Die 33-jährige Rekabi belegte am Sonntag bei den Asienmeisterschaften der International Federation of Sport Climbing (IFSC) in Seoul den vierten Platz. Im Finale kletterte sie mit sichtbarem Pferdeschwanz eine Wand hoch, was gegen die Kopftuch-Pflicht im Iran verstößt.
Das Bild von Rekabi ging im Internet schnell viral. Viele teilten Fotos und Videos von ihr als Symbol der Solidarität mit dem Kampf der Frauen im Land gegen die Kopftuch-Gesetze und das strenge konservative Regime im Iran. Schon seit Monaten finden im Iran Proteste statt, die iranische Frauen mit Stolz und Angst verfolgen.
Mit ein Auslöser für die Proteste im Iran war, der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini in der Obhut der Sittenpolizei. Amini wurde verhaftet, da sie enge Hosen und ein „unangemessenes Kopftuch“ getragen hatte. Als Zeichen des Protests schnitten sich iranische Frauen in der Öffentlichkeit die Haare ab, viele gerieten dabei in Konflikte mit den Polizeikräften. Menschenrechtsgruppen und Nachrichtenagenturen machten unterschiedliche Angaben darüber, wie viele Demonstrant:innen getötet wurden, sodass die tatsächliche Zahl der Todesopfer unklar ist.
„Während der Trauerfeier für Javad Heydari, eines der Opfer der Proteste gegen die Ermordung von #Mehsa_Amini, schneidet sich seine Schwester am Grab ihres Bruders die Haare ab.“
Rekabis Auftritt war der jüngste in einer Reihe von öffentlichen Kritikäußerungen am Iran. Sie beendete den Wettkampf am 16. Oktober. Am 18. Oktober kamen im Internet erste Berichte auf, dass sie verschwunden sei. BBC Persian berichtete (siehe Tweet unten) aus anonymer Quelle, dass Rekabis Telefon und Reisepass beschlagnahmt worden seien, als sie gebeten wurde, sich in die iranische Botschaft zu begeben. Die Sorge um ihren Verbleib wurde dadurch nur größer.
„Breaking: BBC Persian hat erfahren, dass die iranische Sportkletterin Elnaz Rekabi, 33, die ohne islamisches Kopftuch an den Asienmeisterschaften des Internationalen Sportkletterverbandes in #Seoul am Sonntag teilgenommen hat, vermisst wird.“
„Ich bin entsetzt über die Nachricht, dass die iranische Bergsteigerin Elnaz Rekabi ‚vermisst‘ wird, seit sie ohne Kopftuch, als Zeichen des Protests, an einem internationalen Wettbewerb teilgenommen hat. Die führenden Politiker:innen der Welt müssen die Menschen im Iran, die für ihre Freiheit und ihre Rechte kämpfen, stärker unterstützen.“
Vor Rekabis Rückkehr sagte ihr Bruder Davoud Rekabi in einem Gespräch mit der staatlich ausgerichteten Nachrichtenagentur Tasnim, „man habe die Situation ausgenutzt“. „Meine Schwester ist ein Kind des Iran und wird immer im Trikot der Nationalmannschaft spielen“, sagte er. In einigen Berichten, wie unter anderem von Iranwire, wurde darauf hingewiesen, dass er verhaftet worden sei. Es ist demnach unklar, ob er zu diesen Äußerungen gedrängt wurde.
Am Mittwoch bestätigte die International Federation of Sport Climbing (IFSC), dass sich Rekabi bei ihrer Familie in Teheran befindet. Bei ihrer Landung wurde sie von ihrer Familie begrüßt und sprach mit Staatsmedien über ihre Rückkehr.
„Es ist fünf Uhr morgens im Iran, und dennoch hat sich eine große Menschenmenge auf dem Teheraner Imam-Khomeini-Flughafen versammelt, um Elnaz Rekabi zu begrüßen, eine Kletterin, die in Seoul ohne Kopftuch an einem Wettkampf teilnahm und daraufhin von den iranischen Behörden getadelt und zu einer Entschuldigung gezwungen wurde.“
„Elnaz Rekabis Interview mit zwei staatlichen Nachrichtenagenturen unter Sicherheitsdruck nach der Einreise in den Iran.“
„Ich bin unbesorgt in den Iran zurückgekehrt, obwohl ich sehr angespannt und gestresst war“, sagte Rekabi. „Aber bis jetzt ist Gott sei Dank nichts passiert.“
Der Kletterverband gab in einer Erklärung bekannt, dass er sich mit dem Internationalen Olympischen Komitee und dem Nationalen Olympischen Komitee Irans in Seoul über Rekabi getroffen und mit der Athletin selbst telefoniert habe. „Der IFSC hat die klare Zusicherung erhalten, dass Frau Rekabi keine Konsequenzen zu befürchten hat und weiterhin trainieren und an Wettkämpfen teilnehmen wird“, erklärte die Organisation am 18. Oktober.
Als Zeichen der Solidarität mit iranischen Frauen: Der Gewinner des Deutschen Buchpreises, Kim de l‘Horizon, rasierte sich während der Preisverleihung den Kopf.
Sima Sabet, Moderatorin einer internationalen Talkshow in Farsi, twitterte jedoch, dass der iranische Sportminister Hamid Sajjadi in seiner Heimat „ihre Aktion untersuchen“ würde.
„In Bezug auf die Rückkehr von #Elnaz_Rekabi in den Iran sagte Sportminister Hamid Sadjadi, dass der Verband und die Regierung ihre Aktion untersuchen #MahsaAmini“
„Weil ich damit beschäftigt war, meine Schuhe und meine Ausrüstung anzuziehen, habe ich vergessen, mein Kopftuch anzuziehen, und bin dann zum Wettkampf gegangen“, heißt es in der Erklärung. Die Entscheidung sei „unbeabsichtigt“ gewesen.
Auf dem mutmaßlichen Instagram-Account von Rekabi wurde eine Erklärung gepostet, in der sie bestreitet, dass der Verzicht auf das Kopftuch etwas mit der Unterstützung der Proteste gegen das Kopftuch-Gesetz zu tun habe.
„Ich grüße alle lieben und edlen Landsleute des Iran. Ich bin Elnaz Rekabi, mit einer Geschichte von zwanzig Jahren als Mitglied der nationalen Bergsteigermeisterschaft. Während ich mich für die Sorgen entschuldige, die ich verursacht habe, muss ich bezüglich der Ereignisse während des Finales der in Südkorea abgehaltenen Asienmeisterschaften, ankündigen, dass diese aufgrund falschen Timings und eines nicht vorhersehbaren Aufrufs, zum Klettern, unbeabsichtigt verursacht wurden und ungewollt zum Problem geworden sind. Derzeit kehre ich mit meinem Team gemäß dem vereinbarten Zeitplan in den Iran zurück.“
Viele betrachten diese Aussagen skeptisch. Der Iran hat Aktivist:innen oft gezwungen, vor der Kamera falsche Geständnisse abzulegen, wie AP News berichtete. So auch ein diese User:innen (siehe Tweets unten).
Proteste erschüttern weiterhin den Iran, da die Zivilbevölkerung gegen die Durchsetzung der konservativen Kleidervorschriften durch die Regierung kämpft (hier fünf Gründe, warum Irans Frauen Erfolg haben könnten). Laut dem CPJ (Comittee to Protect Journalists) verhaftete die iranische Polizei mehr als 40 Journalist:innen, da sie über das Thema berichtet hatten. Nach Berichten von Reuters, schränkt der Iran den Zugang zu sozialen Medien wie Instagram und WhatsApp noch schärfer ein.
Autorin ist Steffi Cao. Dieser Artikel erschien am 19. Oktober 2022 zunächst auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Aranza Maier.