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5 sexistische Dinge, die ich an Fasching erlebt habe

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Von: Felicitas Breschendorf

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Person mit Maske, Mädchen
So sanft wie hier fassen Narren Frauen nicht immer an. (Symbolbild) © Felix Kästle/ dpa

Männliche Hexen schlagen Frauen und stecken sie in Käfige. Wo ist eigentlich der Feminismus beim Fasching geblieben?

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Hinweis: Dieser Artikel thematisiert sexualisierte Gewalt.

An Fasching läuft so einiges schief. Manche Leute tragen Kostüme, die aufgrund von kultureller Aneignung einfach nicht mehr klargehen. Andere betrinken sich besinnungslos (leider auch Minderjährige). Was mich aber am meisten aufregt, ist der Sexismus. Frauen werden an Fasching in manchen Orten wie Vieh behandelt.

Hohe Zahl an Sexualdelikten an Fasching

Ich bin ein richtiges Dorfkind. Das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, liegt im Murgtal: ein Tal im Schwarzwald in Baden-Württemberg. Fasching ist so ungefähr das einzige Event im Jahr, bei dem Jugendliche Spaß haben können. Hier spricht man nicht von Närr:innen, sondern Schlempen. Das Wort kommt von „Schlampe“ – mehr muss ich über die Faschingskultur eigentlich nicht sagen.

Mittlerweile bin ich 26 Jahre alt und wohne in Berlin. Die Zahlen sprechen dafür, dass sich in der Zwischenzeit nicht viel verändert hat: Im vergangenen Jahr gab es nach dem 11.11. in der Karnevalshochburg Köln 15 Strafanzeigen aus dem Bereich der Sexualdelikte, wie t-online berichtet. Das letzte Mal sei die Zahl im Jahr 2018 so hoch gewesen.

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1. Das ewige Anbaggern an Fasching

In meinem und den umliegenden Dörfern beginnt Fasching schon Wochen vor dem Schmutzigen Donnerstag (in diesem Jahr der 16. Februar 2023). Es gibt einen Brauch, der sich „Schnurren“ nennt und an vier Donnerstagen in Folge stattfindet. In einer Festhalle treten mehrere Faschingsgruppen auf. Hexen, Fabelwesen und Papierschlempen (sie tragen Masken mit Perücken aus Zeitungspapier) wedeln über die Bühne. Verkleidete Menschen singen, schunkeln und tanzen. Mittendrin: 16-jährige Mädchen mit Muttizettel, im kurzen Rock. Kostüm: Discogirl.

Viel mehr als getanzt wird beim „Schnurren“ geflirtet. In der ursprünglichen Faschingstradition war es so, dass die Schlempen die Männer in Masken verführten. Daher kommt auch der weibliche Begriff für die Närr:innen. Um Mitternacht fielen dann die Masken: Die Männer wussten, wer sich um sie bemühte.

Mittlerweile hat sich die Rollenverteilung gedreht: Flirten beim „Schnurren“ bedeutet in der Regel, dass Männer Frauen und eben auch minderjährige Mädchen belästigen. Unangenehm anlabern, betatschen und ähnliches. Gegenüber BuzzFeed News DE sagte ein Sexismusforscher einmal, dass es zwischen Flirten und Sexismus einen „fließenden Übergang“ gäbe. An Fasching gibt es meiner Meinung nach nicht einmal einen Übergang.

2. Konfettibomben und andere Berührungseinladungen an Frauen zur Faschingszeit

Als Teenagerin hatte ich immer tierische Angst, bei Faschingsumzügen in der ersten Reihe zu stehen. Der Grund waren die Hexen. Ich hatte nicht nur Angst, weil die Masken gruselig aussehen. Sondern, weil als Mädchen garantiert war, dass diese dir mit Konfetti wild durch die Haare fahren werden. Es ging mir dabei nicht um meine Frisur. Ich wollte einfach nicht angefasst werden. Die Hexen waren in Wahrheit keine Hexen, sondern meist weiße, alte Männer mit Holzmasken. (Natürlich gab es auch Frauen mit Holzmasken, aber die waren in der Regel nicht so scharf darauf, Frauen zu „ärgern“.)

Wenn du ein junges Mädchen bist, packen dich Hexen mit Sicherheit und schleudern dich im Kreis. Das kann bei einem Umzug über zehnmal passieren. Ob du willst oder nicht. Wenn du dich wehrst, fragen sie dich, was mit dir los ist: „Verstehst du keinen Spaß?“ Hätte ich damals mehr Mut gehabt, hätte ich gerne gesagt: Nur weil ich verkleidet bei einem Umzug stehe, ist das keine Einladung, mich anzufassen.

Auch wenn du nicht berührt wirst, wirst du als Frau nicht in Ruhe gelassen. Mit sexistischen Sprüchen von Narren kannst du rechnen. „Catcalling“ ist auf Umzügen an der Tagesordnung.

4. Männer mit Holzmasken schlagen an Fasching Frauen mit Saublasen

Saublase
So sieht eine Saublase aus. © Felix Kästle/ dpa

Oft blieb es nicht bei Konfetti. Im Murgtal gibt es bei Umzügen sogenannte Saublasen. Eine Saublase ist die Harnblase von einem Schwein. Mit Luft gefüllt sieht sie aus wie ein Luftballon. So eine Saublase hing also an Stöcken, die die Närr:innen in der Hand trugen.

Wenn du dir schon mal mit einem Luftballon über den Arm gerieben hast, weißt du, dass das ein unangenehmes Gefühl ist. Es quietscht förmlich auf der Haut. Saublasen sind nochmal schlimmer. Sie klatschen härter. Es war nicht selten, dass Narren Frauen mit Saublasen schlugen.

3. Während Faschings-Umzügen werden Frauen in Käfige gesteckt

Noch viel schlimmer als angefasst oder von einer Saublase erwischt zu werden, war meine Angst, mitgenommen zu werden. Ein Umzugswagen ist ja sowieso eine Sache für sich. Durch die Sächsischen Schweiz fuhr kürzlich sogar ein rassistischer und queerfeindlicher Umzugswagen. In meinem Dorf gab es problematische Wägen der anderen Art: Wägen, auf denen Käfige gebaut sind: Kleine Kästen mit Stäben aus Holz, aus denen du – einmal eingesperrt – ernsthaft nicht mehr rauskommst.

Es war üblich und wurde nie hinterfragt, dass Hexen (Reminder: weiße Männer mit Holzmasken!) Frauen mitnehmen. Sie packten sie, trugen sie einmal quer über die Straße und steckten sie in die Käfige. Die Frauen mussten dann darin sitzen und bis zum Ende des Umzugs mitfahren. Alle Faschingsbesucher:innen haben beobachtet, wie sie im Käfig saßen. Mit zerfetzten Haaren und verschmierter Schminke, weil der ganze Frauendiebstahl wenig sanft abgelaufen ist.

Rhöner Maskenfastnacht
Unter der Holzmaske ist kaum erkennbar, um wen es sich handelt. © Daniel Vogl/ dpa

5. Übergriffe von Männern in Holzmasken

Bei all den Übergriffen gibt es ein Problem: Die Holzmasken, hinter denen die Männer stecken, macht es unmöglich, sie zu identifizieren. Holzmasken machen für einige Menschen den Reiz an Fasching aus. Auch ich kann mir einen Umzug nicht ohne sie vorstellen. Trotzdem: Für Frauen sind Holzmasken eine Gefahr – für übergriffige Narren sind sie ein Schutz.

Es ist Zeit, dass sich 2023 etwas ändert. Wir brauchen feministisches Fasching.

Wenn du als Frau sexualisierte Gewalt erlebt hast, kannst du dich beim Hilfetelefon des Bundesamts für Familie melden: 08000 116 016. Für alle Geschlechter ist auch diese Nummer gegen sexuellen Missbrauch hilfreich: 0800 22 55 530.

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