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Rassismus-Vorwurf: Sophie Passmanns Twitter ist nach Interview-Shitstorm offline

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Von: Jana Stäbener

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Sophie Passmann auf der Leipziger Buchmesse 2019
Sophie Passmann bekommt negatives Feedback auf ihr neustes Interview mit der Zeitschrift „Annabelle“. (Archivbild) © Jens Kalaene/dpa

In einem Interview kritisiert Sophie Passmann, dass diskriminierte Personen ganze Gruppen repräsentieren und bekommt Kritik auf Twitter. Jetzt ist ihr Twitter-Account offline.

Update vom 26. Juli, 10:15 Uhr: Nachdem das Interview von Sophie Passmann mit Annabelle vergangene Woche einen Twitter-Shitstorm ausgelöst hat, ist Sophie Passmanns Twitter jetzt offline. Wie Spiegel berichtete, hatte die Autorin und Moderatorin dort zuletzt 200.000 Follower:innen. Am 19. Juli entschuldigte sie sich für ihre Aussagen wie die, dass der „Erkenntniswert gleich null“ sei, wenn Medien sich für die Repräsentation bestimmter Themen wie Rassismus immer nur spezifische Personen suchen würden, die dann für eine große Gruppe sprechen.

Sie kritisierte in ihrer Entschuldigung auf Instagram jedoch auch den Umgang mit ihrer Person auf Twitter – die „Hetzjagd“, die unter Feminist:innen auf sie gestartet wurde. Schon im Interview sprach sie davon, dass sie sich von Twitter „aus psychohygienischen Gründen etwas zurückgezogen“ habe. „Die Irrelevanz des deutschsprachigen Twitters hat mich einfach zunehmend aufgeregt“, so Passmann. Die Deaktivierung ihres Twitter-Accounts (siehe Screenshot unten) scheint für sie jetzt eine logische Konsequenz zu sein.

Sophie Passmann hat ihren Twitter-Account offline gestellt.
Sophie Passmanns Twitter-Account scheint offline zu sein. © Screenshot Twitter

Update vom 20. Juli, 10:20 Uhr: Sophie Passmann äußerte sich zu der Kritik an ihrem Interview mit dem Online-Magazin Annabelle. Auf Instagram schrieb sie am Dienstagvormittag (19. Juli) drei Absätze unter einem Post, in dem sie Ausschnitte aus dem Interview geteilt hatte. Passmann entschuldigt sich für die Passage, in der sie laut eigenen Worten die „Daseinsberechtigung Schwarzer Medienschaffender, die sich gegen Rassismus aussprechen, geschmälert oder sogar negiert“ habe. Sie habe einige Gespräche mit Schwarzen Kolleginnen gebraucht, um zu verstehen, warum diese Worte so viele andere Feministinnen verletzt hätten. „Mir tut es sehr leid, dass diese Passage missverständlich war, das war nämlich mein Fehler“, schreibt die 28-Jährige auf Instagram.

Sie sei leichtfertig mit dieser Aussage umgegangen, teils auch, weil sie die Thematik nicht betreffe. „Wieso das so war, kann ich bisher nur erahnen und werde darüber in den kommenden Wochen nachdenken“, reflektiert sie. Neben ihrer Entschuldigung äußert Passmann jedoch auch Kritik am „restlichen Auseinanderpflücken dieses Interviews“. Es sei schamlos und für die meisten „relativ offensichtlich schlicht mit der großen Freude darüber passiert, sich endlich mal so richtig lustig machen zu können über mich“, so Passmann. Und das sei problematisch, denn es wurde sichtbar, dass sich „misogyne Arschlöscher“ nur die Hände reiben. „Konservative Wichser haben mich öffentlich gelobt, nicht, weil sie mich oder mein Interview mochten, sondern weil sie wissen, dass das noch mehr für das sorgt, das sie ja so gerne sehen: Frauen, die andere Frauen öffentlich heruntermachen.“

Damit beziehe sie sich nicht auf die Kritik zu Beginn – sondern auf den Shitstorm, der danach kam. Sie werde noch lange über den Fehler, der ihr in diesem Interview passiert sei, nachdenken. Trotzdem appelliere sie an alle anderen Feminist:innen, dass sie sich gemeinsam mit ihr wieder daran erinnern, „dass der Fein ganz woanders steht“. Sie beendet ihr Statement mit der Aussage: „Wenn ihr ehrlich denkt, ich bin der Feind, dann, ja dann, kann ich euch auch nicht helfen. Danke, Schwestern.“

Erstmeldung vom 19. Juli 2022, 15:45 Uhr: Die Autorin, Moderatorin und Influencerin Sophie Passmann musste sich auf Twitter die vergangenen Tage einen heftigen Shitstorm gefallen lassen. Seit Sonntag trendete der Name der 28-Jährigen immer wieder auf Twitter. Der Grund: Das Online-Magazin Annabelle hatte am Freitag ein Interview mit der Autorin veröffentlicht. In diesem Interview geht es sowohl um Passmanns neue Rolle in der Serie „Damaged Goods“ auf Amazon Prime, als auch um Eitelkeit und darum, dass „Sprache Wirklichkeit schafft“. Doch was soll das überhaupt bedeuten? BuzzFeed News Deutschland versucht, zu erklären, warum das Interview solch einen Shitstorm auslöste.

Sophie Passmanns Interview: Über Feminismus, Repräsentation und Antirassismus

Im Interview mit der Journalistin Julia Friese führt Passmann genauer aus, was sie mit der Aussage meint. „Im Internet geht es darum, dass man dabei gesehen wird, wie man als Person eine Sache repräsentiert. Was nur dazu führt, dass die bestehenden Strukturen weiter zementiert statt dekonstruiert werden“, sagt sie. Dabei bezieht sie sich sowohl auf Feminismus, so wie diese 8 feministischen Accounts, die deinen Instagram-Feed nur bereichern werden, als auch Rassismus.

Sie fährt fort: „Wenn Redaktionen im Namen des Antirassismus eine Schwarze Frau zum vermeintlichen Sprachrohr von rassistischen Erfahrungen in Deutschland machen, führt das dazu, dass wieder nur ein Standard reproduziert wird: Wer spricht am lautesten, am funkiesten in ein Interview-Mikrofon hinein? Ohne dabei irgendetwas gegen Rassismus getan zu haben.“ Sie habe sich deswegen vor Jahren schon aus dem „Politik-Scheiß“ herausgezogen, sagt sie der Annabelle.

Passmann kritisiert, wenn Einzelpersonen sich als Angehörige einer identitätspolitischen Gruppe darstellen und so ungefragt „die ganze Identitätsgruppe in Mithaft“ nehmen. „Da ist meiner Meinung nach der Erkenntniswert gleich null“, so Passmann. Zu Beginn des Interviews sprach sie übrigens selbst darüber, dass sie als Feministin immer glaube, eine bestimmte Gruppe repräsentieren zu müssen. Sie dachte früher immer, so müsse man aussehen, so müsse man es machen – aber das stimme gar nicht, so die Influencerin. Sie wünscht sich mehr Erfahrungen und Fakten in politischen Debatten und weniger reine „Repräsentation“.

„Sag mir, dass du alle Privilegien der Welt hast, ohne dass du mir sagst, dass du sie hast“

Wegen dieser Aussagen hagelt es im Netz nun Kritik an der Feministin, die mit Büchern wie „Alte weiße Männer: Ein Schlichtungsversuch“ oder „Männerwelten“ bekannt wurde. Gerade die Aussage „Ich habe mich deswegen vor zwei Jahren aus dem Politik-Scheiß komplett herausgezogen“, stößt vielen bitter auf. Eine Userin schreibt: „Sag mir, dass du alle Privilegien der Welt hast, ohne dass du mir sagst, dass du sie hast.“

Eine andere Userin findet, Sophie Passmann „hat in diesem Interview mit bürgerlich-akademischer Borniertheit ihre neoliberale, rassistische Ignoranz zum Besten gegeben“. Sie bezeichnet die Haltung der Autorin als „girl-boss-pick-me-white-liberal-women-shit at its best“.

Gelebter Feminismus: Hier schreibt unsere Autorin darüber, warum Spanien für sie als Frau gerade zu einem Traumland wird.

Sophie Passmann selbst „ein alter weißer Mann“? – für Julian Reichelt eine Steilvorlage

Eine andere Person schreibt, Sophie Passmann sei jetzt selbst „ein alter weißer Mann – welch eine Ironie“. Sie spielt damit auf Passmanns Buch an und liefert die Steilvorlage dazu, dass weiße Männer wie Julian Reichelt (Ex-Bild-Chefredakteur) oder Ulf Poschardt (Welt-Chefredakteur) Passmanns Interview mit Begeisterung aufgreifen. Reichelt twitterte am Montag, 18. Juli: „Dass Sophie Passmann zum ersten Mal in ihrem Leben etwas wirklich Kluges gesagt hat, erkennt man daran, wie ihre eigene Bubble jetzt auf sie losgeht und sie zerfleischt.“ Poschardt schreibt nur: „I [Herz] Sophie Passmann“.

Aber warum kritisieren Sophie Passmann so viele Frauen und Rassismus-Aktivist:innen? Vordergründig scheint es darum zu gehen, dass Passmanns Feminismus als „neoliberaler weißer Feminismus“ gesehen wird. Es sei eine „diskriminierenden Form des Feminismus“, schreibt eine Userin, die sich in ihrer Twitter-Bio als „queerfeminist“ bezeichnet. Ein:e andere:r User:in schreibt: „Sophie Passmann verdient Geld mit der Vorarbeit Schwarzer Feminist*innen und wirft diese dann vor den Bus“. Doch was ist damit gemeint?

Kritik an Sophie Passmans Interview: Kein Intersektionaler Feminismus

Die User:innen spielen auf „Intersektionalen Feminismus“ an, ein Begriff, der laut UN Women 1989 von Kimberlé Crenshaw geprägt wurde. Er bedeutet, dass die Stimmen derjenigen besonders schwer wiegen sollten, die neben der Diskriminierung, die sie beispielsweise als Frau erfahren, auch Rassimus, Antisemitismus, Homophobie oder anderem ausgesetzt sind. Sophie Passmann als studierte, weiße, junge und erfolgreiche Frau gehöre nicht zu dieser Gruppe, lebt den intersektionalen Feminismus also nicht vor – so die Kritik.

Da falle es leicht, die Repräsentation einer bestimmten Gruppe als Argument anzuzweifeln. Die berühmte brasilianische Frauenrechtlerin Valdecir Nascimento erklärt intersektionalen Feminismus im Artikel der UN Women so: „Wir wollen nicht, dass andere Menschen für Schwarze Feministinnen reden, weder weiße Feministinnen noch Schwarze Männer. Es ist unerlässlich, dass junge Schwarze Frauen diesen Kampf übernehmen.“ In diesem Artikel erklären wir intersektionalen Feminismus am einfachen Beispiel von Burger und Pizza.

Dass Passmann dies in ihrem Interview mit der Annabelle überging, sei das Hauptproblem, so denken es viele. Auch die Journalistin und Ärztin Gilda Sahebi, die für die Tageszeitung (taz) schreibt. Sie äußert auf Twitter jedoch Bedenken, dass die Kritik an Sophie Passmann in weißen Räumen größtenteils nicht nur nicht geteilt werde, sondern Sophie Passmann dort nur größer mache. „BIPoC-Stimmen sind und bleiben unerheblich“, twittert sie.

Sophie Passmann hat auf Twitter auch einige Unterstützer:innen

Sie scheint damit gar nicht so falsch zu liegen: Neben Kritik an Passmanns Aussagen in der Annabelle, gibt es auch einige Menschen, die der Autorin und Moderatorin Rückenwind geben. Ein paar Nutzer:innen zeigen vor allem Unverständnis, dass Sophie Passmann zum Symbol für etwas wird, das sie nie beabsichtigte. „Selten war es mir peinlicher, auf Twitter aktiv dabei zu sein, als seit dem Shitstorm gegen Sophie Passmann“, schreibt Journalistin Nicole Diekmann. Eine andere Nutzer:in meint: „Man überbietet sich hier gegenseitig im peinlich kleingeistig seinen Senf-Dazugeben“.

Es sei nicht verwunderlich, dass Sophie Passmann zu einem solchen Symbol werde, denn „die Revolution frisst ihre eigenen Kinder“, zitiert ein Twitter-Nutzer einen bekannten Spruch. Der Fall Passmann würde das gerade wieder einmal vor Augen führen, fährt er fort. In diesem Fall sei Passmann nicht „gefressen“, sondern „gecancelt“ worden, so die allgemeine Meinung der Unterstützer:innen Passmanns. „Ich mochte Sophie Passmann schon, bevor sie gecancelt wurde“, schreibt Judith Liere zur Debatte.

Catcalling ist für viele Feminist:innen immer noch ein großes Problem. Hier 19 „Catcalling“-Sprüche, die sprachlos machen – und was du in solchen Fällen tun kannst.

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