„Zutiefst besorgt“: US-Journalist in Russland wegen angeblicher Spionage festgenommen

Russland geht hart gegen Medien und kritische Stimmen vor. Nun wurde ein US-Journalist verhaftet, weil er versucht haben soll, geheime Informationen zu stehlen.
Ein Reporter des Wall Street Journals wurde in Russland verhaftet und der Spionage beschuldigt. Der US-Bürger Evan Gershkovich wurde am Donnerstag, 30. März 2023, in Jekaterinburg vom russischen Föderalen Sicherheitsdienst (FSB) festgenommen. Dieser behauptete, Gershkovich habe versucht, an geheime Informationen zu gelangen, wie Associated Press (AP) berichtete.
So behauptete der FSB, Gershkovich habe „auf Anweisung der USA gehandelt, um Informationen über die Aktivitäten eines der Unternehmen der russischen Militärindustrie zu sammeln, die ein Staatsgeheimnis darstellen“, so AP. Spionage wird dort mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 20 Jahren geahndet.
Verhaftung von Journalist Evan Gershkovich: US-Regierung „zutiefst besorgt“
In einem Artikel der Washington Post bezüglich Gershkovichs Verhaftung, erklärte dessen Arbeitgeber, das Wall Street Journal, dass es „die Anschuldigungen des FSB vehement bestreitet und die sofortige Freilassung unseres vertrauenswürdigen und engagierten Reporters Evan Gershkovich fordert“. Außerdem hieß es: „Wir haben vollste Solidarität mit Evan und seiner Familie.“
Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, sagte, dass US-Beamt:innen mit Gershkovichs Arbeitgeber:innen und seiner Familie gesprochen hätten und daran arbeiteten, konsularischen Zugang zu Gershkovich zu erhalten. Außenminister Antony Blinken schrieb in einer Erklärung, die US-Regierung sei „zutiefst besorgt“ über die Inhaftierung Gershkovichs.
„Wir verurteilen auf das Schärfste die anhaltenden Versuche des Kremls, Journalist:innen und Stimmen aus der Zivilgesellschaft einzuschüchtern, zu unterdrücken und zu bestrafen“, so Blinken.
Evan Gershkovich arbeitete die vergangenen sechs Jahre als Journalist in Russland
Berichten des Guardian zufolge, lebte Gershkovich in den vergangenen sechs Jahren als Reporter für das Wall Street Journal in Moskau. Seine Berichterstattung umfasste Russland, die Ukraine und die ehemalige Sowjetunion. Er ist beim russischen Außenministerium als Journalist akkreditiert, so das Wall Street Journal. In seinem letzten, am Dienstag veröffentlichten Artikel schrieb Gershkovich über den möglichen bevorstehenden Niedergang der russischen Wirtschaft.
Die Verhaftung von Gershkovich passiert zu einem Zeitpunkt, an dem der Kreml hart gegen abweichende Meinungen und Kritik an seinem Krieg in der Ukraine vorgeht, dessen Gräueltaten die Welt aufs Schärfste verurteilt. Im September 2022 verhaftete die russische Polizei 1.300 Menschen bei Anti-Kriegs-Protesten, berichtete der Guardian.
Zuvor hatte Präsident Wladimir Putin angekündigt, Bürger:innen für den Kampf gegen die Ukraine einzuziehen, weshalb viele Russen ins Ausland flohen und dort die Retourkutsche für Rassismus bekamen. AP News berichtete, dass kürzlich ein russischer Vater zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde, nachdem seine 13-jährige Tochter pro-ukrainische Kunstwerke mit dem Slogan „Ruhm für die Ukraine“ angefertigt hatte.
Putin droht bei kritischer Berichterstattung mit harten Strafen
Russland geht auch hart gegen die Medien vor. Nachdem Russland im Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert war, unterzeichnete Putin laut CNN Business ein Gesetz, das die Berichterstattung über den Krieg mit der Ukraine als „Fake News“ unter Strafe stellte – einschließlich der bloßen Bezeichnung des Konflikts als Ukraine-Krieg, der vor einem Jahr begann.
Viele internationale Organisationen entschieden sich deswegen dazu, die Berichterstattung aus dem Land einzustellen, so der Guardian. Die verbliebenen Medien, die weiterhin berichteten, taten dies laut AP unter einer strengen Zensur. Die Sprache wurde eingeschränkt und es drohten Strafen, sollte der Regierung widersprochen werden.
Nach Angaben von Reporters without Borders (dt. Reporter:innen ohne Grenzen) wurden auch Journalist:innen angegriffen, die aus der Ukraine berichteten. Acht von ihnen wurden in den ersten sechs Monaten des Krieges getötet.
Evan Gershkovich: Nicht der erste Journalist, der in Russland festgenommen wurde
In der Vergangenheit kam es bereits zu einigen Verhaftungen und sogar Einreiseverboten von US-Bürger:innen durch russische Behörden. Oft waren die Begründungen übertrieben oder fragwürdig. Am 17. Februar 2022, kurz vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, verhafteten die russischen Behörden die WNBA-Spielerin Brittney Griner, nachdem in ihrem Gepäck Vape-Patronen mit einer geringen Menge Haschisch-Öl gefunden worden waren, wie The Independent berichtete.
Griner bekannte sich später der Drogenvergehen schuldig und wurde Berichten der New York Times zufolge zu neun Jahren Haft in einer russischen Strafkolonie verurteilt. Der Fall wurde als politischer Schachzug angesehen, um Druck auf die Vereinigten Staaten auszuüben, die der Ukraine Hilfe zugesagt hatten, so die New York Times und der Council on Foreign Relations. Griner wurde später im Rahmen eines Gefangenenaustauschs mit dem russischen Waffenhändler Viktor Bout freigelassen.
Gershkovich ist der erste Journalist seit über 30 Jahren, der in Russland wegen Spionagevorwürfen inhaftiert wurde. Einem Artikel der New York Times zufolge, wurde Nicholas Daniloff, Reporter für U.S. News & World Report, 1986 während seiner Tätigkeit als Moskau-Korrespondent vom KGB verhaftet. 20 Tage später wurde er im Rahmen eines Gefangenenaustauschs gegen einen vom FBI verhafteten Mitarbeiter der russischen Regierung freigelassen.
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Autorin ist Ikran Dahir. Dieser Artikel erschien am 30. März 2023 zunächst auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Aranza Maier.