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Antisemitismus auf TikTok ist „besonders perfide“

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Von: Jana Stäbener

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Kampagne #GemeinsamgegenAntisemitismus auf Tiktok
Antisemitismus auf TikTok ist meist versteckt und deshalb „besonders perfide“. © imagebroker/IMAGO/Screenshots @bsannefrank

Die Bildungsstätte Anne Frank klärt mit einer Kampagne über Antisemitismus auf TikTok auf. Der ist dort nämlich gar nicht so selten – bleibt aber oft versteckt.

Ende Oktober ist in Köln ein Mann mit Kippa ins Gesicht geschlagen worden. Wie Daniel Vymyslicky im Gespräch mit 24RHEIN sagt, vergehe kein Jahr ohne antisemitische Gewalt wie diese. Neben körperlicher Gewalt gegen Jüd:innen findet sich Antisemitismus in Deutschland auch in den Weiten des Internets. Selbst auf der beliebten Social-Media-App der Generation Z, TikTok, sind antisemitische Kommentare keine Seltenheit. Darüber will die Bildungsstätte (BS) Anne Frank nun mit der TikTok-Kampagne #GemeinsamgegenAntisemitismus aufklären.

Antisemitismus auf Tiktok: Verschwörungserzählungen, Geschichtsrevisionismus und Shoa-Leugnung

Die Kampagne, bei der auch die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ (EVZ) mitwirkte, kommt pünktlich zum 9. November, dem Jahrestag der Novemberpogrome. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zündeten Nationalsozialisten damals in ganz Deutschland Synagogen an, verwüsteten Geschäfte und misshandelten sowie töteten Jüd:innen. Der Auftakt für all die weiteren Verbrechen, die in der NS-Zeit unter dem Deckmantel des Antisemitismus begangen wurden.

Wer glaube, Antisemitismus wie damals sei heute nicht denkbar, den soll die Kampagne #GemeinsamgegenAntisemitismus ausdrücklich warnen. So wie sich der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, vor „wachsendem Antisemitismus“ sorge, mache sich die BS Anne Frank Gedanken über die „ungehemmte Verbreitung von Antisemitismus“ auf TikTok.

Laut Deborah Schnabel, Direktorin der BS Anne Frank, verbreiten sich auf TikTok antisemitische Codes – von Verschwörungserzählungen über Geschichtsrevisionismus und Shoa-Leugnung bis hin zu israelbezogenem Antisemitismus, wie er sich auf der Documenta in Kassel fand. „Besonders perfide“ sei, dass der Antisemitismus für junge Nutzer:innen nicht sofort erkennbar sei. „So versuchen rechte Akteur:innen, TikTok für ihre Propaganda zu kapern – mit der Hoffnung, dass ihnen viele junge User:innen dabei ‚ins Netz gehen‘.“

Jüd:innen auf TikTok bekommen oft antisemitische Kommentare

So wie diese TikTokerin mit rassistischen Klischees über Afrika konfrontiert wird, sind viele Jüd:innen auf TikTok direkt von Antisemitismus betroffen. In der Kampagne der BS Anne Frank berichten sie über verletzende Äußerungen und zeigen antisemitische Kommentare, die sie oder ihre TikTok-Kolleg:innen sich schon anhören mussten (siehe unten). Einen besonders widerlichen Kommentar, den sich Influencerin Rica Allam (@rica.all) einmal anhören musste, war: „Pass bitte darauf auf, dass aus dem Wasserhahn Wasser rauskommt.“

Rica Allam ist eine von sieben Influencer:innen, die bei der Kampagne #GemeinsamgegenAntisemitismus mitmachen. „Was wir in jedem Fall vermeiden wollten, ist, altbackene Bildungsarbeit 2.0 anzubieten, die nur von Nutzer:innen verstanden wird, die bereits sensibilisiert sind“, so Schnabel. Um möglichst viele anzusprechen, arbeite man nun mit bereits etablierten Influencer:innen zusammen.

„Wir haben ihnen bei der Produktion des Contents sehr viel Spielraum gelassen, um eine Ansprache von oben herab zu vermeiden“, sagt Schnabel. Stattdessen sind die Videos individuell: Vom historischen TiktTok über die „Rothschild-Verschwörung“ bis hin zu Tipps beim Umgang mit Antisemitismus und einem Erklärvideo von Rica Allam, zur Frage: „Bin ich eigentlich Antisemit, wenn ich die israelische Regierung kritisiere?“, ist alles dabei.

Bildungsstätte Anne Frank fordert von Politik mehr Wachsamkeit bei TikTok

Mit der Kampagne, die etwa einen Monat laufen soll und auf den Social-Media-Kanälen der BS begleitet wird, soll nicht nur niedrigschwellig über Antisemitismus aufgeklärt werden. Man möchte den Influencer:innen auch eine Möglichkeit bieten, sich gegen Antisemitismus zu positionieren. „TikTok ist innerhalb weniger Jahre zum Leitmedium für Jugendliche und Mitglieder der Gen Z avanciert“, so Schnabel.

Deswegen fordere die BS Anne Frank von der Politik eine größere Wachsamkeit bei Tiktok, wo sich nicht selten auch gefährliche Trends verbreiten. „Politiker:innen sollten Fälle von Antisemitismus auf TikTok scharf kritisieren, TikTok zur Rechenschaft ziehen und die App nicht als Jugendspielplatz abtun. Zugleich muss viel mehr investiert werden, um die Medienkompetenz der jungen Nutzer:innen, von Eltern und Lehrkräften zu stärken – dazu gehört auch ein kompetenter Umgang mit antisemitischer und anderer menschenfeindlicher Hassrede auf TikTok.“

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