und mit ihr die DES „zu hundert Prozent“ auf dieser Grundordnung.

Welch Heuchelei! Nur eines von zahlreichen Beispielen, um dies zu verdeutlichen: Nur zwei Tage vor dem heutigen Urteilsspruch rief der Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider, einer der einflussreichsten AfD-Köpfe in Sachsen-Anhalt, auf einer „Friedensdemo“ dazu auf, Krieg gegen die Bundesregierung zu führen.

Den Historiker Jens-Christian Wagner erinnert diese Rede in Inhalt und Ton „erschreckend an die 1930er Jahre“. Steuergelder haben im Umfeld solcher Figuren meiner Ansicht nach nichts zu suchen.

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