„Rassistische Strukturen“: Black Community reagiert auf Dreadlock-Debatte

Sängerin Ronja Maltzahn hätte bei einer Demo von Fridays for Future in Hannover auftreten sollen. Ihr wurde abgesagt. Der Grund: Ihre Dreadlocks. Das Black Voices Volksbegehren in Österreich begrüßt die Entscheidung.
„Der Grund dafür ist, dass wir gerade bei diesem globalen Streik auf ein antikolonialistisches und antirassistisches Narrativ setzen und es daher für uns nicht vertretbar ist eine weiße Person mit Dreadlocks auf unserer Bühne zu haben“, begründete die Ortsgruppe der Klimaschutzorganisation Fridays for Future in einer privaten Nachricht an die Musikerin. Sie bezeichnen die Dreadlocks von Ronja Maltzahn als „kulturelle Aneignung“.
Kritik an der Absage
Ronja Maltzahn zeigte sich auf ihrem Instagram-Account enttäuscht über die Absage. „Schade, dass wir aufgrund von äußerlichen Merkmalen davon ausgeschlossen werden“, schreibt sie in einem Post. Auch ihre Fans sind verärgert. „Wenn hinter politischer Korrektheit keine wirkliche Toleranz steckt“, schreibt ein User in den Kommentaren. „Kopf hoch. Cancel Cutlure at is [sic] best“, ärgert sich ein anderer. Viele der User:innen sahen die Absage als diskriminierend. Wiederum andere sind der Meinung, die Dreadlocks wären Ausdruck kultureller Wertschätzung.
Auch der unsensible Ton in der Nachricht von Fridays for Future wurde kritisiert. So heißt es etwa: „Solltest du dich bis Freitag dazu entscheiden deine Dreadlocks abzuschneiden, würden wir dich natürlich auf der Demo begrüßen und spielen lassen.“ Für diese Aussage baten die Klimaaktivist:innen mittlerweile um Entschuldigung. In einer Aussendung hieß es:
Dies ist ein Eingriff in die Privatsphäre der Künstlerin, der so nicht hätte passieren dürfen. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Frauen in dieser sexistischen Gesellschaft häufig aufgrund ihres Aussehens zurechtgewiesen werden und sich nicht frei so kleiden und zeigen können wie sie wollen, war die Nachricht grenzüberschreitend formuliert.“
Weiße Menschen mit Dreadlocks: Kulturelle Aneignung
Dennoch hält die Klimaschutzorganisation an der Entscheidung, den Auftritt von Maltzahn abzusagen, fest. „Auch wenn wir die Beweggründe von Ronja Maltzahn nicht kennen, handelt es sich beim Tragen der Dreadlocks durch weiße Menschen um kulturelle Aneignung“, heißt es in der Aussendung. Fridays for Future gehen darin auch näher auf die Geschichte der Frisur ein:
Dreadlocks wurden erst durch die Versklavung Schwarzer Menschen aus afrikanischen Ländern und Indien in die USA gebracht, wo sie später in Bürgerrechtsbewegungen Schwarzer Menschen zum Widerstandssymbol wurden. Mit dem Tragen von Dreadlocks ging also Unterdrückung einher – und die Frisur ist Symbol des Widerstandes Schwarzer Menschen. Wenn eine weiße Person also Dreadlocks trägt, dann handelt es sich um kulturelle Aneignung, da wir als weiße Menschen uns aufgrund unserer Privilegien nicht mit der Geschichte oder dem kollektiven Trauma der Unterdrückung auseinandersetzen müssen.“
Mittlerweile gab es laut Maltzahn ein „nettes Telefonat“ zwischen ihr und den Klimaaktivist:innen. „Ich möchte an dieser Stelle noch mal ganz klar sagen, dass ich keinen Konflikt anzetteln möchte“, erklärte sie in einer Insta-Story. Sie drücke die Daumen, dass es für die eigentlich tolle Organisation „nicht zu viel blöden Pressewind geben wird“ - und betont schließlich, dass es eigentlich ganz andere wichtige Themen in der Gesellschaft zu bewältigen gebe.
Black Voices Volksbegehren begrüßt die Entscheidung
Von „Kultureller Aneignung“ oder Cultural Appropriation“ spricht man, wenn jemand beispielsweise Bräuche, Kleidung oder Frisuren einer marginalisierten Kultur unangemessen übernimmt „und auf eine Art und Weise benutzt, welche die originale Bedeutung nicht respektiert oder den Ursprung nicht anerkennt“, erklärt das Black Voices Volksbegehren in Österreich. „Kulturelle Wertschätzung“ hingegen definiere den respektvollen Umgang mit einer anderen Kultur.
„Als kulturelle Wertschätzung gilt nicht, wenn man etwa für Geld und Ruhm eine Kultur nachahmt. Vielmehr gilt es, ein echtes Verständnis für die Kultur, ihre Sitten, Bräuche, Traditionen, Symbole, Kleidung, Accessoires und ihren adäquaten Einsatz zu gewinnen“, so der Verein, der einen nationalen Aktionsplan gegen Rassismus fordert. In einem Statement gegenüber BuzzFeed Austria begrüßt er die Entscheidung von Fridays for Future und ruft weiße Menschen auf, Verständnis für die rassistischen Strukturen hinter kultureller Aneignung aufzubauen:
Wir verstehen und unterstützen die Entscheidung von FFF Hannover. Cultural Appropriation kann für viele POC [People of Color] Trigger auslösen, weshalb es im Sinne einer Veranstaltung, bei der sich alle wohlfühlen sollen, nachvollziehbar ist, hier eine Künstlerin auszuladen. Wir rufen auch weiße Personen dazu auf, sich mit der Thematik ‚Cultural Appropriation‘ zu befassen und Verständnis für die rassistischen Strukturen hierbei aufzubauen.“