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Antidiskriminierungsstelle kritisiert Bäckerei wegen „rassistischer Stereotype“ und erntet rechten Shitstorm

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Von: Robert Wagner

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Schlechte Qualität bei Berlinern
Berliner wie diese dekorierte Bäckermeister Ralf Herrmann zu Fasching mit rassistischen Darstellungen Schwarzer und indigener Menschen. Für ihn immer noch vollkommen unproblematisch. © Bernd Wüstneck/dpa

Die Antidiskriminierungsstelle Heilbronn erfährt gerade einen rechten Shitstorm wegen eines Briefes an eine Bäckerei. Ihr eigentliches Anliegen geht dabei unter.

Während der Faschingszeit erfreuen sich rassistische Stereotype immer noch großer Beliebtheit. Das zeigt sich nun in einem Fall aus Heilbronn. Die dortige Antidiskriminierungsstelle bat einen Bäcker, die Dekoration seiner Faschings-Berliner zu überdenken. Eine Kundin hatte die Auslage am 20. Januar gesehen und sich bei der Stelle darüber beschwert. Diese schickte daraufhin dem kritisierten Bäcker einen Brief zum Thema „Verwendung rassistischer Stereotype im Rahmen von Fasching“.

Die Dekorationsmotive, die unter anderem Schwarze und indigene Menschen in herabwürdigender Weise darstellten, würden „stereotypische Bilder“ bedienen und rassistische Vorurteile reproduzieren. „Es handelt sich um eine Reproduktion kolonialistischer Vorstellungen und einer Geschichte von Unterdrückung und kultureller Aneignung“, heißt es in dem Brief, der abfotografiert auf Facebook kursiert und echo24.de vorliegt. Diese Stereotype hätten zwar zur Faschingszeit eine lange Tradition, „haben jedoch nichts mit der realen Lebenswelt von Schwarzen und indigenen Menschen zu tun.“

Das auf den 30. Januar datierte Schreiben schließt mit der Hoffnung, die adressierte Bäckerei möge ihre Gebäck-Dekoration „diskriminierungssensibel abändern“, um „die Faschingszeit für alle Menschen zu einem unterhaltsamen und diskriminierungsfreien Erlebnis zu machen.“ Bei Fragen stünde man „gerne für ein Gespräch und Rückfragen zur Verfügung.“

Bäcker weist Kritik von sich, Antidiskriminierungsstelle Heilbronn erfährt rechten Shitstorm

Der angeschriebene Bäcker weist die Kritik an seinen Berlinern von sich und will vom Rassismus-Vorwurf nichts wissen. „Ich finde das lächerlich. Dürfen Kinder sich dann auch nicht mehr als Indianer verkleiden? Ich habe damit niemanden diskriminiert“, sagte er auf Nachfrage von echo24.de. Gegenüber dem SWR sagte er, er sei gegen Rassismus, die kritisierten Deko-Figuren seien aber nicht rassistisch. Das fragliche Gebäck wolle er weiter anbieten. Für seine Haltung würde er viel Zuspruch bekommen.

Dieser Zuspruch kommt mit einer gewissen Verzögerung und auch von rechts. Seit einigen Tagen (Stand: 15. Februar) ist die Antidiskriminierungsstelle einem rechten Shitstorm ausgesetzt. Zahlreiche beleidigende E-Mails gingen bei ihren Mitarbeiter:innen ein, die „mal mehr und mal weniger mit Hass gespickt sind“, wie der SWR die Stelle zitiert. Inzwischen kursiere sogar das Foto einer Mitarbeiterin im Internet, mitsamt Mail-Adresse. Man sei bereits in Kontakt mit der Polizei, heißt es weiter.

Flankiert wird diese Post von entsprechenden Reaktionen in den sozialen Medien. In Kommentaren auf Twitter und Facebook empört man sich darüber, warum eine von Steuergeldern finanzierte Antidiskriminierungsstelle Bäcker wegen Gebäck-Dekorationen „abmahnt“ und spricht etwa von einem „woken Irrenhaus“. Die rechtsradikale Wochenzeitung Junge Freiheit berichtet über einen Bäckermeister, der „drangsaliert“ werde, sich aber nicht „einschüchtern“ lasse. Es ist ein ähnlicher Empörungsautomatismus, wie er nach Gewalttaten wie der von Illerkirchberg einsetzt.

Antidiskriminierungsstelle Heilbronn fühlt sich missverstanden – „Wollen niemandem etwas verbieten“

Die Antidiskriminierungsstelle wehrt sich gegen den Vorwurf, man wolle jemanden „drangsalieren“ oder „zensieren“. „Es geht uns nicht darum, irgendetwas verbieten zu wollen“, zitiert der SWR die Geschäftsführerin des Kreisjugendrings Heilbronn, in deren Trägerschaft die Antidiskriminierungsstelle liegt. Ziel sei lediglich, die nicht von Rassismus betroffene Bevölkerung dafür zu sensibilisieren, warum gewisse Dinge von Rassismus betroffene Menschen verletzen können. Die überzeichnete Darstellung Schwarzer Menschen als „Wilde“ gehöre dazu.

Die Geschäftsführerin der Antidiskriminierungsstelle Heilbronn (adi.hn), Mirjam Sperrfechter, betont gegenüber echo24.de: „Wir drohen ja niemandem mit Konsequenzen, letztlich ist das Schreiben nur ein Hinweis.“ Auch die Fachstelle mobirex, eine landesweite Fachstelle des Demokratiezentrums Baden-Württemberg, erklärt auf Twitter das eigentliche Anliegen von Antidiskriminierungsstellen. Es gehe darum, Sensibilität für das Thema Rassismus zu schaffen, „auch im Karneval.“ Stattdessen machten sich nun „Menschen ohne Rassismuserfahrung (...) über das Empfinden von Rassismus lustig.“

Die Fachstelle mobirex betont: „Fasching mit mehr Sensibilität für Diskriminierung ist möglich.“ Die adi.hn macht dem SWR einen konkreten Vorschlag: „Wenn ich mich als schwarze Person im Fasching verkleiden will, dann kann ich das doch auch ohne verletzende Stereotype tun. Ich kann doch zum Beispiel als erster schwarzer US-Präsident gehen.“

Beim Thema Kolonialismus herrscht noch viel Unwissen und Ignoranz. Das zeigte kürzlich der Fall eines bekannten Journalisten, der behauptete, Deutschland habe keine nennenswerte Kolonialgeschichte.

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