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„Benin Bronzen“: Kulturraub muss nicht sein – Ideen, wie man Museen entkolonisieren kann

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Von: Jana Stäbener

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Gedenkköpfe eines Königs in der Ausstellung «Benin. Geraubte Geschichte» im Museum am Rothenbaum.
Kulturobjekte wie die „Benin Bronzen“ sind in Zeiten des Kolonialismus geraubt worden – wie man damit umgeht, darüber diskutierten Forschende Ende Juni. © Daniel Reinhardt/dpa (Collage)

Geraubte Kulturschätze wie die „Benin Bronzen“ gibt es in vielen europäischen Museen. Forschende haben Ideen, wie man das kulturelle Erbe entkolonialisieren könnte.

Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (beide Grüne) unterzeichnen heute eine Vereinbarung mit Nigeria, die die „Benin Bronzen“ wieder in die Hände ihrer ursprünglichen Besitzer:innen zurückgeben wird. Die nigerianischen Kulturschätze sind nur deswegen in europäischen Museen (zum Beispiel im Linden-Museum in Stuttgart) zu bewundern, weil britische Truppen 1897 in das damalige Königreich Benin einmarschierten und Schreine sowie Paläste plünderten, berichtete die Deutsche Presse-Agentur (dpa).

Die „Benin Bronzen“ stehen dabei nur für einen Kulturschatz von unzähligen, die immer noch unrechtmäßig in den Händen europäischer und westlicher Museen sind. Doch wie geht man damit um? Bei der Tagung „Colonized Objects and Bodies“ ging es genau darum. BuzzFeed News Deutschland fasst die wichtigsten Erkenntnisse für dich zusammen.

Auch hier berichten wir über die politische Dimension von Kunst: „Vladimir Motherfu**er Putin!“: 11 eindrucksvolle Statements von Künstler:innen gegen den Krieg.

„Benin Bronzen“: Kulturelles Erbe entkolonialisieren

Organisiert wurde die Tagung, die am Wochenende vom 24. bis 25. Juni stattfand, von der Coimbra Group, genauer von Giuliana Tomasella (Universität Padua) und Julien Bobineau (Universität Würzburg). Eingeladen waren Vertreter:innen aus ganz Europa, die die Bekämpfung von Kolonialismus in Kultureinrichtung als „Gemeinschaftsprojekt“ sehen und darüber sprachen, wie das kulturelle Erbe in Wissenschaft, Gesellschaft, Politik und Institutionen entkolonisiert werden könnte. Die Geschichte der sogenannten „Benin Bronzen“ nahm die Tagung hierzu als Aufhänger.

Museen wie das „AfricaMuseum“ oder das „Museo delle Civiltà“ in Rom haben eine problematische Vergangenheit, was koloniale Kulturschätze anbelangt. Auch sie kamen bei der Tagung zu Wort und erzählten, wie sie ihre Ausstellungen „entkolonialisierten“. In Rom beispielsweise blieben geraubte Kulturschätze lange vor der Öffentlichkeit versteckt – sie kommen jetzt erst nach und nach wieder zum Vorschein. Die Offene Lagerung sei dabei in zweierlei Hinsicht faszinierend: weil sie Wissenschaftler:innen uneingeschränkten Zugang zu den Beständen gebe und eine geeignete Präsentation ermögliche.

Wie die „Benin Bronzen“, erweckt europäische Kunst auch in diesem Fall Wut und Enttäuschung: Aus Umweltschutz-Protest wirft ein verkleideter Mann eine Torte auf die Mona Lisa im Louvre.

Wie kann man Kulturschätze wie die „Benin Bronzen“ in europäischen Museen ausstellen?

Guido Fackler von der Universität Würzburg machte einige Vorschläge, wie Museen in Zukunft besser ausstellen können: Vor allem partizipative Strategien und neue konzeptionelle Ansätze in der Kuration und der Didaktik sind in seinen Augen Lösungswege, um Kultur in Europa zu entkolonialisieren. An seinem und an den vielen anderen Vorträgen wurde jedoch deutlich: Es gibt nicht eine einzige, richtige Lösung für das Problem der „ethnografischen Museen“. Forschende müssten immer weiter versuchen, Lösungen zu finden und neue Experimente wagen, die Kultur von Kolonialismus befreien.

Eine Lösung sei der direkte Dialog mit Herkunftsländern oder Kulturen der Kunstobjekte. Das kann zum Beispiel sein, indem ein:e Künstler:in aus derjenigen Kultur Kunstwerke zu einer Ausstellung beisteuert. Generell sollten „alte“ Werke ständig neu interpretiert und aufbereitet werden, so Fackler in seinem Vortrag „Koloniale Kontexte ausstellen. Überlegungen aus museologischer Sicht“. Ein vielstimmiger Ansatz sei hier optimal. Bei Betrachtung der Objekte sollte immer auch die Geschichte der Protagonisten und andere Archivdaten eine Rolle spielen.

Bei Kunstobjekten, die durch einzelne Sammler:innen in der ganzen Welt verteilt sind, biete sich auch an, die verschiedenen Teile zu verbinden und eine virtuelle Route durch die verschiedenen Museen zu erstellen. Gibt es einen spezifischen Ort, an dem kolonialisierte Ausstellungen stattfanden – zum Beispiel bei der portugiesischen Kolonialausstellung von 1934 – dann könne dieser Ort auch „reclaimt“ werden, indem Künstler:innen, Aktivist:innen und Akademiker:innen dorthin eingeladen werden, um die vergessene Ausstellung zu diskutieren und mit dem Mythos des „guten Kolonialisators“ aufzuräumen.

„Europäischer Blick“ muss geweitet werden – „Umdenken in unserer gesamten Gesellschaft“

Was in der europäischen Kulturpräsentation ebenfalls fehle, sei der Weitblick für andere Bedeutungen, Religionen und Kulturen. Europäer:innen hätten immer noch den „europäischen Blick“, dessen Entkolonialisierung schwierig werden könnte, prognostizieren Forscher:innen der Universität Padua bei der Tagung. Wichtig sei auch, so Massimo Zaccaria von der Universität Pavia, dass die Sprache in Datenbanken überarbeitet werde und, dass bei Kulturobjekten aus Afrika auch Bücher, Zeitungen und Flugblätter, die in Afrika veröffentlicht wurden, miteinbezogen werden. Die Zusammenarbeit zwischen afrikanischen und europäischen Forschungseinrichtungen könne gelingen, zeigt er in seinem Vortrag an einem Positivbeispiel aus Eritrea.

Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, ist ebenfalls optimistisch. Er sagte im ZDF-Morgenmagazin, er sehe eine veränderte Einstellung bei Rückgaben von Kolonialschätzen – so wie eben bei den Benin-Bronzen. „Ich glaube, es ist ein Umdenken in unserer gesamten Gesellschaft, von der Politik bis zu den Museen.“ Die 34 Jahre deutscher Kolonialgeschichte seien immer beiseite geschoben und zudem vom Holocaust und anderen Katastrophen des 20. Jahrhunderts überlagert worden, so Parzinger laut dpa-Informationen. Jetzt sei klar geworden, „dass man sich diesem Thema unserer Geschichte widmen muss, auch in den Schulen, in allen Bereichen des öffentlichen Lebens“, sagte Parzinger.

Mehr zu Kunst und Kultur? Hier schreiben wir über die Antisemitismusvorwürfe bei der Documenta 15 in Kassel – Hanno Loewy findet: „Jetzt müssen wir Tacheles reden!“.

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