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Arbeitslos in den Sommerferien: Eine betroffene Lehrerin berichtet – „das macht einen fertig“

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Von: Pia Seitler

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Eine Lehrerin neben einer Schultafel.
Viele Lehrer:innen werden in den Sommerferien einfach vor die Tür gesetzt. © dpa/Collage

Immer häufiger werden in den Sommerferien tausende Lehrkräfte entlassen. Eine betroffene Lehrerin spricht darüber mit BuzzFeed News.

Sommerloch – so bezeichnen viele die Zeit in Deutschland, in denen alle Bundesländer gleichzeitig Sommerferien haben. Für viele Lehrer:innen bedeutet es auch, kein Gehalt, kein Arbeitslosengeld und jede Menge Unsicherheit. Das Land Baden-Württemberg schickt Pädagog:innen nämlich pünktlich zum Beginn der Sommerferien in die Arbeitslosigkeit. Tausende Lehrkräfte, die das Landv eigentlich aufgrund des Fachkräftemangels dringend benötigt, sind in diesen sechseinhalb Wochen nicht angestellt, arbeitslos und starten erst mit Schulbeginn wieder ins Angestelltenverhältnis.

Kein anderes Bundesland entlasse so viele befristet angestellte Lehrer:innen und fertige Referendar:innen, obwohl sie im nächsten Schuljahr gebraucht werden, kritisierte Monika Stein, Landeschefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet. Sie sprach von 8.000 bis 9.000 befristet Beschäftigten. Das Haus von Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) erklärte, in der Debatte würden Fakten übersehen. Zum einen gehörten zu der Gruppe der etwa 4.200 befristet Beschäftigten auch 450 pensionierte Lehrkräfte, die in den Sommerferien normal ihre Pension erhielten, erklärte laut dpa ein Sprecher. Darüber hinaus zählten auch rund 1100 ausgebildete Lehrkräfte dazu, die man sehr gerne dauerhaft und unbefristet einstellen würde. „Hier fehlt aber teilweise die Flexibilität, Stellen anzunehmen, die außerhalb von beliebten Regionen liegen.“

Stein hatte schon vorher zu diesem Argument gesagt: „Da schummelt sich das Land auch schön aus der Verantwortung heraus.“ Die Regierung schicke doch nicht alle diese Lehrkräfte in die Arbeitslosigkeit, weil diese so unflexibel seien. Sie könne nicht verstehen, warum das Land nicht alles tue, um diese Menschen bei der Stange zu halten.

Betroffene Lehrerin berichtet: „Habe mich selbst krankenversichert“

Eine dieser Menschen, die von der Lehrer:innen-Arbeitslosigkeit in den Sommerferien betroffen sind, ist die 30-jährige Lehrerin Fabia Holland-Cunz. Mit dem letzten Schultag am 27. Juli 2022 endete auch ihr erstes Schuljahr als befristet angestellte Lehrerin nach dem Referendariat. Jetzt ist sie arbeitslos bis zum 12. September. Eine mündliche Zusage der Schulleitung, dass sie nach den Sommerferien, wieder an dem Gymnasium in Baden-Württemberg angestellt werde und unterrichten darf, habe sie, so Holland-Cunz im Gespräch mit BuzzFeed News Deutschland.

Es sind nicht die ersten Sommerferien, in denen sie arbeitslos ist und gleichzeitig kein Arbeitslosengeld bekommt: „Viele der vor allem jungen angestellten Lehrkräfte bekommen in den sechs Wochen gar nichts, weil wir die Auflagen nicht erfüllen. Nach dem Referendariat hatte ich keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I, da ich im Beamtenverhältnis war und jetzt habe keinen Anspruch, da ich keine 365 Tage in den vergangenen 30 Monaten gearbeitet habe. Ein Schuljahr hat nun mal nur 319 Arbeitstage“, sagt Holland-Cunz. Für die kommenden sechseinhalb Wochen habe sie sich deshalb selbst krankenversichert und bezahlt das aus eigener Tasche.

Verbeamtete Lehrer:innen droht die Arbeitslosigkeit in den Sommerferien nicht

Wird sie nun jede Sommerferien in die Arbeitslosigkeit geschickt? „Das passiert so lange, bis man verbeamtet ist. Ich habe die gleichen Voraussetzungen, habe denselben Werdegang wie andere Lehrkräfte – das Problem ist einfach nur, dass meine Fächer nicht gesucht sind“, sagt Holland-Cunz. Sie unterrichtet Italienisch und Englisch. Und, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Finanzminister Danyal Bayaz und Kultusministerin Schopper die 15 Millionen Euro nicht locker machen wollen, um die Lehrkräfte in den Ferien durchzubezahlen, so lautet der Vorwurf der GEW-Landeschefin Stein.

Die Summe werde derzeit immer wieder mit den Kosten für die Werbekampagne „The Länd“ verglichen, die 21 Millionen Euro betragen, so die Lehrerin. „Sicher kann man darüber streiten, ob ein Pavillon auf der Expo in Dubai für Baden-Württemberg notwendig ist. Womit ich aber viel mehr ein Problem habe, ist die Fairness. Ich mache während des Schuljahrs genau das gleiche, wie verbeamtete Lehrkräfte. Wieso bekommen sie während der Ferien Geld und wir machen für weniger Geld denselben Job und werden dann auch noch am Ende des Schuljahres entlassen. Das geht nicht.“

„Sicher kann man darüber streiten, ob ein Pavillon auf der Expo in Dubai für Baden-Württemberg notwendig ist. Womit ich aber viel mehr ein Problem habe, ist die Fairness. Ich mache während des Schuljahrs genau das gleiche, wie verbeamtete Lehrkräfte. Wieso bekommen sie während der Ferien Geld und wir machen für weniger Geld denselben Job und werden dann auch noch am Ende des Schuljahres entlassen. Das geht nicht.“

Betroffene Lehrerin aus Baden-Württemberg

Das fehlende Geld ist nicht das Schlimmste für die kurzfristig arbeitslose Lehrerin in Baden-Württemberg

Die Situation belaste sie nicht nur finanziell – ihr erstes Gehalt bekommt sie erst wieder in mindestens 8 Wochen – sondern vor allem psychisch: „Ich fühle mich nicht wertgeschätzt. Man strengt sich an und wird am Ende des Schuljahrs vom Land fallen gelassen, wie eine heiße Kartoffel und das fühlt sich einfach doof an“, so die 30-Jährige. Damit habe sie ein größeres Problem als mit dem fehlenden Geld. In ein anderes Bundesland oder ins Ausland will sie trotzdem nicht ziehen, dafür sei sie zu heimatverbunden und fühle sich zu wohl, an ihrer Schule. „Aber natürlich muss man irgendwann schauen, wo man bleibt. Das fünf Jahre lang jede Sommerferien durchzumachen ist kräftezehrend und macht einen fertig, muss ich sagen.“

Hier haben wir 26 starke Geschichten über Lehrkräfte gesammelt, die das Leben ihrer Schüler:innen verändert haben.

Auf die mündliche Zusage ihrer Schulleitung könne sie sich verlassen, aber das gehe nicht allen befristeten Lehrkräften in „The Länd“ so. Die Praxis mache natürlich den Lehrer:innenjob alles andere als attraktiv bei den Studierenden und es sei für viele bestimmt ein Grund in die Schweiz oder in ein anderes Bundesland zu gehen. „Ich verstehe das, aber würde es nicht machen, weil ich so heimatverbunden bin und die Hoffnung habe, dass es sich ändert.“

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