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Femizid: Frauenmorde werden oft als „Ehedrama“ verharmlost - das soll sich ändern

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Von: Pia Seitler

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Eine Frau nimmt an einem Protest gegen Gewalt an Frauen teil.
Eine Frau nimmt an einem Protest gegen Gewalt an Frauen teil. © dpa

139 Frauen wurden 2020 von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Forscher:innen gehen jetzt Femiziden in Deutschland auf den Grund.

Die Statistik ist erschreckend: In Deutschland tötet alle drei Tage ein Mann Partnerin oder Expartnerin. In vielen Medien werden die Taten häufig als „Ehedrama“ oder „Beziehungstat“ verharmlost. Forscher:innen vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen und der Universität Tübingen untersuchen nun zum ersten Mal in einer empirischen Studie Femizide in Deutschland.

Deborah Hellmann ist Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW und eine der Leiter:innen der Studie. Sie will, dass Tötungen an Frauen nicht weiter verharmlost werden. „Das ist Mord oder Totschlag und der richtet sich systematisch gegen Frauen“, sagt sie in einem Bericht des SWR.

Was ist ein Femizid?

Femizid meint die Tötung einer Frau oder eines Mädchens wegen ihres Geschlechts. Die Soziologin und Feministin Diane Russell definierte den Begriff bereits im Jahr 1976. Er soll laut Russell verdeutlichen, dass viele Tötungen an Frauen Hassverbrechen sind und extreme Ausdrücke von männlicher Dominanz und Sexismus. Russell nennt dabei insbesondere die Tötungen von Frauen aus Frauenhass und Verachtung und weil sie nicht den patriarchalen Rollenvorstellungen entsprechen und sich der männlichen Kontrolle und Dominanz entziehen. Gewalt gegen Frauen ist auch in Österreich* schon länger ein großes Problem.

Eine empirische Studie zu Femiziden, die verschiedene soziale Kontexte und Motivlagen der Tötungen an Frauen berücksichtige, gebe es für Deutschland bisher nicht, schreiben die Forscher:innen zur Ausgangslage ihrer Studie. In den kommenden drei Jahren wollen sie das ändern. Um Femizide in Deutschland grundlegend zu untersuchen, werden sie Interviews mit Expert:innen führen, die sich in ihrem Job mit Tötungsdelikten an Frauen beschäftigen.

Die Wissenschaftler:innen nehmen sich außerdem 352 Strafverfahrensakten zu (versuchten) Tötungsdelikten an Frauen vor. Dabei fragen sie sich laut SWR: Wie viele davon waren Femizide und welche Rollen spielen finanzielle Umstände oder Alkoholkonsum?

Femizide in Deutschland noch kein eigener Straftatbestand

Die Statistik des Bundeskriminalamts zeigt: 2020 gab es 148.031 Opfer von Gewalt in Partnerschaften. 80 Prozent der Opfer waren weiblich, 139 Frauen haben die Gewalt nicht überlebt. Im November 2020 forderte die Partei „Die Linke“ in einem Antrag, Femizide in Deutschland zu untersuchen und zu bekämpfen. Darin setzte sich die Partei für die Einrichtung einer Beobachtungsstelle ein, die jede Tötung einer Frau in Deutschland erfasst, die Daten tagesaktuell veröffentlicht, jährlich einen Lagebericht zu „Femiziden in Deutschland“ erstellt und eine umfassende Erforschung einleitet, heißt es auf der Seite des Deutschen Bundestags. Der Antrag wurde zurückgewiesen.

In Deutschland ist die Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist, immer noch kein eigener Straftatbestand. Hellmann hoffe laut SWR, dass die Verwendung des Begriffs endlich gebräuchlicher werde. Die Ergebnisse der Studie könnte die Prävention solcher Taten vorantreiben und sich auch auf die rechtliche Einordnung auswirken.

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