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Femcels hassen Männer und vor allem sich selbst – was daran gefährlich ist

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Von: Felicitas Breschendorf

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Viele Femcels brauchen eigentlich psychotherapeutische Hilfe, sagt Expertin. (Symbolbild) © IMAGO/Yosuke Tanaka/AFLO

In Femcel-Foren herrscht „toxische Stimmung“ gegen Männer. Aber warum? Diese Frauen haben oft sexuelle Gewalt oder Mobbing erlebt, sagt eine Expertin.

Hinweis: Dieser Artikel thematisiert sexuelle Gewalt, Selbstverletzung und Traumata.

Incels und ihr Frauenhass auf Social Media sind schon länger medial bekannt. Incels sind Männer, die eine Abneigung gegen Frauen haben, weil sie von ihnen angeblich keine Anerkennung bekommen. Sie behaupten, unfreiwillig im Zölibat zu leben. Noch weniger bekannt ist, dass es auch eine weibliche Version der Incels gibt: die Femcels. Also Frauen, die ebenfalls kein Sex haben und nicht daten, sowie Männer hassen. Aber woher kommt dieser Hass? Und wie gefährlich ist die Femcel-Bewegung? Wir haben die Medienethikerin Claudia Paganini gefragt.

Ähnlich wie die Incels organisieren sich Femcels in Online-Foren. Viele werden immer wieder gesperrt und neu eröffnet. Aktuell gibt es auf Reddit zum Beispiel r/FemcelsDatingStrategy oder r/Pinkpill_Philosophie. „Niemand interessiert sich jemanden von diesen Psychopathen zu daten“, schreibt eine Userin, wahrscheinlich über Männer.

Oder auch:

Die Femcels tauschen sich, wie Metro berichtet, über die drei folgenden Feindbilder aus:

Frauenfeindlichkeit, die man eher von Influencern wie Andrew Tate, der auf Social Media gesperrt wurde, kennt, geht in der Femcel-Community auch von Frauen aus.

Viele Femcels „akzeptieren, unattraktiv zu sein, obwohl sie gar nicht unattraktiv sind“

Warum entscheiden sich Frauen, ein Femcel zu sein? „Viele der jungen Frauen fühlen sich abgewertet aufgrund ihres Aussehens. Sie haben Erfahrung mit sexueller Gewalt oder Mobbing gemacht“, sagt Paganini gegenüber BuzzFeed News DE. Sich den Femcels anzuschließen, sei eine Reaktion darauf. Ihren Schmerz kanalisierten die Frauen mit einem gemeinsamen Hass gegenüber Männern. Aber auch gegenüber dem eigenen Selbst. Statt mehr Selbstliebe zu gewinnen, nehmen sie sich laut Paganini quasi ihr angebliches Schicksal an. „Sie akzeptieren, unattraktiv zu sein, obwohl sie gar nicht unattraktiv sind.“

Femcels steigern sich mit Online-Kommentaren gegenseitig in ihren Selbsthass hinein, sagt die Medienethikerin gegenüber BuzzFeed News DE. „In den Femcel-Foren werden die Frauen immer tiefer in ihre selbstgeschaffene Opferrolle hineingezogen.“ Aber nicht nur das: Viele Femcels verletzen sich laut Paganini selbst. „Sie sollten stattdessen gute psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Sonst können sie ihr Trauma zwar eine Zeit lang kompensieren, indem sie Zuspruch von anderen Personen bekommen. Die Verletzungen können jedoch nicht heilen.“

Wenn du selbst sexuelle Gewalt erlebt hast, kannst du bei der Hilfenummer des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Anliegen anrufen: 08000 116 016.

„Femcels wehren sich dagegen, dass Frauen von Männern objektiviert werden“

Die Femcel-Bewegung kann Frauen nicht nur schaden, sondern nach Angaben von Paganini auch self-empowerend sein. Tatsächlich sei die Bewegung in Teilen sogar feministisch. Frauen entscheiden sich dann nicht aus persönlichen, sondern politischen Gründe, eine Femcel zu sein. „Femcels wehren sich dagegen, dass Frauen von Männern objektiviert und sexualisiert werden“, sagt Paganini. Diese Femcel-Aktivistinnen, wie Paganini sie nennt, richten sich auch gegen sexistischen Kommentare im Netz.

Gegenüber BuzzFeed News DE hat auch ein Männlichkeitsforscher schon eine Einschätzung zu Sexismus und Flirten im Netz gegeben.

Sind Femcels eine Gefahr für sich und andere?

Incels werden mit Femiziden und Amokläufen in Verbindung gebracht. Elliot Rodger, der in Santa Barbara sechs Menschen tötete, schrieb sich laut der Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes den Incels zu. Bei den Femcels sind laut Paganini bisher keine solchen Fälle bekannt. Nicht destotrotz ist die Femcel-Bewegung laut Paganini nicht ungefährlich. „In den Femcel-Foren herrscht oftmals toxische Stimmung. Wenn zum Beispiel Frauen mitteilen, dass sie doch ein Date hatten, werden sie virtuell gelyncht“, sagt Paganini.

Oft eiferten sie darum, wer die bessere oder radikalere Femcel sei. Besonders für die Frauen in den Gruppen, die bereits Mobbing erlebten, habe das Folgen: Sie werden laut Paganini durch das feindliche Verhalten der eigenen Gruppe retraumatisiert. Dabei sei den Personen, die solche frauenfeindliche Kommentare schreiben, oftmals gar nicht bewusst, was sie damit auslösen, weil sie ihre eigenen Traumata abarbeiteten.

Nicht für jede Frau innerhalb der Femcel-Community sei die Teilnahme gefährlich. „Das hängt von der Frage ab: Wie frei bin ich in der Entscheidung, dort mitzumachen?“ Sind Femcels politisch motiviert, sei die Teilnahme weniger problematisch als wenn es eine Person traumatisiert sei. „Es wäre wünschenswert, wenn es in Femcel-Foren Hilfsangebote zur Psychotherapie gäbe“, sagt Paganini gegenüber BuzzFeed News DE. Ein Pilotprojekt des Kriseninterventionsdiensts habe jedoch gezeigt, dass es nicht einfach sei, Psychotherapeut:innen in Internet-Foren einzuschleusen.

In Femcel-Foren gibt es Rassismus, Transphobie und Homophobie

Internet-Foren sind leider schwer zu filtern oder moderieren. Die Art und Weise, wie die Femcel-Community funktioniert, ziehe problematische Personen besonders stark an. „EIne Gemeinschaft, die sich über Schmerzerfahrung und Ausgrenzung definiert, ist eine Spielwiese für Menschen, die einfach nur destruktiv sein wollen“, sagt die Medienethikerin.

In Chats von Femcels gelangen laut Paganini teilweise rassistische Ausdrücke. Laut einer Recherche der österreichischen Online-Zeitung Krone werfen sich Nutzer:innen in Femcel-Reddit-Foren auch Transphobie, Homophobie und rechtsextreme Verschwörungstheorien vor. Auf Reddit sind zwei ehemals große Femcel-Foren r/femcel und r/truefemcels deshalb bereits gesperrt.

Femcel-Szene auf TikTok sei „insgesamt freundlicher“

Die Femcel-Szene gibt es auch auf TikTok. Unter dem Hashtag #Femcel oder #Femcelcore wehren sich Frauen gegen Sexismus und toxisches Verhalten von Männern. Die gibt es auf TikTok nämlich auch, so zum Beispiel die Männer, die so sein wollen, wie der frauenverachtende Charakter Patrick Bateman aus „American Psycho“. „Wenn du Frauen mit Respekt behandelt, bist du eine einfältige Person. Wenn du es nicht tust, bist du respektlos. Willkommen in dieser Generation“, schreibt die Femcel-Aktivistin und TikTokerin @frizzyimposter.

Andere TikTokerinnen zeigen ihren Alltag als Femcel. @melanie.courtinat filmt zum Beispiel, wie sie alleine und von Chaos umringt vor dem Computer sitzt. Eine Gefahr geht von solchen TikTok-Videos nach der Einschätzung der Medienethikerin nicht aus. „Auf TikTok ist die Szene insgesamt freundlicher. Femcel-sein ist hier ein Lifestyle-Thema“, sagt sie.

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