Mitarbeitende unter Dauerkontrolle: Überwachung muss sein, sagt Amazon und bekommt Recht

2017 wurde Amazon verboten, ständige Daten von Mitarbeitenden zu erfassen. Jetzt hat das Verwaltungsgericht Hannover das Vorgehen wieder erlaubt.
„Wir haben erkannt, dass diese Steuerung erforderlich ist“, sagt Richterin Andrea Reccius der Deutschen Presse-Agentur. In Winsen/Luhe im Landkreis Harburg wurde an einem Amazon-Standort verhandelt.
Das Ergebnis: Amazon darf permanent Daten der Mitarbeitenden erfassen. Das wurde dem Online-Riesen in Niedersachsen 2017 nach einer Klage der niedersächsischen Datenschutzbeauftragten Barbara Thiel untersagt. Im Logistikzentrum in Winsen sammelt Amazon minutengenaue Arbeitsdaten der Angestellten.
Bei einer Werksbegehung nahm das Gericht die Abfertigung von Aufträgen in Augenschein, dabei stand besonders das ständige Einscannen von Waren und damit die Erhebung der Mitarbeiterdaten im Fokus. Dadurch kann das betriebseigene „Fulfillment Center“ genau nachvollziehen, wie schnell und wie gut jede:r einzelne Mitarbeiter:in gerade arbeitet. Das System: Die Angestellten bekommen große Kisten über ein Fließband, scannen den Inhalt, packen ihn zurück und schicken die Kiste auf die Weiterreise. Dabei übermittelt der Scanner ununterbrochen, was gerade passiert. Auch die Transportbänder werden überwacht.
Dauerkontrolle: Amazon weiß immer, was gerade mit den Paketen passiert – Gericht akzeptiert logistischen Zweck
Amazon weiß immer, wo die Ware ist. Das helfe dem Betrieb, seine Arbeitskräfte sinnvoll aufzuteilen, erklärt der Betriebsleiter Jörn Asmussen. Wenn es an einer Stelle hakt, werden die Angestellten anderenorts abgezogen und zur Verstärkung geschickt. „Wir müssen das während des Tages immer wieder neu austarieren“, sagt Asmussen zu taz.de.
Das Gericht akzeptierte die Argumentation von Amazon: Der Zweck liege darin, die logistischen Abläufe zu steuern. Die persönliche Leistung der Mitarbeiter:innen könne zwar nachvollzogen werden, aber darum gehe es nicht.
„Wir hätten uns gewünscht, dass der Gesetzgeber tätig geworden wäre oder noch wird“, sagt Richterin Reccius über die schwierige Entscheidung. Es scheint nicht, als würde das Gesetz noch angepasst werden.
Datenschutzbehörde hatte keinen Lösungsvorschlag: Amazon darf Sanner permanent auswerten
Und so darf Amazon seinen Angestellten jetzt wieder ganz genau auf die Finger schauen. Die Leistungsdaten gibt es „nebenbei“. Der kritische Punkt dafür, dass die Datenschutzbehörde diesen Prozess verlor, ist wohl, dass sie keinen Lösungsvorschlag machen konnte.
Die permanente Weiterleitung der Scannerdaten, sei nicht legitim, hatte die Behörde geklagt. Nach einer Alternative gefragt, antwortete Anwalt Marcus Helfrich vor Gericht: Das sei nicht die Aufgabe der Datenschutzbehörde. Es sei auch für Amazon besser, selbst eine rechtssichere Lösung zu erarbeiten. Eine rechtssichere Lösung hat der Konzern jetzt, arbeiten musste er dafür nur vor Gericht.
„Wir freuen uns über die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover. Wir schätzen auch die großartige Arbeit unserer Teams und nutzen Technologie, um ihre Arbeitserfahrung zu verbessern und sie in ihren Aufgaben zu unterstützen sowie um uns dabei zu helfen, Bestellungen der Kund:innen zu bearbeiten“, teilt Amazon gegenüber BuzzFeed News Deutschland mit. Und betont sogar: „Warenwirtschaftssysteme sind Industriestandard und Untersuchungen zeigen, dass sich diese positiv auf die Arbeitserfahrung der Mitarbeiter:innen auswirken.“
Arbeitsrechtlich stand Amazon wiederholt in der Kritik. Das Unternehmen feuerte einst angeblich unrechtmäßig vier Mitarbeiter, weil sie eine Gewerkschaft gründen wollten. Eine Klage kassierte der Paket-Riese von einer schwangeren Frau, die weiterhin schwere Pakete schleppen musste.