Ein Sexkaufverbot macht Prostitution nur unsichtbar, hilft aber niemandem

Eine Europaabgeordnete der SPD fordert die Kriminalisierung von Freiern. Was sich gut anhört, erweist sich als Trugschluss. Es geht nicht um den Schutz von Frauen.
Wieder einmal bringen Stimmen aus der SPD dieses Thema aufs Tableau. Maria Noichl, Europaabgeordnete und Chefin der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), fordert in einem Interview mit der Rheinischen Post ein Verbot der Prostitution nach dem sogenannten nordischen Modell. Das sieht vor, dass nicht die Prostituierte, sondern der Freier kriminalisiert wird. Seit über 20 Jahren gilt ein entsprechendes Gesetz in Schweden, daher der Name.
Was sich zunächst gut anhört, erweist sich als problematisch. Es stimmt: Die Sexarbeiter:innen brauchen nach diesem Modell keine Strafverfolgung zu befürchten. Langfristig jedoch fördert eine solche Politik ihre Diskriminierung und erschwert ihre Arbeitsbedingungen, da die Sexarbeit an sich in die Illegalität verlagert wird. Das würde für die Sexarbeiter:innen ganz automatisch ein Weniger an Schutz und ein Mehr an gesellschaftlicher Ausgrenzung bedeuten.
Sexkaufverbot wäre in der Konsequenz ein Rückschritt
Genau diese Zusammenhänge haben die damalige rot-grüne Regierung 2001 dazu bewogen, mit dem Prostitutionsgesetz einen völlig neuen Weg zu gehen und Sexarbeit zu legalisieren, um die Situation der Betroffenen zu verbessern. Zuvor galt Prostitution als sittenwidrig und Sexarbeiter:innen konnten sich weder sozial versichern noch bei einer Krankenkasse anmelden. Dieses Gesetz sei „gescheitert“, behauptet nun Noichl, und Deutschland zu einem „Schwamm“ geworden, der „alle aufsaugt, die an der Prostitution verdienen.“
Was Noichl und andere Politikerinnen, auffällig häufig aus der SPD, fordern, käme in der Konsequenz einem gesellschaftlichen Rückschritt gleich. Wozu ein Sexkaufverbot nach nordischem Modell führt, kann man gut in Frankreich beobachten. Dort wurde ein entsprechendes Gesetz 2016 erlassen. NGOs und Gewerkschaften sprechen von „Verelendung“ der betroffenen Sexarbeiter:innen, wie der Deutschlandfunk berichtete. Ihre Lage habe sich in Wirklichkeit verschlechtert.
Forderung nach einem Sexkaufverbot
Bereits 2019 twitterte Noichl zum internationalen Hurentag (2. Juni) sehr bestimmt „zur Klarstellung“: „Sexarbeit ist weder Sex noch Arbeit. Sexarbeit ist Menschenrechtsverletzung.“ Der taz, die die Debatte aufmerksam beobachtete, sagte sie damals: „Am Tag von 30 Männern penetriert zu werden, mag für eine sehr kleine Gruppe die Erfüllung sein“, die Realität sehe aber anders aus. Prostitution sei „ein Spinnennetz, in dem sich Frauen verfangen“. Als gingen Sexarbeiter:innen dieser Tätigkeit nach, weil sie es genießen würden, täglich Sex mit 30 Männern zu haben.
Aus gehässigen Kommentaren wie diesem spricht meiner Ansicht nach eine Geringschätzung all derer, die der Sexarbeit nachgehen, ohne sich als Opfer zu sehen. Ihre Mitstreiterin Leni Breymaier, Bundestagsabgeordnete und frühere Landesvorsitzende der SPD Baden-Württemberg, sagte 2019 laut taz, sie halte es für „Wahnsinn“, wenn zwischen Prostitution und Zwangsprostitution unterschieden wird. „Als ob Prostitution etwas anderes sein könnte als Zwang“, sagte sie.
Noichl und Konsorten lassen keine Zweifel daran aufkommen, wie borniert sie in dieser Sache sind. Es geht ihnen nicht um pragmatischen Schutz von Frauen, sondern um Moral und Ideologie. Sexarbeit ist per se immer schlecht und darf es folglich nicht geben. Eine „Welt ohne Prostitution“ wünscht sich Breymaier laut taz. Eine utopische Forderung, die letztlich nur auf die Unsichtbarmachung der verhassten Sexarbeit abzielt. Was mit den Betroffenen danach konkret geschieht, interessiert wohl bestenfalls am Rande.