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Dating-Apps für Menschen mit Geschlechtskrankheiten können „manipulativ“ sein

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Zeichnung: Eine Hand hält ein zerbrochenes Herz und ein Handy mit einem Kreuz auf dem Display in der Hand
Alternative Datingapps für Geschlechtskrankheiten © Shira Inbar/ für BuzzFeed News US

Die App „Positive Singles“ richtet sich an Menschen mit Genitalherpes. Nutzer:innen suchen eine einfühlsame Gemeinschaft, doch Kritiker:innen warnen davor, ausgenutzt zu werden.

Die meisten Personen in dieser Geschichte werden nur mit ihrem Vornamen genannt, um ihre Privatsphäre zu schützen.

Ende Juli erhielt Alyssa Parton, 22, einen Anruf von ihrem Arzt. Sie war sowohl auf das orale als auch auf das genitale Herpes Simplex Virus positiv getestet worden. „Ich bin an diesem Tag nicht zur Arbeit gegangen“, sagt sie. „Ich habe nur geweint.“ Parton war sich nicht sicher, was das für ihre Zukunft bedeutete. Sie geht noch aufs College und wollte die Möglichkeit haben, eine Beziehung einzugehen und sich zu verlieben. „Ich dachte, mein Sexleben sei vorbei“, erzählte sie. Übrigens: Mit diesen Klitoris-Fakten bringst du dein Sexleben auf ein ganz neues Level.

In ihrem Bett liegend, begann Parton, im Internet nach Antworten zu suchen. Ihr Arzt hatte ihr nicht viele Informationen gegeben. Auf Facebook fand sie eine Herpes-Selbsthilfegruppe, der sie beitrat. Sie sah sich einen TED-Vortrag von Ella Dawson an, die sich für Sex Positivity (eine Bewegung, die den Körper und die Seualität feiert, Anm.d.R.) und Aufklärung über sexuell übertragbare Infektionen einsetzt. Bei ihrer Suche stieß sie schließlich auf „Positive Singles“, eine Website, die sich selbst die „weltweit größte vertrauliche Herpes- und Geschlechtskrankheit-Dating- und Support-Community“ nennt.

Parton sah sich die Website genauer an. Auf dem Banner prangte ein Foto von glücklichen Paaren, die an einem See sitzen. Auf ihrem Handy lud sie die App herunter und erstellte ein Profil. Auf dem Bildschirm tauchte ein Mantra auf. „Bleib positiv“, hieß es dort. Was ist das denn für ein Spruch, dachte sie. Positiv bleiben?

Diagnose Genitalherpes ist mit vielen Vorurteilen behaftet

Genitalherpes ist laut CDC (Centers for Disease Control and Prevention) schon immer eine häufige Diagnose gewesen – weltweit haben etwa 16 Prozent der Erwachsenen Genitalherpes, und laut der American Sexual Health Association wissen viele gar nicht, dass sie infiziert sind. (Etwa die Hälfte aller Erwachsenen in den USA hat Herpes im Mund, der durch das Virus HSV-1 verursacht wird und schmerzhafte Bläschen im Mund oder Fieberbläschen verursachen kann; Genitalherpes wird entweder durch HSV-1 oder HSV-2 verursacht).

Doch obwohl das Virus so präsent ist, rückt das Stigma, das Herpes anhaftet, jegliche Fakten in den Hintergrund. Im Gegensatz zu Chlamydien, Tripper, HPV oder anderen sexuell übertragbaren Infektionen hat Herpes bei nicht schwangeren, gesunden Menschen nämlich in der Regel keine schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen, und Ausbrüche lassen sich mit Medikamenten kontrollieren. In Testzentren für Geschlechtskrankheiten wird wegen des Risikos falsch positiver oder negativer Ergebnisse nicht einmal routinemäßig auf Herpes getestet. Affenpocken sind zwar keine Geschlechtskrankheit, dennoch droht Homosexuellen die Stigmatisierung.

Da sich um Herpes nach wie vor viele Vorurteile ranken, bieten STI-spezialisierte Dating-Apps (STI= sexual transmitted infektion, Anm.d.R.) eine alternative Lösung für die mögliche Verurteilung durch Fremde. Zur Auswahl stehen gleich mehrere Websites: H Date, HSV Singles, Meet Positives (dt. Triff positiv getestete Leute), Meet People With Herpes (dt. Triff Leute mit Herpes). Positive Singles ist eine der beliebtesten Dating-Plattformen (es gibt eine Website und eine App) für Menschen mit Herpes und anderen sexuell übertragbaren Infektionen wie HIV und Chlamydien.

In den 21 Jahren seit seiner Gründung war Positive Singles viel Kritik ausgesetzt

Auch Alina, 25, lud Positive Singles herunter, kurz nachdem bei ihr 2019 Herpes diagnostiziert worden war. Sie habe die Idee toll gefunden habe, eine Gemeinschaft zu finden, die ihre Probleme nachvollziehen konnte. „Aber es fühlte sich nie ganz so an, als wäre es die seriöseste oder sicherste App, die ich je benutzt habe“, sagt Alina.

Successful Match, ein Dating-Unternehmen, zu dem Nischen-Dating-Sites wie MillionaireMatch, InterracialMatch, SeniorMatch und die konkurrierende Website Meet People With Herpes gehören, gründete Positive Singles im Jahr 2001. Laut seiner Website hat das Unternehmen mehr als 2,37 Millionen Nutzer:innen, wurde aber im Laufe der Jahre laut Berichten von Vice immer stärker unter die Lupe genommen.

Im Jahr 2014 zahlte Successful Match im Rahmen einer Sammelklage 16,5 Millionen Dollar, nachdem Nutzer:innen das Unternehmen beschuldigt hatten, private Daten aus einer zentralen Datenbank, einschließlich der Nutzer:innen-Diagnosen, an Dritte weiterzugeben. (In einer E-Mail an BuzzFeed News US sagt ein:e Sprecher:in von Positive Singles: „Die Parteien haben sich darauf geeinigt, dass es kein Eingeständnis eines Fehlverhaltens von PositiveSingles.com gibt. PositiveSingles.com hat stets versichert, dass es angemessene Maßnahmen zum Schutz der persönlichen Daten seiner Mitglieder ergreift.“)

Das Gefühl der Scham hört auf Dating-Apps wie Positive Singles nicht auf

Parton war nur einen Monat lang auf der App, bevor sie sie wieder löschte. Sie sagt, sie habe das Gefühl, dass die Prämisse einer auf Geschlechtskrankheiten ausgerichteten Dating-App eine besonders „aggressive“ Kultur hervorbringe, die mit Scham behaftet sei. „Es gibt viele Profile, in denen die Leute ihr Gesicht posten“, sagt sie. „Aber es gibt auch viele, die das nicht tun.“ Ein Mann habe ihr 25 Mal hintereinander Nachrichten geschickt, obwohl Parton nie eine dieser Nachrichten öffnete. Sie habe auch mehrere unaufgeforderte Bilder fremder Genitalien bekommen, ohne jemals mit den Absendern gesprochen zu haben.

„Ich habe sogar mit jemandem gesprochen, der sagte: ‚Ich werde mich nie mit jemandem treffen, der nicht positiv ist‘“, sagt sie. „Ich habe ein paar Leute getroffen, die so reden – niemand will mich daten. Es hat mich ehrlich gesagt ziemlich traurig gemacht, dass Leute auf dieser App das Gefühl hatten, dass sie keine normale Beziehung führen können, als ob diese durch eine Geschlechtskrankheit komplett beeinträchtigt wäre.“

Diagnose Herpes: „Es gibt immer noch ein Stigma“

Maggie Dancel, Psychologin und Sexualtherapeutin, erklärt, dass die Stigmatisierung eine große Rolle dabei spielen kann, wie sich die Diagnose einer Geschlechtskrankheit emotional äußert. Zusätzlich zu den körperlichen Symptomen fühlen sich Menschen mit einer solchen Diagnose auch psychischen überfordert. Auch bei Affenpocken ist die Stigmatisierung groß und die medizinische Versorgung denkbar schlecht.

„Die Scham, die Schuldgefühle und die Verlegenheit, mit denen man bei einer Herpes-Diagnose konfrontiert wird, sind beträchtlich“, so Dancel. „Es gibt immer noch ein Stigma, wenn es darum geht, über Sex zu sprechen, zu wenig oder zu viel Sex oder und nicht-heteronormativen Sex zu haben. Solche Stigmata können Betroffene auch davon abhalten, sich nach der Diagnose wieder auf ein aktives Sexualleben einzulassen.“

Wer auf Positive Singles Nachrichten verschicken will, muss zahlen

Christina, 30, löschte Positive Singles nach drei Monaten. Sie war seit vier Jahren Single, als bei ihr HSV-2 diagnostiziert wurde. Sie hatte Lust auf eine Beziehung, hatte aber „schreckliche Angst“ davor, sich wieder auf etwas einzulassen. „Ich habe mich auf normalen Apps nicht wohlgefühlt“, sagt sie BuzzFeed News US. „Aber mir wurde klar, dass es lächerlich ist, Menschen zu zwingen, für diese App zu bezahlen, wenn andere Plattformen kostenlos genutzt werden können und trotzdem effektiv sind.“

Mit einem kostenlosen Konto bei Positive Singles kannst du Profile „liken„ und ihnen „Winks“ (dt. Zwinker) schicken. Um jemandem eine Nachricht zu schicken, brauchst du jedoch eine Premium-Mitgliedschaft, die 35 Dollar (etwa 36 Euro) pro Monat kostet. „Das ist im Grunde die einzige Möglichkeit, die App zu nutzen“, so Parton. Mindestens eine Person muss eine Premium-Mitgliedschaft haben, um überhaupt eine Unterhaltung führen zu können – ansonsten kann man gar nicht miteinander reden.

Andere Dating-Apps wie Hinge, Bumble und Tinder haben ebenfalls Premium-Mitgliedschaften in der gleichen Preiskategorie, aber sie verlangen keine Zahlung, um zu chatten. „Ich habe im letzten Monat für Premium bezahlt, um zu sehen, ob es meine Erfahrung verbessern würde“, sagt Alina. „Das hat es nicht.“ Und spätestens nach diesen 16 Tinder-Profilen, wirst du gar keinen Bock mehr auf die App haben.

Viele kritisieren die Marketing-Strategie von Positive Singles

Tyler, 37, ist seit fast zwei Jahrzehnten auf Positive Singles unterwegs und hat einige frustrierende Muster festgestellt. „Immer wenn ich bezahle, merke ich, dass mein Profil viel weniger geklickt wird“, sagt er. „Aber sobald ich nicht mehr bezahle, gibt es all diese neuen Benachrichtigungen, die sagen, dass es neue Profile und neue Likes gibt, die an meinem Profil interessiert sind. Die kann man aber nicht sehen, weil man bezahlen muss.“ Laut einem LinkedIn Artikel sind Dating-App-Marketing-Strategien wie Nachrichten-Spaming, oder das Hinhalten von potenziellen Partner:innen, damit die Neugier auf etwas Besseres auch schön bestehen bleibt, nichts Neues.

Christina meint jedoch, dass sie es als besonders ekelhaft empfindet, sie bei frisch diagnostizierten Menschen einzusetzen, die mit Schamgefühlen zu kämpfen haben. „Es fühlt sich definitiv so an, als ob [die Plattform] die Gefühle der Isolation und Stigmatisierung der Menschen aufgrund ihrer Diagnose ausnutzt, indem sie sie zu einer bezahlten Plattform macht“, sagt sie. (Per E-Mail antwortete ein:e Sprecher:in von Positive Singles: „Wir haben dieses Problem nicht reproduziert. Nutzer:innen können sich jederzeit an unseren Support wenden, wenn sie ein Problem mit der Website haben.)

Auf die Frage nach Nutzer:innen, die frustriert waren und sich ausgenutzt fühlten, schickte die Positive Singles-Sprecherin mehrere positive Bewertungen und Presseclips und sagte BuzzFeed News US: „Ich glaube nicht, dass die Mehrheit unserer Nutzer:innen diesen Beschwerden zustimmen würde. Wir haben mehr als 3400 Nutzer:innen, die ihre erfolgreichen Dating-Geschichten freiwillig auf unserer Seite teilen möchten, und viele Nutzer:innen haben sogar ihre Hochzeitsfotos mit uns geteilt.“

Dating-App für Menschen mit Herpes-Diagnose: „Das Problem ist, dass man ein Problem hat“

Alina hatte das Gefühl, dass viele Leute auf der App einfach nur Angst haben. „Ich habe viele Anfragen von Leuten bekommen, die weder Hallo gesagt noch sich vorgestellt haben“, sagt sie. „Das waren einfach nur panische Nachrichten, die Bestätigung nach Bestätigung gesucht haben. Ich habe nicht zu ihnen gepasst und sie nicht zu mir. Wir hatten nur den HSV gemeinsam.“

Das Virus kann einen sehr schnell wie eine:n Gefangene:n fühlen lassen. Gwen, 35, ging nur zu einem Date von Positive Singles. Sie hielt ihn für einen erfolgreichen Typ, er fühlte sich allerdings unwohl mit seiner Diagnose. „Ich glaube, es war ihm peinlich oder er fühlte sich schuldig, weil er andere nicht anstecken wollte“, sagt sie. „Ich war nicht wirklich in ihn verliebt.“ „Das Problem ist, dass man dieses Problem hat“, meint Tyler. „Und man muss bezahlen, um mit Leuten zu kommunizieren, die auch dieses Problem haben. Ich denke, dass das in gewisser Weise manipulativ ist.“

Es gibt auch Erfolgsgeschichten auf STI-Dating-Apps: „Herpes ist kein Hindernis“

Gleichzeitig gibt es aber auch einige Erfolgsgeschichten auf Dating-Apps für Menschen mit Geschlechtskrankheiten. Francesca Maglione, eine 30-jährige Komikerin, erzählte BuzzFeed News US, dass Positive Singles ihr geholfen habe, sich wohler zu fühlen, wenn sie über die Diagnose spricht. „Ich habe mich so gut wie gar nicht informiert, als ich erstmals diagnostiziert wurde“, sagt sie. „Schlechter kann man mit Herpes gar nicht umgehen.“ Nachdem ein Sexualpartner schlecht darauf reagiert hatte, hatte Maglione lange Zeit Angst, jedem, mit dem sie schlief, von ihrer Diagnose zu erzählen. Also tat sie es einfach nicht.

Es war ein Freund, der Maglione ermutigte, die App herunterzuladen. Gemeinsam stöberten sie eine Weile herum und schickten Likes und Winks von ihrem kostenlosen Profil. „Ich habe mich dort angemeldet, um mich nicht verurteilt zu fühlen“, sagt sie. „Ich denke, das ist wahrscheinlich ein wichtiger Grund, warum ich nie viele Dates hatte, denn dann hätte ich ständig etwas preisgeben müssen und wäre verurteilt worden. Aber bei Positive Singles konnte ich mich einfach darauf konzentrieren, ob ich die Person mag oder nicht.“ Ebenfalls verurteilt wurden diese weiblichen Stars – wegen Nacktbildern, die teils unfreiwillig im Internet gelandet sind.

Beim Swipen bekam sie einen „Wink“ eines Bekannten, den sie aus der lokalen Comedy-Szene kannte. Obwohl es gegen ihre Regel verstieß, keine anderen Komikern zu daten, verabredeten sie sich für ein Date. Und Maglione spürte eine Verbindung. Er war die einzige Person, mit der sie sich über die App im wirklichen Leben getroffen hat; inzwischen sind sie verlobt. „Es hat mir geholfen zu erkennen, dass Herpes kein Hindernis ist“, sagt sie.

Kritik am Geschäftsmodell von Positive Singles: „Schadet mehr als es nützt“

In einer Erklärung an BuzzFeed News US schreibt ein:e Sprecher:in: „PositiveSingles.com ist nicht nur eine Dating-Seite für Betroffene von Geschlechtskrankheiten, sondern auch eine STD-Support-Plattform (STD=Sexual transmitted disease, Anm.d.R.). Wir erhalten jeden Tag so viele positive Rückmeldungen von unseren Nutzer:innen, die uns sagen, dass sie endlich einen angenehmen Ort gefunden haben und uns dafür danken, dass wir eine so großartige Plattform geschaffen haben, die ihnen hilft, Liebe zu finden.“

Dawson, die sich für Entstigmatisierung von Geschlechtskrankheiten einsetzt, hat das Konzept von Dating-Apps, die sich auf Geschlechtskrankheiten konzentrieren, offen kritisiert. „Ich denke, das gesamte Geschäftsmodell ist super unethisch“, sagte sie gegenüber BuzzFeed News US. „Wenn man einen Service anbietet, der auf Scham, Isolation und Unsicherheit basiert, um Kund:innen zu gewinnen, und wenn man davon profitiert, dass Menschen, die Geschlechtskrankheiten haben, sich vor Dates fürchten und mit ihrem Selbstwert zu kämpfen haben, dann schadet das Geschäft mehr als es nützt.“

Positive Singles wirbt Influencer:innen als Werbegesichter der Dating-App an

Positive Singles hat sich in den letzten Jahren zunehmend bemüht, prominente STI-Influencer:innen als Produktbotschafter zu gewinnen. Dawson schickte BuzzFeed News US sechs einzelne Anfragen von Vertreter:innen, die sie um eine Partnerschaft mit der Marke als Influencer:in baten. Die Anfragen, die von verschiedenen persönlichen Gmail-Adressen und nicht von einer Unternehmensdomäne aus gesendet wurden, erstreckten sich über sieben Jahre.

Die erste kam 2015 – ein Jahr nach der gerichtlich angeordneten Auszahlung von 16,5 Millionen Dollar (etwa 17 Millionen Euro). Auf die Frage, ob diese Vertreter:innen mit Positive Singles zusammengearbeitet hätten, antwortete ein:e Sprecher:in: „Wir können keine Informationen über unsere Affiliate-Partner:innen preisgeben. Wir werden nicht überprüfen, ob sie unsere Affiliate-Partner:innen sind oder nicht.“

Die Sexualtherapeutin Dancel sagt, dass eine STI-spezifische Dating-Plattform denjenigen helfen könnte, die nicht in der Lage sind, den „verdammenden und negativen Gefühlen, die mit der Diagnose verbunden sind“, zu entkommen. Im Idealfall finden sie eine einfühlsame Gemeinschaft, in der sie sich von der gesellschaftlichen Scham befreien können. „Aber es kann die Möglichkeiten für Wachstum und Akzeptanz vonseiten der Nicht-Status-Community einschränken“, sagt sie.

Kritik an Dating-Apps: „Alle Apps haben ihre eigenen Methoden, um Leute abzuzocken“

Auch wenn Tyler sagt, auf anderen Dating-Apps mehr Glück beim Leute kennenlernen gehabt zu haben, behält er sein Positiv-Singles-Profil bei, damit er mit Leuten chatten kann, die Unterstützung suchen. „Alle Apps haben ihre eigenen Methoden, um Leute abzuzocken“, sagt er BuzzFeed News US.

„Ich gebe keine Altersgrenzen [auf der App] an, nicht für Dates, sondern weil mir manchmal jemand eine Nachricht schickt und sagt: Das ist neu für mich, und das macht mir Angst. Hier steht, dass du das schon lange machst. Wärst du vielleicht bereit, über deine Erfahrungen zu sprechen? Es ist irgendwie schön, diesen Gemeinschaftsaspekt zu haben. Denn manche sind 20 Jahre alt, so wie ich damals, und haben niemanden, dem sie diese Informationen anvertrauen könnten.“

„Leute schreiben in ihren Profilen: Es ist so schön, dass wir nicht darüber reden müssen“, ergänzt Tyler. „Aber letztendlich redet man trotzdem mit der Person darüber, hört ihre Geschichte, wie sie es bekommen hat und bemitleidet sie ein wenig. Man ist im selben Club, und nicht viele Leute sind offen in diesem Club. Es ist schön, dass ein Teil dieser Last von den Schultern abfällt.“

Influencer:innen setzen sich dafür ein, Stigmata über STIs aus dem Weg zu räumen

Maglione ist auch deshalb noch auf Positive Singles aktiv, weil sie und ihr Verlobter nicht-monogam sind. „Und selbst jetzt, in meinem normalen Dating-Profil, das nicht STI-spezifisch ist, gebe ich einfach HSV 1/2+ an“, sagt sie. „Und mein Verlobter tut das auch. Und Leute schreiben mir immer noch Nachrichten. Wir sind auf Dates gegangen. Das ist sehr wichtig für mich.“ Diese Frau ist in ihrer polyamoren Beziehung sogar schwanger geworden und hat ihre Erfahrung geteilt.

In den letzten Jahren haben viele Influencer:innen inmitten einer sexpositiven Kultur eine Online-Community für Menschen mit sexuell übertragbaren Krankheiten aufgebaut, die Aufklärung und/oder Unterhaltung bietet. Tyler glaubt, dass diese Online-Plattformen entscheidend dazu beigetragen haben, das Stigma zu durchbrechen. „Ich denke, dass Menschen dank dieser Multiplikatoren schon sehr früh eine Sprache entwickeln, wie sie mit solchen sexuellen Situationen umgehen können, die sie sonst vielleicht nicht kennen würden“, sagt er.

Die offene Kommunikation auf Dating-Apps wie Positive Singles hilft Betroffenen

Die Tatsache, dass sich andere Menschen zu Wort meldeten, ermutigte die Studentin Parton, offen über ihren Status zu sprechen. Am vierten Tag nach ihrer Diagnose ging sie mit ihren Freund:innen in eine Bar und erzählte ihnen alles, was sie über Herpes erfahren hatte. „Die meinten so, Das haben wir gar nicht gewusst. Und sie alle haben die Bar mit einigen Informationen mehr verlassen.“

Ermutigt durch die Aufklärungs-Influencer:innen, denen sie folgte, begann Parton auch, öffentlich über das Leben mit dem Virus zu berichten. Sie und eine Freundin hoffen sogar, nach ihrem Abschluss im Bereich der Sexualerziehung zu arbeiten und sich dafür einzusetzen, dass Geschlechtskrankheiten in Schulen fester Bestandteil des Lehrplans werden.

„Jemand hat mal einen meiner Facebook-Posts mit den Worten kommentiert: ‚Wer postet online, dass er Herpes hat, um Aufmerksamkeit zu bekommen?‘ Aber auch Leute, die nicht so offen damit umgegangen sind, haben mir geschrieben, dass sie meine Beiträge zu schätzen wissen. Ich meine, es ist nur eine beschissene Hautkrankheit, wirklich. Mehr ist es nicht.“

Etwas ernster ist eine Corona-Infektion: Das passiert in deinem Körper, wenn du dich mehrfach mit Corona infizierst.

Daten mit Herpes-Diagnose: „Es lehrt mich, besser mit Ablehnung umzugehen“

Für Parton ist Ablehnung Teil einer Vorauswahl von Menschen, mit denen sie eine Beziehung eingehen möchte. „Es ist ein guter Filter“, sagt sie. „Es lehrt mich auch, besser mit Ablehnung umzugehen, denn wenn sie mich ablehnen und mich wegen eines beschissenen Hautzustands nicht kennenlernen wollen, dann brauche ich diese Leute gar nicht erst in meinem Leben.“

Obwohl sie eine negative Erfahrung mit der App gemacht hat, könne Parton verstehen, warum Leute Positive Singles nutzen, um Bestätigung zu finden oder sich selbst nach einer Diagnose wiederzufinden. „Wenn sie dort jemanden finden wollen, der mit ihnen reden kann und ihnen das Gefühl gibt, dass sie sich wohlfühlen, ist das großartig. Ich werde niemandem absprechen, das zu tun, was er in diesem Moment tun muss. Aber ich würde ihnen auch sagen, dass sie mit mir darüber reden können.“

Autorin ist Steffi Cao. Dieser Artikel erschien am 12. September 2022 auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Aranza Maier.

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