Über 400.000 Geflüchtete: Grafik zeigt, wo Menschen aus der Ukraine in Deutschland unterkommen

Der Ukraine-Krieg führt zu einer massiven Fluchtbewegung, deren Ziel oft Deutschland ist. Wo kommen Geflüchtete aus der Ukraine bei uns unter? Ein Überblick.
Es sind Zahlen, die nahe an die Dimensionen der Fluchtbewegungen von 2015 und 2016 herankommen. Bis heute, dem 4. Mai, wurden über 400.000 Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland amtlich festgestellt. Zum Vergleich: Im gesamten ersten Jahr der sogenannten „Flüchtlingskrise“ (2015) baten etwa 476.000 Menschen hierzulande um Asyl, wie der Mediendienst Integration auf seinen Seiten ausführt. Sollte der Ukraine-Krieg also noch länger andauern, werden die Zahlen von damals womöglich noch übertroffen. (Allerdings kamen 2016 mit über 745.000 noch deutlich mehr Geflüchtete nach Deutschland.)
Diese Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, da nicht alle geflüchteten Ukrainer:innen in Deutschland registriert sind. Im Zweifel sind es also tatsächlich mehr, die hier Zuflucht suchen. So oder so stellt der Zustrom an Schutzsuchenden aus der Ukraine eine Herausforderung dar, auch wenn sie im Großen und Ganzen besser bewältigt wird als 2015/2016. Die Behörden haben aus der damaligen Zeit gelernt.
Geflüchtete aus der Ukraine bekommen leichter legalen Aufenthaltsstatus
Es gibt einen wesentlichen Unterschied zur „Flüchtlingskrise“ von 2015: Anders als die vielen Syrer:innen, Afghaner:innen und Iraker:innen damals dürfen die Geflüchteten aus der Ukraine heute ohne Visum legal einreisen und werden sehr unproblematisch als Flüchtlinge anerkannt. Das bedeutet, sie müssen kein kompliziertes Asylverfahren durchlaufen, sondern bekommen automatisch einen legalen Aufenthaltsstatus (genannt: „vorübergehender Schutz“). Dieser kann auf bis zu drei Jahre ausgedehnt werden, wie der Mediendienst Integration ausführt.
Eine Konsequenz dieser Ausnahmeregelung: Die Ukrainer:innen müssen nicht erst über Wochen oder Monate in Aufnahmezentren untergebracht werden, wo sie auf den Abschluss ihres Asylverfahrens warten. Sie dürfen von Beginn an wohnen, wo sie wollen, und müssen nicht einmal registriert werden. Da die Ausnahmeregelung des „vorübergehenden Schutzes“ für die gesamte EU gilt, können sie beispielsweise nach Polen flüchten und von dort weiter nach Deutschland reisen. Sie brauchen dafür weder Visum noch Registrierung. Vor kurzem kritisierte das Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen, dass ukrainische Geflüchtete gerade bei Unterkünften vorteilhaft behandelt werden.
Fluchtziel Nummer eins: Deutschlands Großstädte - zeigt auch eine Grafik
Den Weg von Polen nach Deutschland haben viele Ukrainer:innen ganz gezielt genommen, wie eine Umfrage des Bundesinnenministeriums von Ende März ergab. 82 Prozent der befragten ukrainischen Geflüchteten gaben an, dass sie speziell nach Deutschland wollten. Die Mehrheit von ihnen (42 Prozent) zog es in die großen Städte des Landes, allen voran nach Berlin (14 Prozent), mit weitem Abstand gefolgt von München und Hamburg (5 beziehungsweise 3 Prozent). Für die Großstädte spricht in der Regel, dass man dort Freunde oder Verwandte hat oder sich Erfolg bei der Arbeitssuche erhofft.

„Die meisten Ukrainer kennen nur die großen Städte, deshalb wollen sie dorthin“, erklärt Holger Liljeberg gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Er arbeitet für das Forschungsinstitut Info, das die Umfrage durchgeführt hat. Die Großstädte werden folglich geradezu überrannt, in Berlin kamen zeitweise jeden Tag 10.000 ukrainische Geflüchtete am Hauptbahnhof an. (Hier geben wir einen Eindruck davon, in welchen Massen die Menschen zu Beginn des Krieges aus Kiew flohen). Mittlerweile erhalten 42.000 von ihnen in der deutschen Hauptstadt Sozialleistungen, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet.
Sehr viele kommen privat unter – aber nicht alle
Ein weiterer Unterschied zum Fluchtsommer 2015/2016: Laut Bundesinnenministerium sind die überwältigende Mehrheit der Schutzsuchenden aus der Ukraine, nämlich 84 Prozent, Frauen, von denen die meisten mit Kindern unterwegs sind. Das dürfte erklären, dass ein Großteil von ihnen in privaten Haushalten unterkommt. 65 Prozent wohnen laut der zitierten Umfrage des Bundesinnenministeriums bei Freunden, Verwandten oder anderen hilfsbereiten Menschen vor Ort.
Ein kleiner Teil (7 Prozent) landet aber weiterhin in einem mehr oder weniger provisorischen Auffanglager. Und schon diese vergleichsweise geringe Zahl bringt die staatliche Infrastruktur an ihre Kapazitätsgrenzen. Im März mussten mehrere Bundesländer Notunterkünfte einrichten und ihre regulären Aufnahmekapazitäten ausbauen. Und der Bedarf besteht stellenweise weiterhin, wie Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen der Süddeutschen Zeitung erklärt: Viele Geflüchtete seien „immer noch sehr notdürftig untergebracht – in voll belegten Unterkünften und in Notunterkünften.“
Geflüchtete aus der Ukraine kommen immer „traumatisierter“ in Deutschland an
Anderswo jedoch macht sich der deutliche Rückgang der Zahlen bemerkbar. Mittlerweile kommen nur noch rund 2.000 ukrainische Geflüchtete täglich nach Deutschland, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser Ende April bestätigte. In Berlin stehen sogar Notunterkünfte leer. Dafür gibt es nun andere Probleme. „Es kommen weniger Menschen, aber dafür sind sie deutlich älter, kränker und auch sichtbar traumatisierter“, gibt die Direktorin des Berliner Caritasverbandes Ulrike Kostka gegenüber der Süddeutschen Zeitung zu bedenken. Deutschland steht also weiterhin vor Herausforderungen, was ukrainische Schutzsuchende angeht.