Bäuerin zeigt auf TikTok, dass Landwirtschaft Frauensache ist und „Mädchen auch Trecker fahren“
Landwirtin Annemarie Paulsen postet auf TikTok witzige Videos über ihren Alltag als Bäuerin. BuzzFeed erklärt sie, warum es in der Landwirtschaft nie genug Frauen geben kann.
Landwirtschaft ist Männersache? Nö, würde die Bäuerin Annemarie Paulsen jetzt sagen. Sie leitet den Biohof Paulsen in der Uckermark – gemeinsam mit ihrem Mann. Damit ist sie in der Minderheit, denn nur insgesamt elf Prozent aller Betriebe in der deutschen Landwirtschaft werden laut einem Forschungsprojekt der Universität Göttingen von Frauen geleitet. Bei der Hofnachfolge rangiert Deutschland mit einem Frauenanteil von rund 18 Prozent im europäischen Vergleich auf den letzten Plätzen. BuzzFeed News DE fragt die Landwirtin Paulsen, woran das liegt und wie es als Frau in der Landwirtschaft so ist.

Annemarie Paulsen und ihr Mann führen einen biologischen Hof, bei dem die Standards in der Tierhaltung höher sind. Aber was taugt Bio vom Discounter? So gut sind die Produkte bei Aldi, Lidl und Co. wirklich.
Bäuerin auf TikTok sieht einen „großer Wandel“ für Frauen in der Landwirtschaft
„Frauen in der Landwirtschaft sind oft im Hintergrund – ohne sie würde es aber nicht gehen“, sagt Paulsen. Sie bestätigt damit auch die Studienergebnisse, die zeigen, wie bedeutend die Leistungen der Frauen in der Landwirtschaft sind und welche unterschiedlichen Rollen sie haben. „Meine Schwiegermama zum Beispiel, die lässt sich nicht die Butter vom Brot nehmen. Die ist ‘ne Kuhlady durch und durch und gibt für die Kühe ihr letztes Hemd.“ So wie sie selbst eben auch, lacht die Bäuerin, die auf TikTok regelmäßig witzige Videos vom Hofalltag postet.
„Dass es in der Landwirtschaft mehr Männer gibt, das ist traditionell so gewachsen. Früher gab es das Höferecht, also dass der Betrieb immer vom Sohn übernommen wurde. Das spürt man noch heute, aber ich glaube, da ist gerade ein großer Wandel“, sagt TikTokerin und Bäuerin Annemarie Paulsen zu BuzzFeed News DE. Die 30-Jährige dürfte recht behalten: Laut Studie vom Thünen-Institut in Göttingen zeigt sich eine leichte Tendenz zu mehr weiblicher Hofnachfolge. Auch nimmt der Anteil von Frauen zu, die eigenständig landwirtschaftliche Betriebe gründen.
Für die junge Landwirtin, die Agrarwissenschaften studiert hat, ist das nicht verwunderlich. In der Landwirtschaft braucht es Frauen, sagt Paulsen. Ein bekannter Bauer habe ihr erst letztens erzählt, er stelle mittlerweile viel lieber Frauen ein. Die hätten eine andere Art, an Dinge heranzugehen und seien aufmerksamer, wissbegieriger. „Sie wollen die Funktion hinter einem Trecker auch wirklich verstehen“, sagt Paulsen. Auf dem eigenen Hof sei das Geschlechterverhältnis ausgeglichen – bei ihnen arbeiteten fünf Frauen und sieben Männer.
Nicht nur Weizen, Dinkel und Co.: Manche Bauern könnten in Zukunft auch Hanf anbauen – wenn das mit der Legalisierung klappt. Auf Hanf fliegen sogar Bienen, aber es gibt ein anderes Problem.
Für Paulsen war es immer klar, „dass man als Mädchen auch Trecker fahren kann“
Annemarie Paulsen kümmert sich auf dem Biohof Paulsen, den sie mit ihrem Mann von dessen Eltern übernommen hat, um „alles, was einen Herzschlag hat.“ Man könne sie also als Geschäftsführerin der Tierproduktion bezeichnen. „Meine Passion sind Milchkühe. Mit Kühen auf Augenhöhe zu arbeiten, das ist so eine Leidenschaft von mir. Ich glaube, Kühe sind für immer meine große Liebe.“ Neben ihrem Mann Martin natürlich, den sie auf dem Hof der eigenen Eltern in Schleswig-Holstein kennenlernte. Mit ihm hat die 30-Jährige mittlerweile drei Kinder – neben ihrem Job als Bäuerin.
Paulsen ist Action und Landleben gewohnt. Sie kommt selbst aus einer zehnköpfigen Bauernfamilie. Wir fragen sie, ob sie selbst veraltete Geschlechterbilder erleben musste, die es in der Landwirtschaft laut Thünen-Institut immer noch gibt. Ja, definitiv, sagt Paulsen. „Bei meinen Eltern waren diese veralteten Strukturen unaufweichlich. Aber bei mir und meinen Geschwistern war es klar, dass man als Mädchen auch Trecker fahren kann. Vielleicht, weil jede Generation auch einfach neu dazulernt.“
Ich glaube, Kühe sind für immer meine große Liebe.
Einmal habe sie in einem anderen Betrieb gearbeitet. Als sie dort am Melkstand beschäftigt war, wurde sie vom Seniorchef weggeschubst, weil er angeblich die Kühe anstelle. „Dann hab ich ihn zurückgeschubst und gesagt: ‚Dat mach ich!‘ Erst muss man sich als Frau durchkämpfen, deswegen ist es heute auch noch immer faszinierend, wenn Frauen Trecker fahren. Aber irgendwann erntet man Bewunderung und dann wird es Normalität“, so die Landwirtin gegenüber BuzzFeed News DE.
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Landwirtin auf TikTok: Videos über Kühe und alte Geschlechterrollen
Auf TikTok und Instagram (@biohof_paulsen) postet die quirlige Landwirtin seit Mai 2022 regelmäßig lustige Videos aus ihrem Bäuerinnen-Alltag. „Im Hofalltag gibt es so witzige Situationen: Wenn die Kühe zum Beispiel wieder das Gatter abgeschlabbert haben. Da fallen mir hunderte Sachen ein“, lacht die Kuhliebhaberin. Aber auch Stereotype greift sie in ihren Comedy-Videos auf. Zum Beispiel von ihrem Papa, dem traditionellen Bauer Helmut.
In einem TikTok-Video (siehe unten) spielt sie eine typische Situation bei einer Ärztin nach, bei der Bauer Helmut alle Ratschläge ignoriert und als „harter Kerl“ den Betrieb vorne anstellt. Dieses veraltete Verständnis von Männlichkeit nerve sie manchmal, sagt Paulsen. Deswegen seien Bäuerinnen auch oft so erfolgreich, so wichtig, denn die brächten eine Ästhetik und Emotionalität in den Beruf, an die sich Männer heute noch nicht herantrauen, weil sie eben in ihren Geschlechterrollen gefangen seien. „Ehrlich gesagt tun mir Männer da fast leid, denn bei ihnen wird das Emotionale noch oft als Schwäche gesehen.“
Ehrlich gesagt tun mir Männer da fast leid, denn bei ihnen wird das Emotionale noch oft als Schwäche gesehen.
Paulsen ist sehr glücklich über die Resonanz, die sie auf ihre witzigen „Bauer-Helmut-Reels“ oder ihre Videos zu Kopfmassagen bei Kühen bekommt. „Einmal hat mir eine Frau geschrieben, dass sie die Uckermark und die Landwirtschaft früher so unbelebt fand und sie dank meiner Videos mit anderen Augen sieht. Der Kommentar hat mich sehr berührt.“ Vielleicht auch deswegen, weil das für sie das Schönste am Bäuerinnen-Sein ist: Dass man Teil eines ganzen Ökosystems sei und einen Teil zur Ernährung beitrage.
Landwirtschaft wird „heute irgendwie nicht akzeptiert“ – Social Media soll helfen
Wir fragen Annemarie Paulsen, ob ihr auf Instagram und TikTok auch Hass entgegenschlägt. Das nicht, aber man merke schon, dass viele Menschen Vorurteile über die Landwirtschaft haben, so die 30-Jährige. Manche Fragen, die sie auf Social Media bekomme, zeigten auch die starke Diskrepanz zwischen Stadt und Land. „Ich kläre da gerne auf, aber manchmal ist es gar nicht so leicht: Wie erklärst du zum Beispiel, dass die Zahl der Tiere nicht unbedingt ein Indikator für Tierwohl ist?“
Auf die Frage, was die größte Herausforderung als Bäuerin sein, antwortet sie: „Dass Landwirtschaft heute irgendwie nicht akzeptiert wird. Da ist teilweise so viel Unmut in der Bevölkerung, der die Politik mit aberwitzigen Vorgaben begegnet. Dem allen gerecht zu werden, ist schwierig.“ Zum Beispiel dann, wenn ein Bauernhof-Set von Lego von Peta kritisiert wird. Mit TikTok und Instagram versucht Paulsen dieses Problem zu lösen und Landwirtschaft wieder näher an die Lebensrealität der Menschen zu bringen.
Sie hat das Gefühl, es klappt. Warum sollte es das auch nicht, denn früher bei unseren Urgroßeltern sei der Bauernhof eben oft noch um die Ecke gewesen, meint Paulsen. „Da entstand so ein Unmut gar nicht erst. Vielleicht schafft es Social Media ja, diese Nähe wieder herzustellen, damit die Menschen wieder positiver über Landwirtschaft denken.“
Vielleicht schafft es Social Media ja, diese Nähe wieder herzustellen, damit die Menschen wieder positiver über Landwirtschaft denken.
