Berlin 2030 klimaneutral? Volksentscheid als „Kipppunkt für Klimapolitik auf der ganzen Welt“

„Klimaneustart Berlin“ will eine schöne Zukunft für alle: Kann der Volksentscheid die Klimapolitik weltweit anstoßen?
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„Klimaneustart Berlin“ will eine schöne Zukunft für alle: Kann der Volksentscheid die Klimapolitik weltweit anstoßen?
  • Moritz Bletzinger
    VonMoritz Bletzinger
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Eine lebenswerte Zukunft für alle: Das wollen die Aktivist:innen von „Klimaneustart Berlin“. Ihr Erfolg in der deutschen Hauptstadt könnte ein Meilenstein sein.

Am 26. März stimmen die Berliner:innen mit einem Volksentscheid über eine Änderung des Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetzes ab. Die Politik soll sich zu mehr Klimaschutz verpflichten und die Ziele schon 2030 erreichen. Wir haben Anfang Februar, mit den Organisator:innen gesprochen. Sie hoffen auf eine Signalwirkung über die Landesgrenzen hinaus.

„Der Erfolg des Volksentscheids kann ein positiver Kipppunkt für Klimapolitik auf der ganzen Welt sein“, sagt Sprecherin Jessamine Davis. Natürlich kann Berlin das Weltklima nicht alleine retten. Aber wenn jede Stadt, jede Kommune ihren Teil beträgt, kann es klappen, betont Davis: „Was in Berlin passiert, ist in München nicht egal. Lokale Aktionen können inspirieren. Wir müssen alle an einem Strang ziehen.“

Volksentscheid Berlin 2030 Klimaneutral: Die Forderungen

Klimaneutralität in Berlin bis 2030 statt 2045.

Verpflichtungen statt Ziele: Aus unverbindlichen Zielen werden Verpflichtungen. Dadurch sollen Lücken für politisches Nicht-Handeln geschlossen sowie Sanktionsmechanismen bei Pflichtverstößen eingeführt werden.

Verminderung aller Treibhausgase, nicht nur CO2.

Sozial gerechter Ausgleich: Die Verschärfung der Klima-Verpflichtungen wird mit einem sozial gerechten Ausgleich einhergehen.

Reduktion vor Kompensation: Falls keine weiteren Reduktionen möglich sind, müssen die bis zur Klimaneutralität verbleibenden Emissionen über seriöse und nachhaltige Mechanismen kompensiert werden.

Noch mehr Details zum Volksentscheid findet ihr auf der Website von „Klimaneustart Berlin“.

Berlin als Vorbild für die ganze Welt? Organisator:innen hoffen auf „Start für eine bessere Zukunft“

Die Berliner Aktivist:innen hoffen auf die Strahlkraft der deutschen Hauptstadt. Sie soll zum Vorbild für aktive Klimapolitik werden. „Der Entscheid in Berlin kann der Start für eine bessere Zukunft sein“, sagt Davis. „Er kann große Folgen haben, über Berlin hinaus.“

Politisch stand der „Klimaneustart Berlin“ lang auf verlorenem Posten. Bis sich die Berliner Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) als erste Politikerin zum Volksentscheid bekannte und öffentlich versprach: „Ich werde für ‚Ja‘ stimmen.“

Ein Durchbruch für die Aktivist:innen. „Bei Social Media bekommen wir viel Unterstützung. Und das zieht sich durch die ganze Partei, was uns extrem freut. Wir haben den Politiker:innen mit unserer Arbeit Mut gemacht.“

Druck auf die Politik: „Klimaneustart Berlin“ betont Rolle der Zivilgesellschaft

Mut? An anderer Stelle sprach die Initiative zuvor von Druck auf die Politik. Was ist nun die Herangehensweise? „Wir wollen den Austausch zwischen Politik, Wissenschaft und Bürger:innen ermöglichen. Das Kernelement unserer Arbeit ist, der Politik zu zeigen, wie die Stimmung ist“, erklärt Davis, „das kann auch als Druck verstanden werden.“

Ohne ihn geht es nicht: „In einer Demokratie braucht es diesen Druck aus der Zivilgesellschaft“, sagt Davis: „Und wir haben nicht vor, nachzulassen.“

Gesetzesänderung soll Klagen gegen Regierung ermöglichen

Druck soll im neuen Gesetz vor allem eine Änderung machen: Aus Klimazielen werden Verpflichtungen. Aber was bringt es, das Wording zu ändern? „Wir wollen, dass es verbindlich ist“, betont Davis. Die Änderung ermöglicht Klagen, sollten die Verpflichtungen verfehlt werden. „Seit dem Pariser Klimaabkommen sagen alle Regierungen, dass sie hinter dem 1,5-Grad-Ziel stehen. Aber wir wissen, dass das leere Versprechungen sind. Wir wollen Stopp sagen: Nicht mit uns“, ergänzt sie: „Dass wir ‚Ziele’ durch ‚Verpflichtungen’ ersetzen im Gesetz, erhöht den Druck auf die Regierung. Ob Klagen vor Gericht dann Bestand haben, müssen die Gerichte entscheiden. Die Chance ist dann aber geringer, dass wieder leere Versprechungen gemacht werden.“

Klima-Entscheide in deutschen Städten: Berliner Aktivist:innen freuen sich über starke Zivilgesellschaft

Über die Monate habe die Initiative mit Hunderttausenden Berliner:innen gesprochen. Und meist großen Zuspruch bekommen. „Auf der Straße haben sich viele für unser Engagement bedankt“, berichtet Davis. Sie habe eine „starke Zivilgesellschaft“ erlebt: „Das waren sehr nette Begegnungen, die uns Mut gemacht haben.“ Mut macht auch, dass bereits über 90 deutsche Städte und Kommunen einen Klimaentscheid angestoßen haben. Und alle, die zur Abstimmung gekommen sind, waren tatsächlich auch erfolgreich.

„Das ist das beste Feedback“, freut sich Davis: „Es zeigt, dass die Bürger:innen nicht nur bereit sind, sondern Klimapolitik auch selbst antreiben.“

Kritik am Klima-Entscheid: „Träumer:innen hören wir, ab und an, viel schlimmer wird es nicht“

„Negative Kommentare bekommen wir nicht viele ab“, sagt Davis. Kritische Stimmen gibt es, Streit bleibe aber aus: „Träumer:innen hören wir ab und an, viel schlimmer wird es nicht“, erklärt Davis, „im Großen und Ganzen ist es immer konstruktiv.“ Klimaaktivist:innen der „Letzten Generation“ haben da leider andere Erfahrungen gemacht.

Eine Sorge kann Davis den Kritiker:innen nehmen: „Die größte Angst ist, dass man den Leuten das Auto wegnimmt. Aber das wollen wir nicht. Wir wollen, dass die Stadt sozial- und klimagerecht umgebaut wird, damit weniger Menschen auf ihr Auto angewiesen sind.“

„Unsere Zukunft kann so schön sein: Fair, gerecht und lebenswert. Es wird eine Menge Spaß machen, dahin zu kommen.“

„Klimaneustart Berlin“-Sprecherin Jessamine Davis über den Kampf für mehr Klimaschutz

Davis hofft auf rege Beteiligung bei der Abstimmung, auf Erfolg und dann darauf, dass sich Städte auf der ganzen Welt ein Beispiel nehmen. Sie appelliert: „Unsere Zukunft kann so schön sein: Fair, gerecht und lebenswert. Es wird eine Menge Spaß machen, dahin zu kommen, wenn wir zusammen arbeiten.“

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