Berufsasthma tritt laut der AAAAI (American Academy of Asthma & Immunology) auf, wenn Menschen am Arbeitsplatz Dämpfe, Gase, Staub oder andere schädliche Stoffe einatmen, die eine Entzündung der Atemwege verursachen. Zu den Symptomen können Husten, Keuchen, Kurzatmigkeit und Engegefühl in der Brust gehören, was in schweren Fällen zum Tod führen kann. Zu den häufigen berufsbedingten Reizstoffen gehören Ammoniak, Schwefeldioxid, Latex, Schimmel, Salzsäure, tierische Proteine und Mehl (was zu dem sogenannten Bäckerasthma führen kann).
In vielen Fällen leiden Menschen, die berufsbedingtes Asthma haben, laut der aafa (Asthma and Allergy Foundation of America) auch an Allergien, die ihre Atemwegssymptome auslösen können. Man spricht in diesem Fall von allergischem Asthma, das etwa 60 Prozent der Erkrankten betrifft.
Nach Angaben der AAAAI ist berufsbedingtes Asthma die häufigste berufsbedingte Lungenerkrankung in den Industrieländern und macht schätzungsweise bis zu 15 Prozent aller Asthmafälle in den USA aus. Menschen, die im Gesundheitswesen, im Baugewerbe, in der Landwirtschaft, in der Forstwirtschaft und in der verarbeitenden Industrie arbeiten, kennen die Risiken nur zu gut – Untersuchungen zeigen, dass die meisten Fälle in diesen Bereichen auftreten.
Forscher:innen erklärten jedoch gegenüber BuzzFeed News US, dass der Zusammenhang zwischen Atemwegserkrankungen und Cannabisexposition am Arbeitsplatz kompliziert sei. Viele andere Faktoren, wie andere Reizstoffe (Schimmel und Pestizide) und der persönliche Cannabiskonsum, könnten eine Rolle bei den Gesundheitsproblemen von Arbeitnehmer:innen spielen. Auch das tägliche Pendeln zur Arbeit kann für Arbeitnehmer:innen gesundheitsschädigend sein.
McMurreys Tod deutet darauf hin, dass berufsbedingtes Asthma ein Problem in der aufstrebenden Cannabisindustrie sein könnte, die jedes Jahr Tausende von Arbeitnehmer:innen beschäftigt. Mit der Ausweitung der Cannabis-Legalisierung, die auch in Deutschland ansteht, rechnen Expert:innen damit, dass die Krankheit unter den Beschäftigten in Innenanbau-Anlagen häufiger auftreten könnte. Außerdem meinen sie, dass die derzeitigen Schätzungen bezüglich der Häufigkeit der Krankheit wahrscheinlich zu niedrig angesetzt sind.
In einer Erklärung gegenüber BuzzFeed News US bestritt Trulieve mehrere Behauptungen aus „anfänglichen Berichten“, darunter, dass es den Mitarbeiter:innen nur Papiermasken angeboten habe, dass McMurrey im „Blumen-Mahl-Raum“ gearbeitet habe und dass ein Vorgesetzter ihr gesagt habe, sie solle weiterarbeiten. Zuvor habe sie gesagt, sie fühle sich nicht wohl.
Das Unternehmen gab an, dass N95-Masken zur Verfügung standen, dass McMurrey tatsächlich im „Pre-Roll-Bereich“ arbeitete und dass sie sich entschieden hatte, wieder zur Arbeit zu gehen. „Trulieve wird seine Einrichtungen weiterhin so betreiben, dass die Gesundheit und Sicherheit aller Mitarbeiter:innen umfassend geschützt ist“, so das Unternehmen. „Wir sind zuversichtlich, dass wir dies im Januar getan haben und dies auch in Zukunft tun werden.“
„Wie in jeder Branche gibt es potenzielle Gefahren am Arbeitsplatz, und der Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter:innen muss oberste Priorität haben“, schrieb Aaron Smith, Mitbegründer und CEO der National Cannabis Industry Association. „Wir hoffen, dass dies in dieser schrecklichen Angelegenheit der Fall war.“
BuzzFeed News US konnte die Familie von McMurrey nicht erreichen. Dave Bruneau, McMurreys Stiefvater, sagte dem Boston Globe jedoch, dass sie einige Wochen vor ihrem Tod um ein Atemgerät gebeten hatte, das sie bei der Arbeit tragen wollte, so der Boston Globe.
„Sie sagte, die Luft sei voller Staub. Man konnte ihn sehen und er klebte an der Haut und so“, sagte Bruneau dem Globe. „Mir fiel das Herz in die Hose, als die Krankenschwester im Krankenhaus mir sagte, dass sie wegen Sauerstoffmangels hirntot sei. Ich möchte, dass die Leute wissen, was mit ihr passiert ist, und ich möchte nicht, dass das noch jemandem passiert.“
In Deutschland warnt der Jugendärzteverband vor „dramatischen Folgen“ der Cannabis-Legalisierung.
Berufsasthma lässt sich in zwei Kategorien einteilen: arbeitsbedingtes Asthma, also die Verschlimmerung bereits bestehender Asthmasymptome bei der Arbeit, und erstmaliges Asthma, das auftritt, wenn eine Person ohne vorherige Asthmabeschwerden bei der Arbeit Symptome entwickelt.
Laut Carolyn Reeb-Whitaker, Leiterin des Programms zur Überwachung berufsbedingter Atemwegserkrankungen im Bundesstaat Washington, kann neu auftretendes Asthma in zwei Unterkategorien eingeteilt werden. Die erste ist berufsbedingtes Asthma ohne Latenzzeit – auch bekannt als reaktives Atemwegsdysfunktion-Syndrom –, bei dem die Symptome plötzlich auftreten, nachdem jemand hohen Konzentrationen einer Chemikalie, eines Staubs oder einer anderen Substanz ausgesetzt war. Das zweite ist berufsbedingtes Asthma mit Latenz, bei dem es also Tage, Wochen oder Monate dauert, bis eine Person asthmatisch wird.
Reeb-Whitaker und Kolleg:innen veröffentlichten im Jahr 2021 eine Studie, die 784 arbeitsbedingte Asthmafälle in Washington zwischen 2009 und 2016 analysierte. Die meisten Fälle betrafen Personen mit arbeitsbedingtem Asthma in der Gesundheitsbranche. Der höchste Anteil an neu auftretenden Asthmafällen trat in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei und Jagd, Fertigung und Bauwesen auf. Schimmelpilze, Reinigungsmittel und Staub von Hopfen-Pflanzen, Holz und Zedernholz waren in diesen Fällen die häufigsten Asthmaauslöser.
Krank im Job: Trotz Erkrankung gehen laut einer Studie 72 Prozent der Deutschen zur Arbeit.
Unabhängig von der Art des berufsbedingten Asthmas sind die Symptome während der Arbeit in der Regel immer schlimmer und bessern sich, wenn die Betroffenen nicht arbeiten müssen. Das Ausmaß der Gefährdung kann von der Intensität und Dauer der Exposition und den Bedingungen am Arbeitsplatz abhängen, beispielsweise an den Belüftungssystemen, so Reeb-Whitaker gegenüber BuzzFeed News US.
Die Symptome können jedoch auch nach Kontaktende fortbestehen, so die AAAAI. Es ist auch möglich, berufsbedingtes Asthma zu entwickeln, selbst wenn man Schutzausrüstung wie Atemschutzmasken, Handschuhe, Schutzbrillen und Abluftanlagen verwendet. Raucher:innen und Personen, die Allergiker:innen in der Familie haben, haben ein höheres Risiko, berufsbedingtes Asthma zu entwickeln, vor allem gegenüber bestimmten Reizstoffen wie Mehl, Tieren und Latex, so die AAAAI.
Arbeitnehmer:innen, die an allergischem Asthma erkranken, entwickeln es in der Regel erst Monate oder Jahre nachdem sie Kontakt mit einer Substanz haben. Es dauert eine gewisse Zeit, bis ihr Immunsystem für diese sensibilisiert ist. Bei diesem Prozess werden allergische Antikörper, sogenannte IgE, gebildet. Diese rufen eine Entzündung der Atemwege hervor und können manchmal einen Asthmaanfall verursachen. „Es ist jedoch ein schmaler Grat zwischen Allergie und Asthma“, so Whitaker, da beide Erkrankungen ähnliche Symptome aufweisen.
Ein Allergologe kann feststellen, ob die Symptome auf eine Allergie oder Asthma (oder beides) zurückzuführen sind. Dies ist wichtig, da eine frühzeitige Erkennung und Behandlung der Schlüssel ist, um schwerwiegende Reaktionen zu vermeiden. In einigen Fällen können steroidhaltige Inhalatoren das Risiko von Asthmaanfällen verringern. Die Hauptbehandlung besteht jedoch darin, den Reizstoff generell zu vermeiden. Andernfalls besteht für Arbeitnehmer:innen das Risiko dauerhafter Lungenschäden, Behinderungen oder gar des Todes.
Zum jetzigen Zeitpunkt sei es schwierig abzuschätzen, wie groß das Problem ist, das die schnell expandierende Cannabisindustrie für die Gesundheit der Arbeitnehmer:innen darstellt, so Coralynn Sack, eine wissenschaftliche Ärztin an der Universität von Washington. Si ebschäftigt sichmit umwelt- und berufsbedingten Lungenerkrankungen. Cannabis sei nach dem Bundesgesetz der USA immer noch illegal, was die Durchführung von Forschungsarbeiten in dieser Branche erschwert, so Sack. Der Kontakt mit Schadstoffen könne auch sehr unterschiedlich sein, je nachdem, ob sie innen oder außen erfolgt.
Wir haben nicht genügend Informationen über die arbeitsbedingten Gesundheitsrisiken in der Cannabisindustrie. Was wir wissen, stammt aus Untersuchungen auf dem Hopfen- (der zur Herstellung einer Vielzahl von Produkten wie Bier verwendet wird) und dem Hanf-Textilmarkt. Studien zeigten hier hohe Raten an Atemwegserkrankungen bei Arbeitnehmern. (Sowohl Hopfen als auch Hanf sind mit der Cannabispflanze verwandt.)
Die Cannabisindustrie bevorzugt Indoor-Anbauanlagen, da sich Licht, Feuchtigkeit und Temperatur für eine optimale Qualität und Ernteerträge leicht steuern lassen. Aber es ist ein wartungsintensiver Prozess, der intensive manuelle Arbeit erfordert. Zudem fördern die Bedingungen eine Umgebung, in der verschiedene Reizstoffe und Allergene gedeihen können.
Das Wässern und Trocknen von Cannabispflanzen führt zu Bakterien- und Pilzwachstum,der Aushärtungsprozess kann Schimmel begünstigen und die Schritte des Mahlens, Erntens und Schneidens setzen große Mengen flüchtiger organischer Verbindungen wie Terpene und organischen Staub frei. Sie können die Atemwege reizen. Ganz zu schweigen von Chemikalien wie Pestiziden, die während des Anbauprozesses verwendet werden.
Diese breite Palette an toxischen Substanzen macht es fast unmöglich zu bestimmen, was die Symptome eine:r Arbeitnehmer:in verursacht, sagt Whitaker. Aber Expert:innen „haben einen starken Verdacht, dass Cannabis Asthma verursachen kann“.
Daten zeigen, dass das Einatmen die Hauptursache für berufsbedingtes Asthma ist. Jedoch gibt es keine veröffentlichte Berichte über Arbeitnehmer:innen, bei denen es nach dem Kontakt mit der Pflanze zu einer allergischen Reaktion kam. (Es gäbe keine Beweise dafür, dass Arbeitnehmer:innen während der Arbeit durch das Einatmen von Cannabisstaub high geworden sind, sagte Sack).
Eine kleine Umfrage unter 31 Mitarbeiter:innen einer Indoor-Grow-Anlage in Seattle ergab, dass 71 Prozent über eines oder mehrere dieser arbeitsbedingten Symptome berichteten. 65 Prozent gaben an, dass die Symptome ihre Atemwege, 39 Prozent ihre Augen, 32 Prozent ihre Nase und 26 Prozent ihre Haut betrafen. Bei sieben der Beschäftigten wurden abnormale Lungenfunktionstests durchgeführt.
Im Allgemeinen erkrankten Arbeitnehmer:innen mit öfterem Kontakt mit Cannabisstaub eher an berufsbedingtem Asthma. Bei etwa der Hälfte der Befragten fielen die Prick-Tests (Untersuchungen, bei denen auf unmittelbare allergische Reaktionen bei Cannabis geprüft wird) positiv aus.
Wir wissen wirklich nicht viel über die Verbreitung von Cannabisallergien, Expert:innen sagen aber, dass sie mit der zunehmenden Legalisierung in den USA immer häufiger auftreten. Laut der AAAAI, können Menschen jederzeit durch Einatmen, Rauchen, Berühren oder Essen der Pflanze eine Allergie gegen Cannabis entwickeln. Die Symptome variieren je nach der Art des Kontaktes mit der Pflanze.
Die Berührung von Cannabis kann zu Ausschlag, Nesselsucht oder Schwellungen führen. Bei Arbeitnehmer:innen, die Cannabisstaub einatmen, kann es zu einer laufenden Nase, Niesen, Juckreiz, Augenschwellungen und Asthma kommen.
Es ist zwar unklar, wie stark jemand Cannabis ausgesetzt sein muss, um berufsbedingtes Asthma oder Allergien zu entwickeln, Forscher:innen spekulieren jedoch, dass eine hohe Dosis genauso riskant sein könnte wie eine chronische, niedrigere Dosis. In den meisten Fällen kann wiederholter Kontakt zu immer stärkeren Reaktionen führen.
Die AAAAI warnt auch vor potenziell schwerwiegenden allergischen Reaktionen infolge einer Kreuzreaktivität – bei der Proteine in einer Substanz denen in einer anderen ähnlich sind. Zwischen Cannabis und bestimmten Lebensmitteln wie Tomaten, Pfirsichen und Haselnüssen, die alle bestimmte allergieauslösende Proteine enthalten beispielsweise. Der klinische Begriff dafür ist laut Artikel des European Journal of Allergy and Clinical Immunology „Cannabis-Frucht-Gemüse-Syndrom“. Dieses Syndrom bezeichnet eine Kreuzreaktivität mit Tabak, Naturlatex und einigen alkoholischen Getränken auf Pflanzenbasis.
Mit einem Prick-Test lässt sich feststellen, ob man allergisch auf Cannabis reagiert. Die einzige Behandlungsmöglichkeit besteht darin, die Pflanze zu meiden oder den Kontakt damit zu reduzieren, um eine ernsthafte Reaktion zu verhindern.
Ein weiteres Problem beim Verständnis der Gesundheitsrisiken, denen Cannabisarbeiter:innen ausgesetzt sind, besteht darin, dass viele von ihnen die Droge in der Freizeit konsumieren. Die Umfrage unter den Beschäftigten in Seattle ergab, dass 97 Prozent Freizeitkonsument:innen sind und 81 Prozent mehrmals täglich Cannabis rauchen.
Die Gesundheitsrisiken, die mit regelmäßigem Cannabiskonsum verbunden sind, hängen weitgehend davon ab, wie die Droge konsumiert wird. Gesundheitsrisiken bestehen übrigens auch bei Energy-Drinks, die diese TikToker krank gemacht haben. Die gute Nachricht ist jedoch, dass der Freizeitkonsum wahrscheinlich nicht die gleichen Gesundheitsrisiken birgt, denen die Beschäftigten in der Industrie ausgesetzt sind.
Sack und Whitaker erklärten, dass Freizeitkonsument:innen einige Lehren aus all dem ziehen können. „Ein Freizeitkonsument, der nur Cannabis zu sich nimmt, hat ein sehr geringes Kontaktrisiko im Vergleich zu jemandem, der in der Cannabis verarbeitenden Industrie arbeitet. Dennoch sollte er auf seine Gesundheitssymptome achten“, so Whitaker. „Sollte man das Gefühl haben, bei wiederholtem Konsum Atemprobleme zu bekommen, sollten man mit eine:r Ärzt:in sprechen.“
Mehr zu Cannabis und der Legalisierung: In Deutschland erntet der Entwurf zu Cannabis-Legalisierung weiterhin viel Kritik.
Autorin ist Katie Camero. Dieser Artikel erschien am 27. Oktober 2022 zunächst auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Aranza Maier.