Auf TikTok wollen Männer so sein wie Patrick Bateman, also ziemlich toxisch

Männer, die keine Emotionen zeigen wollen und Frauen schlecht behandeln. Wir erklären, warum der TikTok-Trend „Sigma Male“ toxisch ist.
So sein wie Patrick Bateman aus „American Psycho“ – auf TikTok wünschen sich viele junge Männer nun genau das. Das Männlichkeitsbild, das sie anstreben, nennt sich „Sigma Male“: Männer, die ihre Emotionen nicht in der Öffentlichkeit zeigen und man von außen vermutlich als „kalt“ bezeichnen würde. Ähnlich wie beim TikTok-Trend „that girl“ geht es darum, „perfekt“ zu sein: Männer, die „Sigma Male“, sein wollen, trainieren mehrmals die Woche im Fitnessstudio und fokussieren sich auf ihre Karriere.
Auf TikTok finden sich viele Videos von Männern, die sich selbst bereits als „Sigma Male“ definieren und für den Lebensstil mehr oder weniger Werbung machen. Manche bewerten es als etwas Positives, Personen auszunutzen oder zu unterdrücken. Ein TikToker schreibt zum Beispiel: „Sigma Male ist dazu geboren, andere zu manipulieren und zu seinem eigenen Vorteil auszutricksen. Er mag die Menschen um ihn herum nicht, tut aber so, als wäre er eine soziale Person, um dazuzugehören.“
Woher kommt der Begriff „Sigma Male“?
Der Ursprung des TikTok-Trends „Sigma Male“ liegt laut dem amerikanischen Magazin GQ schon einige Jahre zurück. 2010 habe der Autor Theodore Robert Beale den Begriff zum ersten Mal in einem Blog erwähnt. Beale ist ein rechter, frauenfeindlicher Autor und Aktivist, der laut GQ den White Supremasits und der Alt-Right-Bewegung zuzuordnen ist. Einen ähnlichen Hintergrund hat auch der TikTok-Trend „Tradwife“, bei dem eine Frau für ihre traditionellen Werte gehyped wird.
Das problematische Frauenbild des „Sigma Male“
Für den Sigma Male ist genau festgelegt, wie er mit Frauen umgeht: „Renn Frauen nicht hinterher“, heißt es in einem TikTok-Anleitung zum Sigma Male. Um dem Persönlichkeitsbild zu entsprechen, sollen Männer alleine klarkommen und dafür Frauen abweisen. In folgendem Video passiert diese Zurückweisung auf sehr gemeine Art:
„Du bist in ihren DM‘s, ich bin in der Liste ihrer blockierten Kontakte“, steht in einem anderen TikTok-Video zu „Sigma Male“. Eine Person, die sich als „Sigma Male“ begreift, soll also stolz darauf sein, von einer Frau online geblockt zu werden – nachdem er sie wahrscheinlich belästigt hat.
Kritik an toxischer Männlichkeit bei „Sigma Male“
Manche TikToker:innen kritisieren das Frauenbild des „Sigma Male“. In einem Video sieht man etwa einen Jungen, der ein Mädchen arrogant auf dem Schulhof ablehnt, nachdem sie versucht, ihn anzuflirten. Später sitzt sie weinend auf dem Boden. Dieses Verhalten erinnert an den frauenfeindlichen Influencer Andrew Tate, der auf Instagram und Facebook gesperrt wurde. Wenn Sigma Male so etwas bedeutet, sagt der TikToker @latminit_ im Hinblick auf das weinende Mädchen, dann hat das Prinzip „seine Bedeutung verloren“.
Wir haben mit einem Männlichkeitsforscher darüber gesprochen, woher all der Frauenhass im Internet herkommt.
Ein anderes Video zeigt eine Wand voller Filme, in denen Charaktere vorkommen, die man als „Sigma Male“ bezeichnen könnte. Neben Patrick Bateman orientieren sich Sigma Males noch anderen Stars oder fiktiven Persönlichkeiten: Leonardo DiCaprio in „The Wolf of Wallstreet“, Auftragskiller John Wick (Keanu Reeves) oder der Charakter Nate Jacobs aus „Euphoria“. „Pov: du bist toxisch“, steht unter der Plakatwand.
Die TikTokerin spielt darauf an, dass „Sigma Male“ eine Form von toxischer Männlichkeit ist. Toxische Männlichkeit bedeutet, dass Männer sich Frauen überlegen fühlen und sich ihnen gegenüber toxisch verhalten. Grundlage ist, dass wir in einer Gesellschaft leben, die traditionell sexistisch ist.
Gefährliche Folgen von „Sigma Male“ für Männer
„Sigma-Inhalte versprechen Männern Erfolg und Erfüllung, wenn sie sich an bestimmte Prinzipien der Selbstbeherrschung halten“, sagt Tim Squirrell, ein Experte für Online-Extremismus und Fake News, gegenüber GQ. Treten diese Wünsche nicht ein, werden ihm zufolge „einige dieser Männer verbittert und zynisch“.
Die Gefahr ist laut Squirrell, dass die Männer sich radikalisieren, ähnlich wie bei der Bewegung der „Incels“: Der Begriff steht für „involuntary celibate men“, also unfreiwillig im Zölibat lebende Männer. Sie fühlen sich als Männer dritter Klasse und von Frauen emotional, wie sexuell zurückgewiesen – was zu starkem Hass gegen Frauen führt. In Einzelfällen geht dieser sogar so weit laut Terre des Femmes, dass Incels zu Femiziden, also Morde an Frauen aufrufen.