Friedrich Merz „widerspricht sich selbst“, wenn er mehr Menschen abschieben will
CDU-Chef Friedrich Merz fordert, mehr abgelehnte Asylbewerber:innen abzuschieben, will gleichzeitig aber auch mehr Fachkräfte. Für Pro Asyl ist das ein „bewusstes Zündeln“.
Seit vergangener Woche gibt es heftige Diskussionen über die Migrationspolitik der Ampel-Regierung. Besonders die Union (CDU/CSU) und der Parteivorsitzende Friedrich Merz (CDU) befürchten eine „Einwanderung in die Sozialsysteme“, was die Jungen Liberalen als „hochnotpeinlich“ bezeichneten. Jetzt äußerte sich der CDU-Chef Merz zum Thema Rückführung und forderte, mehr abgelehnte Asylbewerber:innen abzuschieben. Pro Asyl bezeichnet seine Aussagen gegenüber BuzzFeed News DE als ein „bewusstes Zündeln“ gegen die Bundesregierung.
Friedrich Merz fordert mehr Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerber:innen
Die Ampel-Regierung stellte in den vergangenen Tagen ihr Pläne zum Thema Migration vor. Menschen sollen in Deutschland schneller die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten und es soll es das sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht geben. Von dem sollen gut integrierte Ausländer:innen profitieren, die schon mehrere Jahre ohne gesicherten Status in Deutschland leben. Wer zum Stichtag fünf Jahre im Land lebt und nicht straffällig geworden ist, bekommt den Plänen zufolge 18 Monate Zeit, um die Voraussetzungen für einen langfristigen Aufenthalt zu erfüllen.
Politiker der Union warnten immer wieder davor, dass die deutsche Staatsbürgerschaft mit den Migrations-Plänen der Ampel entwertet werde. Merz fordert am Donnerstag, 1. Dezember 2022, zudem mehr Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerber:innen. Laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) sagt er: „Die Bundesregierung hat den Bürgerinnen und Bürgern eine Rückführungsoffensive versprochen.“ Es brauche beides: gezielte Einwanderung in den Arbeitsmarkt und Rückführung derer, die in Deutschland keine Perspektive haben.

„Je länger diese Menschen hier sind, desto absurder wird eine Abschiebung“
Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin bei Pro Asyl, bezeichnet diese Aussagen von Merz gegenüber BuzzFeed News DE als „bewusstes Zündeln“. Ausreisepflichtige Menschen, von denen es laut Spiegel zuletzt etwa 297.000 in Deutschland gegeben habe, seien meist Geduldete, die im Asylschutzverfahren aufgrund sehr strenger Kriterien keinen Schutzstatus bekommen hätten.
Viele dieser ausreisepflichtigen Menschen kommen aus Ländern wie Afghanistan. „Auch Merz dürfte hoffentlich klar sein, dass man diese Menschen nicht zu den Taliban abschieben kann“, sagt Judith. Auch queere Afghan:innen suchen Schutz in Deutschland. Gesundheitliche Beschwerden seien manchmal ein Grund, warum Ausreisepflichtige gar nicht in der Lage seien, auszureisen. Genauso wie familiäre Probleme, oder die Tatsache, dass das Herkunftsland die Abschiebung nicht akzeptiere.
Manche der Geduldeten seien seit fünf Jahren hier, ohne die Möglichkeit, arbeiten zu können, sagt Judith. „Je länger diese Menschen hier sind, desto absurder wird eine Abschiebung.“ Sie hätten sich hier ja unter schwersten Bedingungen ein neues Leben aufgebaut. Das Chancen-Aufenthaltsrecht der Ampel gehe Pro Asyl zwar nicht weit genug, aber es sei „der richtige Grundgedanke, um diesen Menschen eine Chance zu geben.“
Friedrich Merz geht es „nur darum, Druck auf die Regierung aufzubauen“
Dass Merz gleichzeitig sagt, Deutschland sei längst ein Einwanderungsland, „und wir brauchen viele Menschen, die bei uns arbeiten wollen“, findet Judith bezeichnend. „Merz widerspricht sich selbst: Er möchte einerseits mehr Fachkräfte, andererseits Geduldete schneller abschieben. Es geht ihm nur darum, Druck auf die Regierung aufzubauen und ein Gegen-Narrativ zur Ampel-Koalition zu sein.“
Interessanterweise ignoriere der CDU-Chef dabei völlig, was Unternehmen wirklich wollten, so Judith gegenüber BuzzFeed News DE. Denn diese würden auch davon profitieren, dass man den Menschen, die sowieso schon da sind, eine Chance gibt. „Ikea zum Beispiel hat sich uns angeschlossen und setzt sich dafür ein, dass Menschen leichter aus der Duldung herauskommen und Arbeit finden.“
Judith versteht nicht, wie Merz von Menschen sprechen kann, die in Deutschland keine Perspektive haben. „Perspektiven ergeben sich, wenn es den Menschen ermöglicht wird.“ Wer arbeiten oder eine Ausbildung machen dürfe und Sprachkurse besuche, könne auch Perspektiven entwickeln. „Das Problem ist, dass grade unter der CDU-Regierung Ausländer:innen immer wieder Steine in den Weg gelegt wurden.“
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