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5 absurde Bauprojekte, die zeigen, wie sehr Deutschland Fahrradfahrer:innen verachtet

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Von: Felicitas Breschendorf

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Ein Fahrradfährer, der versucht sich zwischen zwei Autos durchzuschlängeln.
Ganz schön knapp! Passt der Fahrradfahrer hier noch durch? © imago

Die Bundesrepublik muss in puncto Fahrradfreundlichkeit aufholen. Wir zeigen fünf Beispiele, die die klimafreundliche Fortbewegung komplizierter macht, als sie ist.

Deutschland hat den Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) erneut nur mit „ausreichend“ bestanden. Die rund 245.000 Teilnehmenden an der nicht repräsentativen ADFC-Umfrage stellten dem Land mit Blick auf die Fahrradfreundlichkeit lediglich die Note 3,96 aus, wie der Verein am Montag (24. April 2023) mitteilte. Seit dem vorigen Fahrradklimatest vor zwei Jahren hat sich die Stimmung damit tendenziell sogar verschlechtert (damaliges Ergebnis: 3,93).

Auch die Großstädte haben weiterhin Nachholbedarf, wie aus den Ergebnissen der Umfrage hervorgeht, die der ADFC alle zwei Jahre durchführt, um die fahrradfreundlichsten Städte und Gemeinden in Deutschland zu küren. Viele Radfahrer:innen fühlen sich unsicher. Sie kritisieren zu schmale Radwege, zu viele auf Radstreifen parkende Autos sowie Unfallgefahren an Baustellen.

42 Prozent aller Deutschen kritisieren zu wenig Sicherheit für Radfahrer:innen

Zu wenig Sicherheit für Radfahrer:innen kritisieren auch 42 Prozent aller Deutschen laut einer Studie des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos an. Nur jeder Fünfte entscheide sich für das Fahrrad als Verkehrsmittel. Ipsos sieht darin einen Zusammenhang – umso weniger Sicherheitsbedenken, umso höher sei in einem Land auch die Fahrradnutzung. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) in Baden-Württemberg forderte deswegen pünktlich zum Weltfahrradtag vergangene Woche sicherere Radwege. Und damit liegt er nicht in Deutschland gar nicht so falsch, denn hier werden Fahrradwege oft so absurd geplant, dass man sich fragt, wer sich das überlegt hat.

Nicht nur für das Klima ist Fahrrad fahren gut – auch wenn Spritpreise trotz Tankrabatt, der an Tankstellen für Schlangen sorgen könnte, weiter steigen, lohnt es sich, das Rad zu nehmen. Mehr als die Hälfte der Deutschen wünscht sich laut Ipsos, dass das Fahrrad bei neuen Verkehrsprojekten gegenüber dem Auto Priorität haben sollte. Vergangene Bauprojekte für Fahrräder zeigen jedoch ein anderes Bild: Skurrile Baupläne, massenhaft verschwendete Steuergelder – bis hin zu Fahrradwegen, die ohne Grund entfernt werden. Hier sind fünf bescheuerte Bauprojekte in deutschen Städten, die das Fahrradfahren nicht einfacher, sondern schwerer machen.

1. Baden-Württemberg: Gefährliche Brücke fürs Fahrrad fahren

Mit dem Fahrrad über eine Brücke zu fahren, ist nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt, nämlich wenn die Brüstung 1,30 Meter hoch ist. Die Pliensaubrücke in Esslingen (Baden-Württemberg) war jedoch 90 Zentimeter hoch. Egal, dachte sich die Stadt noch im Jahr 2011 und baute mitten auf der Brücke einen Fahrradstreifen, berichtete der Bund der Steuerzahler (BdSt). Wer links und rechts genügend Platz habe, würde schon nicht in den Neckar fallen. Nicht ungefährlich, ging aber neun Jahre lang gut.

Vor zwei Jahren habe man dann aber eine Prüfung durchgeführt und festgestellt: Das geht so nicht! Kurzzeitig sei die Brücke für Fahrradfahrer:innen gesperrt gewesen. Später seien für 7.600 Euro Bauzäune an den Rand der Brüstung gestellt worden, die die Brücke gefährlich verengten, berichtete der BdSt. Erst seit März 2021 existiert dort nun ein echtes Geländer – hat nur schlappe 115.000 Euro gekostet und zehn Jahre gedauert.

2. Hamburg: Ein Fahrradparkhaus, in das man nicht reinfahren kann

Das leere Farradparkhaus in Hamburg.
Das Fahrradparkhaus in Hamburg steht laut dem Bund der Steuerzahler fast immer leer. © Hanno Bode/ imago

In Hamburg wurde vor einem Jahr ein öffentliches Parkhaus für Fahrräder gebaut. Das Problem: Die Einfahrt fehlt. Wie die Sendung extra 3 berichtet, gibt es auf der Straße keine Spur, die zu dem Parkhaus führt. Fahrradfahrer:innen müssten sich stattdessen gefährlich knapp an Bussen und Autos vorbeiquetschen. In das Fahrradparkhaus hinein kommt man nur über eine viel zu schmale Rampe – die Treppen hochtragen möchte man sein Fahrrad ja eher nicht.

Das Fahrradparkhaus werde auch Monate nach dem Bau kaum genutzt – obwohl es drei Millionen Euro Steuergelder gekostet habe, wie der BdSt berichtete. Die Behörde für Verkehrs- und Mobilitätswende in Hamburg teilte extra 3 mit, dass ein Fahrstuhl im Fahrradparkhaus sowohl baulich als auch wirtschaftlich „keinen Sinn“ machen würde. Die Stadt Hamburg plant nach Angaben vom Bund der Steuerzahler trotzdem weitere Fahrradparkhäuser.

4. Osnabrück: Im Slalom über den Radweg

Ein Radweg in Osnabrück ist zugebaut mit Pollern. Die weiß-rot-gestreiften Pfeiler wurden mitten in den Weg gebaut, wie in einer weiteren Folge von extra 3 gezeigt wird. Für Kinder, die diese Wege oft benutzen, sei das besonders blöd, beschwert sich eine Anwohnerin in dem Beitrag. Woran die Stadt bei den Pollern gedacht hat? Natürlich an die Autofahrer:innen.

Weil viele Autofahrer:innen zu einem See in der Nähe des Wegs fahren wollen, würde die Straße zu oft zugeparkt, erklärt der Stadtbaurat Frank Otte gegenüber extra 3. Die Poller sollten diese davon abhalten, am Bordstein zu parken. Nicht einmal in gefährlichen Kurven können die Osnabrücker:innen noch über den Radweg fahren. Fahrrad fahren wurde dort jetzt verboten.

Aufgrund des 9-Euro-Tickets haben es Fahrradfahrer:innen in der Bahn derzeit auch schwer: Der Fahrgastverband wollte wegen des 9-Euro-Ticket Fahrräder in Bus und Bahn verbieten.

3. Niedersachsen: Wer braucht schon Fahrradstreifen fürs „Fahrrad fahren“?

Eine Frau, die auf einem Schutzstreifen fährt.
Die weißen Schutzstreifen erleichtern das Radfahren. In Niedersachsen wurden sie laut dem Bund der Steuerzahler wieder entfernt. © Hoch Zwei Stock/ Angerer/ imago/ BuzzFeed Collage

Schutzstreifen sind Fahrradstreifen, die mit gestrichelter Linie an den Rand der Fahrbahn gemalt werden. Wenn es etwa bei Gegenverkehr notwendig wird, können Kraftfahrer die Linie überfahren – ohne dabei Fahrradfahrer:innen zu gefährden. In Niedersachsen wurden solche Schutzstreifen zwischen 2013 und 2018 im Zuge des bundesweiten Modellprojekts „Schutzstreifen außerorts“ angebracht, wie der BdSt berichtete. Die Strecken in den Landkreisen Northeim und Grafschaft waren bis zu sieben Kilometer lang.

Das Feedback war durchweg positiv, wie die Landkreise dem BdSt mitteilten. Das Bundesverkehrsministerium (BMVI) entschied sich trotzdem dagegen: Es gehe von den Schutzstreifen „keine sicherheitssteigernde Wirkung“ aus, begründet das BMVI. Eine Aufnahme der Schutzstreifen außerorts in die StVO werde daher nicht weiterverfolgt. Die Schutzstreifen mussten also weg – 763.000 Euro kostete es die Steuerzahler:innen, die Markierungen abzufräsen und die Fahrbahndecke wiederherzustellen – viel mehr als sie anzubringen. Ohne die Schutzstreifen ist es für Fahrradfahrer:innen nun wieder gefährlicher, in Niedersachsen auf großen Landstraßen zu fahren.

5. Stuttgart: Fahrradgaragen – aber weit und breit kein Fahrrad

Einen Ort zu haben, um in der Stadt sein Fahrrad abzustellen, ist praktisch. In Stuttgart wurden Ende 2019 aber viel mehr Stellplätze als notwendig installiert. Die Plätze in drei großen überdachten Anlagen sind kostenpflichtig. Beliebt sind sie nicht. Im ersten Jahr wurde eine der Anlagen im Schnitt nur 55 Mal für einen Tag gebucht. Für eine Woche sei sie nur 17 Mal reserviert worden, für einen Monat sogar nur neun Mal. Diese Zahlen hatte die Stadt Stuttgart an den BdSt übermittelt.

Auch an anderen Standorten seien die Einnahmen der Fahrradgaragen gering. Zählt man die bisherigen Einnahmen aus den Vermietungen zusammen, seien es in den ersten zwei Jahren seien es 2.340 Euro gewesen. Wenig, wenn man bedenkt, dass allein der Bau der drei Garagen 662.000 Euro gekostet hat, wie der BdSt berichtet. Solche Bauprojekte machen Fahrrad fahren zwar nicht gefährlicher, aber auch nicht leichter. Anstatt Geld in Fahrradgaragen zu stecken, sollte lieber in sichere Radwege investiert werden, zeigt die Ipsos-Umfrage, die wir zu Beginn des Artikels zitiert haben.

Hier weitere 14 Bauprojekte, bei denen jemand viel zu früh gesagt hat „So, Feierabend“.

Mit Material der dpa.

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