Der Affenpocken-Virus breitet sich seit einigen Wochen schon in den USA, Kanada und Europa aus, viele der ersten Fälle betrafen homosexuelle Männer. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über die Gesundheitsorganisation CDC wurden seit dem achten Juni weltweit etwa 3300 Fälle Affenpocken-Infektionen verzeichnet, darunter 521 in Deutschland (Stand 23. Juni). Hier eine weitere Leidensgeschichte eines mit Affenpocken Infizierten in Berlin. In fünfzehn verschiedenen Bundesstaaten der USA sind schon Anfang Juni Fälle aufgetreten, darunter Kalifornien, New York und Florida.
Es besteht Grund zur Besorgnis, mit COVID-19 ist das Virus jedoch nicht zu vergleichen. Expert:innen warnen vor zu großer Panik, zumal das Affenpocken-Virus weniger ansteckend ist und sich nicht so leicht verbreitet. Außerdem gibt es bereits zwei Impfstoffe gegen Affenpocken. Jynneos (auch bekannt unter den Markennamen Imvamune oder Imvanex) und ACAM2000. Beide können dazu beitragen, dass, selbst nachdem man Affenpocken ausgesetzt war oder sich bereits infiziert hat, keine Symptome auftreten.
Während etwa drei bis sechs Prozent der an Affenpocken Erkrankten an der Infektion sterben können – die übrigens für Kinder und immungeschwächten Personen gefährlicher ist – scheint der sich derzeit ausbreitende Virusstamm milder zu sein, ähnlich dem in Westafrika endemischen. Ein gefährlicherer Stamm von Affenpocken ist in Zentralafrika endemisch.
Die Fälle treten zu einem Zeitpunkt auf, zu dem in vielen Städten die Pride-Veranstaltungen stattfinden. Menschen reisen und feiern in einer Zeit, die für viele der erste Sommer seit 2019 ist, in dem sie sich endlich frei von COVID-Beschränkungen versammeln können. In öffentlichen Verkehrsmitteln und in vielen Städten fällt die Maskenpflicht weg. Da das Virus auch durch engen Kontakt verbreitet werden kann, sind Gesundheitsexpert:innen in Alarmbereitschaft und arbeiten daran, die LGBTQIA+-Communities schnell über s*xuell übertragbare Krankheiten aufzuklären.
Um das klarzustellen: Affenpocken sind eigentlich keine Geschlechtskrankheit, auch wenn einige Menschen berichten, dass ihre Genitalien kleine Wunden aufweisen oder sie sich durch s*xuellem Kontakt infiziert haben. Die Krankheit kann durch jede Art von engem oder körperlichem Kontakt übertragen werden, auch durch Kuscheln und Küssen, das Teilen von Handtüchern oder Bettlaken oder sogar durch Atemwegssekrete beim Atmen oder Sprechen während eines längeren persönlichen Kontakts. Das Tragen einer Maske kann also dazu beitragen, die Verbreitung des Virus zu verhindern.
Die Affenpocken sind keine neue Krankheit. Sie wurde erstmals 1958 bei Affen entdeckt, die zu Forschungszwecken eingesetzt wurden (daher der Name), und 1970 erstmals beim Menschen beobachtet. An Orten, an denen das Virus endemisch sind, zirkuliert es natürlicherweise in Tieren wie Nagetieren und springt gelegentlich auf die Menschen über, die mit infizierten Tieren in Kontakt gekommen sind oder von ihnen gebissen beziehungsweise gekratzt werden.
Außerhalb Afrikas oder bei Menschen, die nicht kürzlich in ein endemisches Gebiet gereist sind, sind Fälle ungewöhnlich, obwohl es 2003 einen Ausbruch im Mittleren Westen der USA gab. Damals steckten sich 70 Menschen mit dem Virus an, da sie Präriehunde als Haustiere hatten, die zusammen mit importierten Ratten und Siebenschläfern gehalten wurden.
Zu den allgemeinen Symptomen der Affenpocken gehören laut CDC Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen, geschwollene Lymphknoten, Schüttelfrost und Erschöpfung. Die Symptome treten in der Regel sieben bis 14 Tage nach dem Kontakt mit einer infizierten Person auf, können aber auch erst nach fünf bis 21 Tagen auftreten. Etwa ein bis drei Tage nach Beginn der Symptome entwickeln die Betroffenen in der Regel Hautausschläge, kleinere Wunden breiten sich aus, die schließlich verkrusten und Schorf bilden, der abfällt. Insgesamt können die Symptome bis zu vier Wochen andauern. Eine Übersicht über Symptome, Inkubationszeit etc. findest du hier.
Marco stellte fest, dass die Symptome bei ihm und seinem Partner anders waren, als das, was er auf den Websites der Gesundheitsbehörden gelesen hatte. „Sie wissen ja, wenn die Leute Symptome bekommen, gehen sie zu Dr. Google“, sagte Marco. „Und man sieht dort die typischen Anzeichen und Symptome. Aber niemand sagt, dass die Anzeichen und Symptome variieren können.“
Menschen, die mit Affenpocken infiziert sind, können einen Ausschlag haben, der sich zunächst im Gesicht ausbreitet, bevor er andere Teile des Körpers befällt, so die CDC (eine amerik. Gesundheitsorganisation). Marco stellte fest, dass weder er noch sein Partner Ausschläge hatten. „Der Ausschlag sollte sich am ganzen Körper in Pusteln verwandeln“, sagte Marco. „Das ist bei uns auch nicht passiert, außer vielleicht unter meiner Zunge.“
Marco bat uns, nur seinen Vornamen zu verwenden, um ein mögliches Stigma der Diagnose für ihn oder seinen Partner zu vermeiden. Um eine Verbreitung des Virus zu verhindern, war es ihm dennoch wichtig, seine Erfahrung zu teilen. Stigmatisierung ist Teil der LGBTQIA+-Erfahrung und diese Stigmatisierung von Homosexuellen könnte auch in Deutschland angesichts des Affenpocken-Virus drohen.
HIV/AIDS wird seit dem Aufkommen der Epidemie in den 1980er Jahren eng mit queeren Männern in Verbindung gebracht. Manche befürchten, dass Affenpocken den gleichen Weg einschlagen werden. In diesem Jahr veröffentlichte die internationale HIV/AIDS-Organisation Unaids eine Erklärung zu den stigmatisierenden Auswirkungen der Erwähnung von LGBTQIA+-Personen sowie afrikanischer Menschen in öffentlichen Mitteilungen über Affenpocken.
Unaids warnte, dass solche Assoziationen nicht nur sozialen Schaden anrichten, sondern auch zu weiteren Problemen für die öffentliche Gesundheit führen könnten. Der stellvertretende Exekutivdirektor des Programms, Dr. Matthew Kavanagh, sagte in der Mitteilung: „Stigmen schaden allen. Gemeinsame Wissenschaft und gesellschaftliche Solidarität helfen allen.“
Andere sagen, die Sorge um die Stigmatisierung sei weniger wichtig, wenn es um die öffentliche Gesundheit geht. Der Historiker Jim Downs schrieb kürzlich einen Artikel für The Atlantic mit dem Titel „Gay Men Need a Specific Warning About Monkeypox“. Darin schreibt Downs: „Wenn homosexuelle Männer intensiv vor dem Affenpocken-Risiko gewarnt werden, kann das eine Form der Aufklärung sein, nicht eine Form der Stigmatisierung.“
Peter Staley, eines der Gründungsmitglieder der HIV/AIDS-Aktivistenorganisation „Act up“, stimmt dem zu. Seiner Meinung nach werden queere Männer immer mit Stigmatisierung konfrontiert sein, sei es durch den Sprachgebrauch im Zusammenhang mit Affenpocken oder auf andere Weise.
„Die Rechten werden uns für alles Mögliche angreifen. Das haben sie immer getan und werden sie immer tun“, sagte er gegenüber BuzzFeed News US. „Wir sollten niemals zulassen, dass sie uns diktieren, wie homosexuelle Männer miteinander über Gesundheit und Risiken zu sprechen haben.“
Staley räumt jedoch ein, dass die Kommunikation über Risiken von Affenpocken auch die Möglichkeit berge, dass die breite Öffentlichkeit das Virus mit Homosexuellen in Verbindung bringe und dadurch ein Stigma schaffe. „Man muss zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen: Zum einen müssen wir homosexuelle Männer durch gezielte Botschaften aufklären. Außerdem müssen wir bereit sein, die daraus resultierende Stigmatisierung zu bekämpfen, indem wir Botschaften verbreiten, die gezielt für die breite Öffentlichkeit gedacht sind.“
Nur wenige Wochen nachdem am 19. Mai der erste Affenpocken-Fall in den USA gemeldet wurde, erreichen bereits gezielte Botschaften über Affenpocken die queeren Männer des Landes. Eine derartig flexible Kommunikation ist durch bestehende Infrastrukturen möglich, die durch Kampagnen zur Prävention von HIV/AIDS und anderen Geschlechtskrankheiten für LGBTQIA+-Personen geschaffen wurden.
Da im Juni Pride-Month ist, handelte die CDC schnell und schickte ihren Direktor für HIV/AIDS-Prävention, Dr. Demetre Daskalakis, zu Organisationen und Gesundheitsgruppen, um über Affenpocken aufzuklären. Er und sein Team haben vor, diese Woche mit mehreren Pride-Organisatoren zu sprechen. Daskalakis sagte, dass die Veranstaltungen dieses Sommers eher als Chance denn als Risiko betrachtet werden können.
„Ich glaube, dass der Pride-Month eine hervorragende Gelegenheit ist, die Menschen aufzuklären. Und wenn ich über unsere Ratschläge nachdenke, geht es wirklich darum, den Menschen Wissen zu vermitteln. Das Wissen, das sie brauchen, um sich bei Ereignissen zurechtzufinden, die den ganzen Sommer über passieren können – ob sie nun zur Pride gehen oder nicht“, sagte er gegenüber BuzzFeed News US. „Ich neige dazu, Orte nicht als risikoreiche Umgebungen zu betrachten, denn es geht wirklich darum, das eigene Risiko zu mindern und die richtigen Informationen zu haben, um das zu steuern, was man zu tun bereit ist.“
Daskalakis ist der Ansicht, dass diese Affenpocken-Welle mehr Parallelen zu einem Ausbruch von MRSA, einer antibiotikaresistenten Staphylokokken-Infektion, im Jahr 2008 aufweist als zur HIV/AIDS-Pandemie, die in den 80er-Jahren begann. Wie npr berichtete, verbreitete sich das sogenannte fleischfressende Bakterium zunächst in Gruppen homosexueller Männer, bevor es auf die allgemeine Bevölkerung übersprang. „Es ist so ähnlich, da es durch sehr engen Kontakt verbreitet wird. S*x könnte natürlich ein Grund für den engen Kontakt sein, oder andere Intimitäten“, sagte Daskalakis.
Damals wie heute gaben die Behörden ähnliche Warnungen über Gesundheitsdienstleister:innen heraus, vor allem über solche, die sich auf HIV/AIDS konzentrieren und mehr queere Klient:innen haben. Das war vor dem Aufkommen von Smartphones und ortsbezogenen Dating-Apps. Die Diskussion heute ist deutlich größer.
Grindr, eine Dating-App, hat schon mehrere Informationswarnungen über Affenpocken herausgegeben. Die App schickte jedem Nutzer in den USA, Kanada und den meisten europäischen Ländern eine von einer lokalen Gesundheitsbehörde verfasste Nachricht mit einem Link für weitere offizielle Informationen von einer Quelle in ihrem Land in den Posteingang. „Wir sind keine Gesundheitsbehörde, aber wir sind ein hervorragendes Bindeglied“, so Patrick Lenihan, Vizepräsident für Kommunikation bei Grindr. „Unsere Nutzer wollen diese Informationen, und diese Gruppen wollen sie verbreiten, um die Bevölkerung zu schützen.“
In den USA arbeitet Grindr mit einer Gruppe namens „Building Healthy Online Communities“ zusammen, deren Ziel es ist, durch die Zusammenarbeit von Fachleuten des öffentlichen Gesundheitswesens und Dating-Apps gezielte Botschaften über s*xuelle Gesundheit zu vermitteln. Die App hat sich mit der kanadischen Gesundheitsbehörde zusammengeschlossen, um Warnmeldungen an ihre Nutzer zu übermitteln.
Expert:innen des öffentlichen Gesundheitswesens (bei CDC beispielsweise) empfehlen, was zu tun ist, wenn man Affenpocken hat. Man sollte mit allen S*xualpartnern zu sprechen und intime Kontakte vermeiden, wenn du oder dein:e Partner:in in letzter Zeit krank wart oder Hautausschläge oder Läsionen aufgetreten sind. Wenn du oder dein:e Partner:in den Verdacht habt, euch mit Affenpocken infiziert zu haben, solltet ihr zu Hause bleiben, euch isolieren und ein:e Ärzt:in verständigen.
Zurück in Alberta haben sich Marco und sein Partner, die normalerweise sehr gesellig sind, zu Hause zurückgezogen und warten nun auf die Ergebnisse ihrer Labortests. Obwohl beide positiv auf Affenpocken getestet wurden, warten sie nun auf die Bestätigung eines Labors für Infektionskrankheiten in Winnipeg, die erst in ein paar Tagen eintreffen wird.
Über den weiteren Verlauf hat Marco Buzzfeed News US auf dem Laufenden gehalten. Am Tag nach der Untersuchung, bemerkte Marco zwei neue Läsionen an seinem Kinn, zusätzlich zu der Wunde unter seiner Zunge. Einen weiteren Tag später wachte er mit Fieber und einer weiteren Läsion auf, diesmal an seiner Hand. Seinem Partner geht es seither viel besser. Sein Fieber ist gesunken und er hat nur noch geringe Schmerzen von den Läsionen.
Marco sagte, er verstehe, wie sich eine Krankheit wie die Affenpocken schnell unter queeren Männern ausbreiten könne, dennoch hoffe er, dass sich alle – egal, wie sie sich identifizieren – darüber informieren, worauf sie achten müssen und wie sie sich schützen können. „Wir stehen uns von Natur aus näher und zeigen unsere Zuneigung mehr. Wir haben nicht diese toxische Mentalität, sich nicht zu umarmen oder zu küssen“, so Marco. „Aber nur weil es in der Queer-Community angefangen hat, heißt das nicht, dass es dort haltmachen wird.“
Autor ist Patrick Waechter. Der Artikel erschien 09. Juni zunächst auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Aranza Maier.