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Dr. Motte provoziert auf Loveparade-Nachfolger „Rave The Planet“ mit Querdenker-Symbol

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Von: Robert Wagner

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Der DJ Dr. Motte auf dem „Rave The Planet“-Umzug in Berlin am 9. Juli 2022.
Dr. Motte auf dem „Rave The Planet“-Event am 9. Juli in Berlin. Mit dem Zeigen eines verschwörungsideologischen Symbols während dieses Umzugs hat er sich nicht viele Freunde gemacht. © Jörg Carstensen/dpa/Twitter/Echtzeitreise

Hunderttausende Techno-Fans zogen unter dem Motto „Rave The Planet“ durch Berlin. Das Event erfährt wegen des Organisators Dr. Motte nun einen üblen Nachgeschmack.

Es ist als die Neuauflage der legendären Loveparade gedacht: Am 9. Juli zogen nach Polizeiangaben rund 200.000 Techno-Fans „überwiegend störungsfrei“ durch die westliche Innenstadt Berlins und den Tiergarten bis zur Siegessäule, wie der Tagesspiegel berichtet. Organisiert wurde das Event vom berühmten DJ Dr. Motte, einem Pionier der Berliner Techno-Kultur. Der inzwischen 62-Jährige, der mit bürgerlichem Namen Matthias Roeingh heißt, hat die Loveparade einst mit ins Leben gerufen und will sie nun wiederauferstehen lassen.

Dr. Motte ist allerdings auch für einen Eklat verantwortlich, der das Techno-Ereignis nun überschattet. Von einem Musikwagen (Float) aus hielt er während der Parade einen Aufkleber gut sichtbar in die Luft, der das Symbol einer einschlägigen Querdenker:innen-Gruppierung zeigt. Die Menge bejubelte ihn, im Nachgang des Events musste er in den sozialen Medien hingegen viel Kritik dafür einstecken. Ihm wird Sympathie für das verschwörungsideologische Milieu vorgeworfen. Auf den Vorfall hatte auf Twitter unter anderem der Rechercheaccount @SchwarzePalmen alias Nicola Sacco hingewiesen.

Dr. Motte feiert offenbar Querdenker:innen-Gruppierung

Das auf dem Sticker abgebildete Symbol ist der „Freedom Parade“ zugeordnet, einer verschwörungsideologischen Gruppierung aus Berlin. Sie ist für ihren Gründer Michael Bründel bekannt, der als Kunstfigur „Captain Future“ verkleidet die Welt vor dem „verrückten Professor Drosten“ zu retten versucht, wie Belltower News aus seiner Webseite zitiert. Seine im Mai 2020 initiierte „Freedom Parade“ soll ein Zeichen gegen die „mediale Gehirnwäsche“ der Corona-Politik setzen. „Welche bessere Art für unsere Freiheit und die Liebe zu demonstrieren könnte es geben, als unter freiem Himmel zu tanzen?“, zitiert ihn Belltower News.

Die Verschwörungsgläubigen von der „Freedom Parade“ haben keine Berührungsängste mit Rechtsextremisten. Bründel teilt sich die Bühne laut Belltower News auch mit einschlägig bekannten Neonazis wie den verurteilten Holocaustleugner Nikolai Nerling („Der Volkslehrer“), auch wenn er sich wenig glaubwürdig zu distanzieren versucht. Die Sympathiebekundung von Dr. Motte mit der „Freedom Parade“ kam dementsprechend nicht gut an.

Hier geben wir euch hier acht Merkmalen, anhand derer ihr Verschwörungstheorien erkennt.

Die Entschuldigungen von Dr. Motte überzeugen Kritiker nicht

Auf die Grenzüberschreitung angesprochen, gibt sich Dr. Motte in einem Tweet vom 10. Juli reuig und entschuldigt sich. Er habe die Hintergründe des Symbols nicht gekannt. Sehr viele Nutzer:innen kauften ihm diese Entschuldigung aber offenbar nicht ab. „Ich wusste das nicht“ ist spätestens seit Trump die schlechteste Ausrede überhaupt, schreib ein Account. Ein anderer Account bringt es auf den Punkt: „Da hält man irgendein Zeug wie eine Hostie vor zigtausenden Leuten hoch und weiß nicht, was das ist? Unglaubwürdig.“

Wenige Stunden später setzte Dr. Motte einen weiteren Tweet ab, mit dem er sich von „Querdenkern und ähnlichen Organisationen“ distanziert und die Parole „Nie wieder Faschismus“ ausgibt. Auch dieser Tweet überzeugte nur die wenigsten. „Irgendwie wirkt es einfach nur lustlos dahin gerotzt“, lautete ein Kommentar. Ein User greift Dr. Mottes Künstlernamen auf und nennt ihn spöttisch einen „Facharzt für Unglaubwürdigkeit“.

Wie glaubwürdig ist Dr. Motte?

Tatsächlich gibt es gute Gründe, an der Glaubwürdigkeit der Entschuldigung und Distanzierung von Dr. Motte zu zweifeln. Vielfach unter seinen Tweets geteilt wurde ein Foto, das ihn an der Seite des Mannes zeigt, der die „Freedom Parade“ aus der Taufe gehoben hat: Michael Bründel. Das Foto soll bereits 2020 entstanden sein, was dafür spräche, dass Dr. Motte und Bründel schon länger einander kennen. Mottes Aussage, er „verstehe nicht, wie dieser Aufkleber auf den Float kam“, wirkt da nicht sehr überzeugend. Außerdem behauptet er, dass er manipuliert worden sein könnte. Unklar bleibt, was er damit meint.

Ein anderes Video, das auf besagtem „Rave The Planet“-Umzug entstanden ist, zeigt den DJ, wie er die mitfeiernden Verschwörungsgläubigen von der „Freedom Parade“ abfilmt oder fotografiert.

Ist Dr. Motte ein Querdenker?

Es gibt aber auch Indizien, die darauf hindeuten, dass Dr. Motte nicht nur persönliche Kontakte ins Verschwörungsmilieu der Querdenker:innen hat. Einiges spricht dafür, dass er diesem Milieu selbst ideologisch nahesteht. In zwei irritierenden Tweets vom 11. Juli spricht er von einem „giftigen überal gesinnungs ‚feinde‘ sehenden mainstreamismus“ und betont, dass Techno für alle da sei, auch für „linken wie rechten Extremismus“. Ausgrenzung habe „bei Techno nichts zu suchen“.

@Geradedenken1 hat in einem Thread weitere Indizien gesammelt, die auf eine ideologische Affinität von Dr. Motte für Verschwörungsdenken hindeuten. Unter anderem raunt der DJ von konspirativen „Bilderberg treffen“. Bei den Bilderberg-Konferenzen handelt es sich um jährlich stattfindende informelle Treffen mächtiger Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Bereichen (etwa Politik, Wirtschaft, Militär, Medien), um die sich viele Verschwörungserzählungen ranken. Sie gehören unter Querdenker:innen zum Standardrepertoire.

In einem anderen Tweet behauptet Dr. Motte, es gebe einen Krieg zwischen Russland und der NATO bzw. zwischen dem KGB und der CIA. Die Vorstellung, in der Ukraine würde der Westen, angeführt von den USA, einen Krieg gegen Russland führen, hat sich seit Ausbruch des Krieges unter Verschwörungsgläubigen sehr stark ausgebreitet. Das berichtete unter anderem die Süddeutsche Zeitung.

Dr. Mottes Entgleisungen reichen weit zurück

Affinitäten für extremistisches Gedankengut scheint Dr. Motte schon länger zu haben. Bereits vor gut zehn Jahren ist er strafrechtlich aufgefallen, als er in Berlin-Prenzlauer Berg gegenüber zwei Mitarbeitern des Ordnungsamtes „Heil Hitler“ gerufen und die beiden als „Blockwarte“ beschimpft hat. Dafür wurde er zu 60 Tagessätzen à 250 Euro verurteilt. In der Gerichtsverhandlung hat er sich bei den Beleidigten entschuldigt, wie der Tagesspiegel berichtet.

Schon 1995 fiel der DJ unangenehm auf, als er „alle Juden der Welt“ aufrief, „sie sollen doch mal eine neue Platte auflegen und nicht immer nur rumheulen“. 1997 bat er dafür „vielmals um Entschuldigung“. Und 2009 schimpfte er über die „schlechte, schwule Politik“ des damaligen Regierenden Bürgermeisters in Berlin, Klaus Wowereit, der eine „Kultur des Imperiums“ vertrete. Von dieser Episode gibt es sogar ein Video, das auf Twitter verfügbar ist. Auch dafür hat sich Dr. Motte entschuldigt. In derselben Rede schwärmt er übrigens auch von einer Rune, die er in einem „Nazi-Buch“ entdeckt hat.

Am Abend des 12. Juli hat Dr. Motte auf seinem Facebook-Profil eine Stellungnahme zu dem Vorfall veröffentlicht. Er schreibt darin, ihm sei „etwas sehr Dummes passiert“, als er den Aufkleber der verschwörungsgläubigen „Freedom Parade“ mit dem des polnischen Ablegers der Loveparade verwechselt habe. Der heiße nämlich auch „Freedom Parade“ und in dem Symbol an sich konnte er „nichts Schlechtes erkennen“. Er distanziert sich „definitiv und ausdrücklich von den sogenannten ‚Querdenkern‘“ und betont, „keine Freunde oder Bekannte“ in dieser Szene zu haben. Man werden untersuchen, wie der fragliche Aufkleber auf den Musikwagen gekommen ist. Auf die Frage, wie seine verschwörungsaffinen Äußerungen zu bewerten sind, ging er nicht ein.

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