Essay von Jürgen Habermas ist „ohne politische Relevanz“, findet FDP-Politiker

Jürgen Habermas fordert in einem Essay eine Verhandlungslösung im Ukraine-Krieg. Die ist „schlicht nicht absehbar“, kommentiert ein FDP-Außenpolitiker.
Bei der Unterstützung der Ukraine gehen die Meinungen auseinander. So veröffentlichten beispielsweise Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht (Linke) ein „Manifest für den Frieden“, das von Kritiker:innen als „naiv“ und „unehrlich“ bezeichnet wurde.
Während sich also die einen für Waffenlieferungen starkmachen, und sich tierisch freuten, als Deutschland beschloss „Marder“-Panzer an die Ukraine zu liefern, riefen andere schon zu Beginn des Ukraine-Kriegs zur Besonnenheit auf. Einer von ihnen ist auch der Philosoph Jürgen Habermas. Er geht jetzt noch einen Schritt weiter und fordert westliche Initiativen für Friedensverhandlungen – und zwar schnell.
Jürgen Habermas ruft in Essay zu Verhandlungen im Ukraine-Krieg auf
Das sagt der mittlerweile 93-Jährige am Dienstag, 14. Februar 2023, in einem Essay bei der Süddeutschen Zeitung (SZ). Mit den Unterstützungen der Ukraine gehe eine „Mitverantwortung für den weiteren Verlauf des Krieges“ einher, schreibt Jürgen Habermas. Er ruft deswegen zu Verhandlungen auf und betont, dass ein „für beide Seiten gesichtswahrender Kompromiss“ nicht auszuschließen sei.
Wenn man einen Krieg nicht durch Sanktionen verhindern könne, sei „die gebotene Alternative – gegenüber einer Fortsetzung des Krieges mit immer mehr Opfern – die Suche nach erträglichen Kompromissen“. Im Gegensatz zu Schwarzer und Wagenknecht sieht Habermas laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) keinen Stopp von Waffenlieferungen, sondern sieht im Gegenteil gute Gründe dafür.
Er hält es jedoch für falsch, dass daneben nicht auch versucht werde, Verhandlungen in Gang zu bringen. Dabei kritisiert er auch die Medien: „Angetrieben durch den bellizistischen (kriegstreiberischen) Tenor einer geballten veröffentlichten Meinung“ scheine mittlerweile alles dem Ziel untergeordnet zu werden, der Ukraine zum Sieg zu verhelfen.

Alexander Graf Lambsdorff: Habermas Essay ist „ohne politische Relevanz“
In einem Interview mit dem Deutschlandfunk (Dlf) äußert sich der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff zu Jürgen Habermas Gastbeitrag in der SZ. Er sei „ganz froh darüber, wie er intoniert ist“. „Nämlich, dass er sehr klar sagt, dass die Ukraine völkerrechtswidrig überfallen wurde und eine einseitige Verhandlungslösung keine Option ist.“
Geärgert hätte er sich am meisten über die Passage in Habermas Artikel, in der der Philosoph davon spricht, dass sich „jede weitere Diskussion über das Ziel unseres militärischen Beistandes – und über den Weg dahin – erledigen“ sollte. Das sehe er „überhaupt nicht so“, sagt Graf Lambsdorff dem Dlf. „Wir diskutieren das sehr lebhaft.“
Die Frage der Gesichtswahrung sei in Verhandlungen immer ein Thema. Am Ende werde eine Verhandlungslösung stehen müssen, „bei der beide Seiten mit gesichtswahrenden Elementen nach Hause gehen“. Das Problem sei derzeit, dass die Ziele beider Parteien so weit auseinander sind, dass eine „Verhandlungslösung schlicht nicht absehbar ist“, sagt der FDP-Politiker. „Das macht Habermas Aufsatz zu einer intellektuellen Beschäftigung ohne politische Relevanz“.
Mehr zum Thema: Es kursierten nach den Erdbeben in der Türkei und Syrien die Fake-News, dass Spenden „für Waffen der Ukraine missbraucht“ würden.
„Man wird irgendwann zu einem Punkt kommen, an dem man mit Russland reden muss“
Die Dlf-Journalistin fragt Graf Lambsdorff, ob es denn legitim sei, wenn ein Angreifer das Gesicht wahren dürfe. Er antwortet: „Man mag es als unerfreulich betrachten und das ist es auch. Aber Russland ist das größte Land der Erde, es hat nukleare, strategische und taktische Waffen. Man wird irgendwann zu einem Punkt kommen, an dem man mit Russland reden muss.“
Das Gute sei, dass der Westen ja völlig geschlossen der Meinung sei, dass über diesen Zeitpunkt die Ukraine entscheide. „Und die Ukraine – so sagt auch Habermas, unterstützen wir aus guten Gründen mit Waffen. Das Recht und die Moral sind auf der Seite der Ukraine und deswegen muss die Unterstützung auch weitergehen.“
Mehr zum Thema: Annalena Baerbock spricht von „Krieg gegen Russland“ – es ist nicht der erste Versprecher, für den Baerbock Hass erntet.