Doch es ging im Bundestag auch schon deutlich emotionaler zu. Wir haben für euch einige Beispiele gesammelt, die veranschaulichen, dass Bundestagsabgeordnete auch nur Menschen sind wie du und ich und ihren Abneigungen, aber auch Sympathien manchmal freien Lauf lassen. Über ihre Launen lustig macht sich auch ab und zu die Heute-Show. Hier 15 Politiker:innen, die von ihr so richtig verarscht wurden.
Besonders ruppig ging es in der Frühzeit der Bundesrepublik zu. Legendär sind die Auftritte des SPD-Abgeordneten Herbert Wehner. Sogar gegenüber Mitgliedern der eigenen Fraktion war er nicht zimperlich. Einem Fraktionskollegen rief er in den 1960er Jahren einmal grantig zu: „Sie können sich ja in Genosse Arschloch umbenennen!“ Der Grund: Der Sozialdemokrat Franz Josef Zebisch beschwerte sich über seinen Sitzplatz weit hinten in der Fraktion, da diese damals alphabetisch geordnet waren, wie die Welt erklärt.
Ein würdiger Nachfolger Wehners war Joschka Fischer, der in seiner Frühzeit als Parlamentarier ebenfalls kräftig austeilte. Als er 1984 nach Tumulten und lauten Zwischenrufen vom damaligen Bundestagsvizepräsidenten aus dem Plenarsaal geschmissen wurde, quittierte er das beim Hinausgehen mit einem launischen „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch“, wie die Süddeutsche Zeitung dokumentiert. Er entschuldigte sich am nächsten Tag für diesen Satz, mit dem er in die Annalen des Bundestages eingegangen ist.
In den Jahrzehnten nach der Wiedervereinigung, in der „neuen“ Bundesrepublik, ging es allgemein weniger grantig zu. Lustige Highlights gab es dennoch weiterhin. So zum Beispiel der berühmte Auftritt des FDP-Abgeordneten Detlef Kleinert 1994. Er hielt zur allgemeinen Belustigung betrunken eine Rede vor dem deutschen Parlament. Was weniger bekannt ist: Dasselbe hatte er schon einmal 1981 getan, worüber das FUNK-Format Die Da Oben berichtet (siehe unten).
Ähnlich lustig ist eine Episode, für die der ehemalige Bundestagsabgeordnete Jan van Aken (Die Linke) im Mai 2012 gesorgt hat. In einer Rede griff er Martin Lindner von der FDP frontal an. Der sei ein „Macho“ und „krault sich die Eier, jedes Mal, wenn hier eine Fau redet“. Unmittelbar darauf entschuldigte er sich bei der Bundestagspräsidentin Karin Göring-Eckardt (Grüne). Ein Video davon gibt es bei Spiegel Online. Einen Monat später griff die ehemalige SPD-Abgeordnete Barbara Hendricks van Akens Spruch auf und nannte Martin Lindner während einer hitzigen Debatte den „berühmtesten Eierkrauler dieses Parlaments.“
Weniger aggressiv ging es in derselben Legislaturperiode zwischen Gregor Gysi (Die Linke) und dem damaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) zu. Die beiden waren bekannt für ihre von gegenseitiger Sympathie getragenen Neckereien. Im Januar 2013, als Lammert den Abgeordneten Gysi mit einem verschmitzten Lächeln mal wieder an die verstreichende Redezeit erinnerte, erwiderte dieser: „Herr Bundestagspräsident, wissen Sie was? Ich werd‘ mir jetzt mal notieren, wann Sie Geburtstag haben und dann werde ich Ihnen eine neue Uhr schenken.“ Gerüchten zufolge soll er das dann auch tatsächlich getan haben.
Mit dem Einzug der AfD 2017 und dem Ausbruch der Coronapandemie 2020 hielt ein neues Klima Einzug in den Bundestag. Der Ton wurde wieder ruppiger. Die Bundestagsvizepräsident:innen Claudia Roth (Grüne) und Wolfgang Kubicki (FDP) beklagten Ende 2018 eine „Entgrenzung der Sprache“, wie T-Online sie zitiert. Hinter den Kulissen herrsche gar Angst, da man es mit einer Partei „mit heftigen Verstrickungen ins rechtsextreme Spektrum“ zu tun habe, sagte Roth.
Für die Öffentlichkeit sichtbarer wurde eine neue Gereiztheit, die die Coronapandemie beziehungsweise die Haltung der AfD-Abgeordneten zu den entsprechenden Schutzmaßnahmen mit sich brachte. Darüber berichtete Anfang 2021 die Augsburger Allgemeine. Besonders gereizt auf die Maskenverweiger:innen der AfD reagierte im Oktober 2020 Wolfgang Kubicki (FDP), seit 2017 Bundestagsvizepräsident. Er musste die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch zum Tragen der Maske ermahnen und war sichtlich entnervt: „Ich bin hier kurz vor dem Wahnsinn, wenn ich Ihnen das sagen darf“, entfuhr es ihm.
Nicht mehr nur gereizt, sondern sichtlich wütend wurde Kubickis Kollegin als Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne), als sie es im November 2020 mit einem besonders dreisten Maskenverweigerer der AfD zu tun hatte. Der Abgeordnete Thomas Seitz provozierte sie mit einer nutzlosen Stoffmaske, in die Löcher eingewebt waren. Als er nach einer Rede an seinen Platz zurückgehen wollte, wies Roth ihn energisch zurecht: „Da Sie keine Maske haben, sondern nur ein löchriges Tuch, fordere ich Sie auf, diese Maske jetzt zu tragen.“
Die ihm angebotene FFP2-Maske lehnte Seitz ab, weil sie durch Roth bereits „kontaminiert“ gewesen sei. Roth gab ihm daraufhin eine neue Maske in einer ungeöffneten Verpackung und kommentierte dies entnervt: „Ein Theater, was hier abgeht, ist nicht zu fassen.“ Mit strengem Blick sah sie Seitz dabei zu, wie er die Maske anlegte. „Und mit dem Maulkorb darf ich jetzt das Pult verlassen?“, provozierte er die Hausherrin erneut. Einen Monat später wurde Seitz übrigens mit einer Coronainfektion ins Krankenhaus eingeliefert und wäre beinahe an der Krankheit gestorben, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete.
Die AfD musste von mehreren Politiker:innen schon Vorwürfe anhören. So auch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der sie als „Partei Russlands“ bezeichnete. Hier 12 Beispiele, warum Scholz mit der Aussage „Partei Russlands“ wohl richtig liegt.
Die teils aggressive Stimmung, die seit Corona im Bundestag herrscht, trifft manche mehr als andere. Der amtierende Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gehört seit Beginn der Pandemie zu den größten Feindbildern „maßnahmenkritischer“ Kräfte wie der AfD. Er ist immer wieder Hass und Hetze ausgesetzt und hat jüngst sogar eine Kollegin angezeigt, wie Spiegel Online berichtet. Die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch hatte ihm in einer Sitzung ein „Sie sind völlig irre!“ entgegengeschleudert und dabei eine kreisrunde Bewegung mit dem Finger an ihrer Stirn gemacht, was Lauterbach als „einen Vogel zeigen“ interpretierte.
Storch selbst wiederum reagierte mit einer Gegenanzeige wegen „falscher Verdächtigung“ nach Paragraf 164 des Strafgesetzbuches und sieht sich damit „wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat“ verdächtigt. Sie wirft Lauterbach vor, „jeden Bezug zur Realität verloren“ zu haben und besessen zu sein, wie der Tagesspiegel berichtet. Im Vergleich zu früher liegen die Nerven bei manchen mittlerweile offenbar blank.
Die Nerven verlieren übrigens gerade auch einige AfD-Politiker, denn die AfD lieferte mit ihren Penis ... äh „Parteilogo“-Gummibärchen den Fail des Jahres.