„Fossile Profitinteressen über Menschenleben“: 17-Jährige aus dem Ahrtal kämpft gegen deutsche Klimapolitik

Julias Zuhause wurde 2021 während der Flutkatastrophe zerstört. Jetzt kämpft sie am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für eine nachhaltige Klimapolitik.
„Was soll denn mal aus meinem Leben, aus meiner Zukunft werden, wenn sich jetzt nichts ändert?“, fragte Julia am 14. Juli 2021 ihre Eltern, als Wasser unter der Haustür hindurch in ihr Zuhause lief. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Fluss Ahr in Rheinland-Pfalz zu einem reißenden, tödlichen Strom entwickelt und überflutete Julias Heimatdorf im Ahrtal. Ihren Eltern sei in Erinnerung geblieben, wie ihre Tochter in dieser Extremsituation an die Klimakrise dachte. Die Familie packte sich an den Händen und brachte sich durch das hüfthohe Wasser gehend im letzten Moment in Sicherheit.
„Es gab keine Warnungen, dass wir unser Dorf im Ahrtal besser verlassen sollten“, sagt sie im Gespräch mit BuzzFeed News Deutschland. Als die ersten Keller vollliefen, half sie zunächst den Nachbar:innen beim Auspumpen. Irgendwann stieg das Wasser jedoch so schnell und sie erinnert sich, wie sie mit ihren Eltern in ihrem Zuhause stand – rundherum Wasser.
Julia aus dem Ahrtal engagierte sich schon vor der Flutkatastrophe für eine nachhaltigere Klimapolitik
Julia ist 17 Jahre alt und Klimaaktivistin. Sie engagierte sich schon vor der Flutkatastrophe bei Fridays For Future und ging zu Demonstrationen für eine nachhaltigere Klimapolitik. „Ich wollte nicht tatenlos zuschauen, wie das alles immer schlimmer wird und mir später denken ‚Hättest du mal’“, sagt die Schülerin aus dem Ahrtal.
Hier erzählt eine 17-Jährige von Klimaangst und wieso sie bei Klimastreiks auf die Straße geht.
Die Nacht und auch die kommende verbringt Julia und ihre Eltern bei Bewohner:innen des Dorfs, weil sie den Ort nicht verlassen konnten: „Die Brücke war weg“, erzählt sie. In den kommenden Tagen beginnen die Aufräumarbeiten und „das ging so die kommenden Monate weiter.“ Ob sie die Flutkatastrophe in ihrem Kampf gegen die Klimakrise bestärkt hat? „Auf jeden Fall. Es ist schwer, in Worte zu fassen, was ich damals gesehen habe. Mir war vorher schon bewusst, was Klimakrise bedeutet und was die Folgen sind, aber es selbst zu spüren, nicht nur Bilder davon zu sehen, ist etwas komplett anderes“, sagt die 17-Jährige.

17-Jährige klagt am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
Die Schülerin verklagt gemeinsam mit vier weiteren jungen Menschen zwölf europäische Regierungen, darunter Deutschland, Österreich und die Niederlande am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Es geht dabei um den sogenannten Energiecharta-Vertrag.
Dank dieses Vertrages kann beispielsweise RWE die Niederlande für den geplanten Kohleausstieg verklagen. Das Ganze findet dann vor Schiedsgerichten statt und gelangt dadurch kaum an die Öffentlichkeit, obwohl es um viel Geld geht. In diesem Fall um 1,4 Milliarden. Dadurch wird Klimaschutz also aktiv behindert. Was offensichtlich sehr schlecht ist, wenn wir uns gerade in einer immer weiter eskalierenden Klimakrise befinden. Deswegen klagen wir dagegen, damit nicht weiterhin, fossile Profitinteressen über Menschenleben gestellt werden.
Julia will, dass Deutschland und möglichst viele andere Länder aus diesem Vertrag aussteigen. Es brauche ein größeres Bewusstsein dafür, dass die fossile Industrie häufig noch extrem geschützt werde und wir uns das aber nicht mehr leisten können, so die Schülerin aus dem Ahrtal. Es sei schwer, aus den fossilen Strukturen, in denen Europa noch tief stecke, herauszukommen, aber sicher nicht unmöglich.
Klimakrise, Ukraine-Krieg und Corona-Pandemie – Schülerin will, dass Krisen gemeinsam angegangen werden
Erst vor wenigen Wochen zog Julia mit ihrer Familie zurück in ihr Haus. Es komme ihr nicht so vor, als sei schon ein Jahr seit der Katastrophe vergangen. Für die Zukunft des Ahrtals wünscht sie sich, dass sie es neu aufbauen. „Es war sehr schön, aber es gibt auch Dinge, die wir verbessern können. Es gibt zum Beispiel Orte, die jetzt auf Nahwärmenetze setzen. Es gibt nachhaltige Alternativen und das müssen wir nutzen“, sagt sie. Nahwärmenetze übertragen Wärme zum Beispiel von Erdwärmepumpen zwischen verschiedenen Gebäuden, die nah beieinander liegen.

„Die Klimakrise geht ganz oft unter, was normal ist bei Ukraine-Krieg und Pandemie. Aber das Problem ist, dass die Klimakrise immer weitergeht und immer weiter eskaliert und uns dann noch härter trifft. Es ist eine große Gefahr, wenn wir sie in Anbetracht der anderen Krisen vergessen und nicht die Krisen gemeinsam angehen.“