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„Zweifel an Integrität“: Offizierin kassiert wegen Tinderprofil Verweis - Gericht gibt Bundeswehr recht

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Von: Jana Stäbener

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Prozess um Datingprofil der Soldatin Anastasia Biefang.
Die trans Frau Anastasia Biefang musste sich am Mittwoch vor dem Bundesvewaltungsgericht für ihre Tinder-Bio verantworten. © Sebastian Willnow/dpa

Bundeswehr-Offizierin Anastasia Biefang schrieb auf Tinder, sie sei offen für S**. Laut Gericht wecke das „Zweifel an der charakterlichen Integrität“.

Auf Twitter nennt sich Anastasia Biefang „Unicorn“, vielleicht auch deswegen, weil sie sich als erste offen transgeschlechtliche Bataillonskommandeurin der deutschen Streitkräfte genau so fühlt: wie ein seltenes Einhorn. Wie auch Caroline Farberger, einer Transgender-CEO, scheint auch Biefang ständig zu spüren, in welchen Punkten die Bundeswehr im Jahr 2022, das einer Regenbogenfamilie in Deutschland immer noch viel abverlangt, noch nicht angekommen ist. Besonders klar wurde ihr das sicher 2019, als ein Disziplinarvorgesetzter ihr einen Verweis erteilte, weil sie auf Tinder offen nach Sexualpartner:innen suchte. Jetzt entschied das Bundesverwaltungsgericht: Dieser Verweis ist rechtmäßig.

Anastasia Biefang: Formulierung auf Tinder habe Zweifel an der moralischen Integrität geweckt

Biefang schrieb auf Tinder, sie sei „spontan, lustvoll, trans*“ und führe eine „offene Beziehung“ in der sie „auf der Suche nach Sex sei.“ Dabei seien alle Geschlechter willkommen, hieß es außerdem auf ihrem Profil. Dass ihr deswegen ein Verweis erteilt wurde, akzeptierte sie 2019 nicht. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtete, zog sie vor das Truppendienstgericht, das den Verweis jedoch bestätigte. Es sah einen Verstoß gegen die Pflicht von Soldat:innen außerhalb des Dienstes „ordnungsgemäß“ aufzutreten. Die Formulierung auf Tinder habe Zweifel an der moralischen Integrität Biefangs geweckt.

Nun bestätigte der Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts am Mittwoch, 25. Mai 2022, die Entscheidung. Biefang sei der Pflicht zur Wahrung des eigenen Ansehens nicht nachgekommen, heißt es laut Informationen der dpa. In Zukunft müsse sie ihren privaten Auftritt auf Dating-Plattformen im Internet zurückhaltend gestalten und ihre Worte nicht so wählen, dass ihr Ansehen als Soldatin beschädigt werde. Vorsitzender Richter Richard Häußler sagte in der Urteilsbegründung: „Da müssen Formulierungen vermieden werden, die Zweifel an der charakterlichen Integrität wecken.“

Biefang reagierte enttäuscht über diese Gerichtsentscheidung

Laut dpa reagierte Biefang enttäuscht auf diese Gerichtsentscheidung. Sie können nicht verstehen, was an den Worten in ihrer Tinder-Bio missverständlich gewesen sein soll. „In Zukunft werde ich wohl meine Profile durch meine Vorgesetzten prüfen lassen, ob das rechtmäßig ist“, sagte Biefang, die inzwischen Referatsleiterin im Kommando Cyber- und Informationsraum ist.

Auf Twitter teilt sie ihren Missmut öffentlich: „Dann wirst Du als verwahrlostes Flittchen von deinem Arbeitgeber gebrandmarkt. Immerhin nicht mehr mit der glühenden Zange, sondern nur noch schriftlich. Aber der Stachel sitzt tief und brennt“, twittert sie über die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Entscheidungen wie diese tragen wahrscheinlich nicht dazu bei, Straftaten gegen queere Menschen in Deutschland, die um 50 Prozent gestiegen sind, zu verhindern.

Reaktionen auf Anastasia Biefangs Fall: „Wir leben nicht im Jahr 1955“

Politker:innen aus der Koalition verurteilten die Gerichtsentscheidung zu Biefangs Tinder-Profil scharf. gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagt die verteidigungs­politische Sprecherin der Grünen-Bundestags­fraktion, Sara Nanni: „Klar ist, Dienstvorschriften dürfen nicht so stark in das Privatleben eingreifen, wie das hier der Fall war.“ Sie stimmt dem:der Twitter-Nutzer:in (siehe oben) zu und merkt an, dass eher Likes für rechtsextreme Inhalte ein Problem sein sollten, nicht „die Tatsache, dass man eine offene Ehe lebt und auf einem Datingportal unterwegs ist“. Das sei eine falsche Moralvorstellung aus den 50er-Jahren, so Nanni.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP, die Vorsitzende des Verteidigungs­ausschusses ist, reagierte angeblich ungehalten auf diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts: „Wir leben nicht im Jahr 1955. Privat ist privat, und Dienst ist Dienst“, sagte sie dem RND. Auch Twitter-Nutzer:innen griffen den Vergleich mit 1950 auf. So schrieb ein:e User:in in einem Tweet am Mittwoch: „Zeitzonen sind mega spannend: In Deutschland ist der 25.05.2022, in Australien ist der 26.05.2022, in der Bundeswehr ist 1950.“

Hier schreiben wir über die Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, die 261 Euro für den Sylt-Flug ihres Sohnes im Regierungsflieger bezahlt haben soll.

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