Disney+ zeigt künftig auch bei zahlenden Kunden Werbung

Disney+ ist deutlich gewachsen und rückt immer näher an Netflix heran. Beide Streamingdienste wollen zukünftig auch Werbung in ihre Streams einbauen.
Es tut sich momentan einiges auf dem Streamingmarkt. Der Unterhaltungskonzern Disney hat mit dem zweiten Quartal 2022 mit 221 Millionen Abonnent:innen einen neuen Rekord aufgestellt und seinen größten Konkurrenten Netflix sogar leicht überholt. Der kommt laut dem Film und Fernsehserien-Infoportal TV Wunschliste auf 220,7 Millionen zahlende Kund:innen. „Wir hatten ein exzellentes Quartal“, sagt Konzernchef Bob Chapek.
Den in absoluten Zahlen größten Anteil an diesem Wachstum hat der Streamingdienst Disney+, der auf gut 152 Millionen Abonnent:innen kommt und damit allein im zweiten Quartal 14,4 Millionen Kund:innen hinzugewonnen hat – deutlich mehr als die 10 Millionen, die von den Finanzmärkten erwartet wurden. Die beiden Erfolgsserien „Obi Wan Kenobi“ und „Mrs. Marvel“ dürften zu einem nicht unerheblichen Teil für diesen Erfolg verantwortlich sein. Disneys weitere Streamingdienste, ESPN+ und Hulu, steuern knapp 23 Millionen beziehungsweise 46 Millionen Abonnenten bei.
Der Konkurrent Netflix hingegen hat im selben Zeitraum 970.000 Abonnenten verloren. Die Erfolgsserie „Stranger Things“ rettete Netflix vor einem noch größeren Reichweitenverlust. Allerdings hat der erst Ende 2019 als Netflix-Jäger gestartete Streamingdienst Disney+ gegenüber dem weltweit etablierten Platzhirsch den Vorteil, stetig in neuen Ländern und Märkten verfügbar zu werden. Dort, wo Disney+ selbst bereits etabliert ist, hält sich das Wachstum in Grenzen. So gewann der Streamingdienst in den USA und Kanada von April bis Juni lediglich gut 100.000 neue Kund:innen.
Disney führt eine Version mit Werbung ein – erst einmal nur in den USA
Der Streamingmarkt steht langfristig betrachtet vor großen Herausforderungen, weshalb der Disney-Konzern trotz des zuletzt überraschend guten Wachstums seine Erwartungen für die Zukunft nach unten korrigierte. Bis zum Ende des Geschäftsjahres 2024 rechnet der Konzern nun mit „215 bis 245 Millionen“ Disney+-Abonnenten, statt den zuvor anvisierten „230 bis 260 Millionen“, wie TV Wunschliste berichtet. Der Wettbewerb wird in Zukunft schärfer werden. Vor diesem Hintergrund ist auch die Ankündigung Disneys zu sehen, zukünftig eine günstigere Version von Disney+ mit zwischengeschalteten Werbeclips anzubieten.
Wichtig: Diese Neuerung betrifft zunächst nur die USA. Dort wird man zukünftig für die aktuell fälligen 7,99 Dollar nur noch die Basic-Version mit Werbung bekommen. Wollen die US-Abonnenten auch nach dem 8. Dezember weiterhin Disney+ ohne Werbung schauen, müssen sie 10,99 Dollar pro Monat (oder 109,99 Euro pro Jahr) für die Premium-Version bezahlen. Der Preis für das bisher gewohnte werbefreie Disney+ steigt also um 3 Dollar oder 37 Prozent. Außerdem ist für die Basic-Version dann auch kein vergünstigtes Jahresabo für 79,99 Dollar verfügbar, wie es aktuell noch der Fall ist. In Deutschland zahlt man momentan 8,99 Euro monatlich beziehungsweise 89,90 Euro jährlich.
Disney tut es damit Netflix gleich
Was den Umfang der Werbeeinspielungen angeht, sind laut US-Medienberichten vier Minuten Werbespots pro 60 Minuten Streamingdauer im Gespräch, was vergleichsweise wenig ist. Im US-Fernsehen können es auch schon mal 20 Minuten und mehr werden, wie die Welt berichtet. In dieser Zurückhaltung spiegelt sich die Befürchtung wider, mit dieser neuen Praxis möglicherweise zu viele Kund:innen zu verschrecken. Denn Disney setzt auf eine Strategie, die auch die anderen großen Streamingdienste einzuführen beginnen, aber gleichzeitig gewisse Risiken birgt.
Bereits nach dem ersten Quartal 2022, als Netflix bekannt gab, gut 200.000 Abo-Kund:innen verloren zu haben, kündigte der Marktführer an, eine werbebasierte Version auf den Markt bringen zu wollen. Im Gegensatz zum Konkurrenten Disney+ soll diese aber auch tatsächlich günstiger als die jetzige werbefreie Version von Netflix werden. Die aktuell günstigste kostet in Deutschland 7,99 Euro pro Monat. „Wir sind sehr offen dafür, noch niedrigere Preise mit Werbung als Wahlmöglichkeit für die Verbraucher anzubieten“, sagte Co-Konzernchef Reed Hastings damals laut Welt.
Das Angebot soll noch Ende dieses Jahres in den USA anlaufen, wie die New York Times aus einer firmeninternen Mitteilung zitiert. Weitere Details sind bisher nicht bekannt. Erst kürzlich hat Netflix zwei Frauen verklagt, weil sie ein „inoffizielles Bridgerton-Musical“ geplant hatten.
Amazon hat die werbebasierte Version bereits eingeführt
Der zweite große Konkurrent von Disney+, der Streamingdienst Prime Video von Amazon, hat seine Version mit Werbung in Deutschland bereits eingeführt, was an vielen vorbeigegangen sein dürfte. Das liegt daran, dass diese werbebasierte Version namens Freeve in die bekannte Benutzeroberfläche integriert ist und daher „wohl am einfachsten als Amazon (Prime) Video mit Werbung“ beschrieben werden kann, wie es das Portal WinFuture erklärt. Die Werbeclips sollen dabei neun Minuten pro 60 Minuten Streamingdauer nicht übersteigen, verkünden die Konzernverantwortlichen laut WinFuture.
Das Angebot von Freeve soll laut dem Ratgeberportal Imtest einige wenige exklusive Formate enthalten, darunter den Nachfolger der Prime Video-Erfolgsserie „Bosch“. Den Großteil machen aber ältere, bewährte Produktionen wie die Serie „Peaky Blinders“ (allerdings nur die ersten beiden Staffeln) aus. Anders als die werbebasierten Konkurrenzprodukte von Disney+ und Netflix ist Freeve komplett kostenlos, sodass keine Mitgliedschaft bei Amazon Prime nötig ist, um sich die Videos anzusehen.
Wer bereits Prime-Mitglied ist, hat also keine Vorteile davon. Erst im Juli kündigte Amazon an, die Preise ab September 2022 deutlich zu erhöhen. Zukünftig werden für die Prime-Mitgliedschaft monatlich 8,99 Euro statt bisher 7,99 fällig beziehungsweise 89,90 Euro statt 69,90Euro. Das gemütliche Streamen auf dem Sofa wird langfristig also tendenziell teurer.