1. BuzzFeed
  2. News

Konfetti am Grab: Diese Bestatterinnen feiern das Leben – nicht den Tod

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Jana Stäbener

Kommentare

Diana Kampschulte und Marie Thiermann von Lebenslicht wollen Bestattungen individuell machen – da darf es auch mal Konfetti regnen.
Bei Beerdigungen konzentrieren wir uns in Deutschland zu oft auf den Tod, als das Leben, finden Diana Kampschulte und Marie Thiermann von Lebenslicht. © lebenslicht (Collage)

Bestattungen mit Konfetti und Trauerfeiern im Reitstall – bei Lebenslicht keine Seltenheit. Wir von BuzzFeed News haben die Gründerinnen zum Interview getroffen.

Hört man das Wort Bestattung, so denkt man meistens an schwarze Leichenwägen, Menschen in formellen, dunklen Anzügen, hallende Orgelmusik, leise Gespräche und weißhaarige Bestatter. Dass das jedoch nicht so sein muss, zeigen Diana Kampschulte und Marie Thiermann vom Bestattungsunternehmen Lebenslicht aus Düsseldorf. Die beiden denken Bestattungen neu – und zwar in bunt und individuell. Im Interview mit BuzzFeed News Deutschland verraten sie, warum es ihnen so wichtig ist, viel mehr das Leben als den Tod zu feiern und warum wir weniger Distanz im Umgang mit Tod und Trauer brauchen.

Diana Kampschulte (links) und Marie Thiermann (rechts) von Lebenslicht Bestattungen.
Diana Kampschulte (links) und Marie Thiermann (rechts) von Lebenslicht Bestattungen. © lebenslicht

Bestattungen: Schluss mit „schablonenartig“ – da muss mehr Leben rein!

Marie Thiermann und Diana Kampschulte demonstrieren, dass Design und Bestattung wunderbar zusammenpassen. Die beiden lernten sich 2019 kennen, als Thiermann beschloss, dass sie unbedingt ein Praktikum bei einem Bestattungsunternehmen machen möchte. Die Kommunikationsdesignerin packte damals der Wunsch, die Bestattungsbranche „schöner“ zu machen – teilweise auch, weil sie sich selbst schon intensiv mit dem Tod auseinandersetzen musste. „Ich habe vor zehn Jahren meine Mutter verloren und mich dadurch viel mit Tod und Trauerarbeit beschäftigt. Damals hatte ich das Gefühl, dass Beerdigungen sehr ‚schablonenartig‘ ablaufen“, erzählte sie im Interview mit BuzzFeed News Deutschland. Seitdem habe sie sich gedacht – da müsse mehr Leben rein.

Über eine Bekannte landete sie mit dieser Idee dann bei Kampschulte, die seit 15 Jahren als Bestatterin arbeitet. Die war erst skeptisch: „Praktika in der Bestattungsbranche sind ja eigentlich immer etwas schwierig – es ist eine sehr sensible Arbeit. Aber Marie, die war hartnäckig“, erzählt sie uns im Interview. Während des Praktikums hätten beide dann gemerkt, wie super es menschlich und arbeitstechnisch zwischen den beiden passt. Sie konnten sich nicht mehr vorstellen, einfach wieder getrennte Wege zu gehen, und beschlossen 2021 ein neues Bestattungsunternehmen zu gründen: Lebenslicht.

Tod begleitet uns im Alltag ständig und sollte kein Tabuthema sein. Hier schreiben wir über Tode von Serien- und Filmfiguren, über die Leute nicht hinwegkommen.

Lebenslicht: „Von diesem Leuchten bleibt super viel, wenn uns Menschen verlassen müssen“

„Wie kam eigentlich der Name zustande?“, fragen wir die beiden. „Wir wollten etwas Positives im Namen stehen haben“, sagt Kampschulte. Die 35-Jährige ist gelernte Bestatterin und hat noch ein weiteres, wie sie es bezeichnet „traditionelleres“ Bestattungsunternehmen, das sie von der Vorbesitzerin übernommen hat. Thiermann ergänzt: „Symbolisch ist es das, was erlischt, wenn jemand stirbt. Aber unsere Idee ist auch, dass von diesem Licht, von diesem Leuchten super viel bleibt, wenn uns Menschen verlassen müssen.“ Genau darum geht es den beiden in ihrem modernen Bestattungsunternehmen: der gestorbenen Person und ihrem individuellen Leuchten besonders viel Raum zu geben.

Trauerfeier im Reitstall und Urne, die selbst bemalt werden kann.
Eine Trauerfeier im Reitstall oder eine selbstbemalte Urne? Bei Lebenslicht ganz normal. © lebenslicht

„Wir wollen Mut machen, dass es kein richtig und kein falsch gibt, was Trauer anbelangt. Alles geht und nichts muss. Beerdigungen können nicht nur in einer Friedhofskapelle stattfinden, sondern auch in einer Kneipe oder zu Hause“, erklärt Kampschulte die Idee von Lebenslicht. Dabei gehe es vor allem um den Verstorbenen, seine Interessen, seine Persönlichkeit – um all das, was sein oder ihr Leben ausmachte. „Unsere Vision ist es, gleichzeitig das Leben zu feiern, und den Tod aus dem Tabu zu holen“, sagt Thiermann. Die 32-Jährige arbeitete erst zwei Jahre in einem traditionellen Bestattungsunternehmen – um Erfahrung zu sammeln – bis die beiden im Januar 2022 mit Lebenslicht an den Start gingen.

„Wir lernen eine Person kennen und arbeiten dann einen roten Faden heraus, wie die Beerdigung aussehen könnte“, erzählt sie BuzzFeed News Deutschland. „Wir hatten auch einmal einen Bergsteiger – da war die Abschiedsfeier dann in einer Höhle und man hat mit Skiwasser angestoßen.“ Auch eine Trauerfeier in einem Reitstall machen die beiden möglich. Außerdem gebe es die Möglichkeit, Särge und Urnen ganz individuell zu bemalen. Eine Beerdigung, die den Gründerinnen von Lebenslicht besonders im Gedächtnis geblieben ist: „Wir hatten einmal eine klassische Beerdigung von einer Karnevalistin, das war am Dienstag nach Rosenmontag und haben da einfach Konfetti mit zum Grab genommen – das war das perfekte i-Tüpfelchen.“

Bestattungen und Trauer enttabuisieren – „da steckt viel Heilung und Energie drin“

Besonders wichtig ist den beiden, dass Tod und Trauer kein Tabuthema mehr sein müssen. Sie finden daher auch neue Formate, wie beispielsweise den Instagram-Channel @21gramm.wdr (siehe unten), der Trauer enttabuisiert, gut. „Trauern und allgemein der Umgang mit dem Tod ist heute ein wenig verloren gegangen“, sagt Kampschulte. Das liege vor allem daran, dass Familien sich so verteilt haben. „Früher starben alte Menschen zu Hause, mittlerweile versterben sie im Altenheim und der ganze Prozess wird eher versteckt.“

Trauer sollte wieder mehr in die Mitte der Gesellschaft gerückt werden, da sind sich die gelernte Designerin und Bestatterin einig. Lebenslicht setze hier an. Deswegen bieten sie auch an, den Sarg gemeinsam zu bemalen oder an ungewöhnlichen Orten für die Trauerfeier zusammenzukommen. „Sobald die Trauer da ist, gemeinsam daran zu arbeiten – da steckt viel Heilung und Energie drin. Gerade, dass man den Menschen nochmal wertschätzen kann, indem man zum Beispiel mit dem anstößt, was er gerne getrunken hat – das macht Mut“, findet Thiermann.

Traurig sein ist voll ok – das ist die Botschaft von Lebenslicht. Hier sind 26 unerwartet traurige Momente in Filmen, die wir nicht kommen sehen haben.

Lebenslicht will bei Bestattungen in Zukunft „weniger Distanz“ und mehr „Mut zum Individuellen“

Doch die beiden seien da auch optimistisch. „Wenn die Beerdigung an einem ungewöhnlichen Ort stattfindet, kommen viele Leute sehr skeptisch und sind ganz unsicher. Am Ende dann sind sie aber immer total befreit“, erzählt Kampschulte. Die 35-jährige Bestatterin glaubt schon jetzt, einen gesellschaftlichen Wandel zu sehen. „Vor zehn Jahren gab es sehr viele anonyme Beisetzungen – mittlerweile sind sie zur Seltenheit geworden.“

Vielleicht würden die Leute schon beginnen, Bestattungen neu zu denken und sich auch mehr für das Tabuthema Tod zu interessieren. „Wir haben schon aus Spaß gesagt, wir müssten eigentlich mal in einem Café ein Schild aufstellen mit ‚Frag eine Bestatterin‘ darauf. Da würden sicher viele kommen und uns ausfragen“, lacht sie.

Als wir von BuzzFeed News die Gründerinnen von Lebenslicht fragen, wie sie sich für die Zukunft wünschen, dass die Gesellschaft mit Tod und Trauer umgehen soll, antwortet Kampschulte: „Weniger Distanz, denn die schafft noch mehr Trauer.“ Es helfe sehr, wenn man mitgestalte, wenn man gemeinsam etwas schaffe, das wohltue. „Dass wir mehr das Leben feiern und Mut zum Individuellen haben“, ergänzt Thiermann.

Marie und Diana von Lebenslicht Bestattungen im Gepräch mit einem Kunden.
Marie Thiermann (links) und Diana Kampschulte (rechts) ist es wichtig, dass Beerdigungen so individuell ablaufen, wie möglich. © lebenslicht

Mehr zum Thema Trauer und Tod? Diese emotionalen Fotos zeigen die letzten Augenblicke zwischen Menschen und ihren Haustieren.

Auch interessant

Kommentare