1. BuzzFeed
  2. News
  3. Frauenrechte

Teilt Nachrichten über die Proteste im Iran – aber nicht die Fake-News zu 15.000 Todesstrafen

Erstellt:

Kommentare

Mehrere Prominente teilten Fake-News über 15.000 zum Tode verurteilte Demonstrant:innen im Iran. Das ist „gefährlich“, denn es lenkt von den echten Grausamkeiten im Iran ab.

Viola Davis, der kanadische Premierminister Justin Trudeau und Tausende von Social-Media-Nutzer:innen verbreiteten die falsche Behauptung, dass 15.000 iranische Demonstrant:innen von der Regierung des Landes als Reaktion auf die jüngsten Unruhen zum Tode verurteilt worden seien. Unabhängige Faktenprüfer:innen stellten jedoch fest, dass diese Zahl, die in viralen Instagram-Grafiken und über Twitter verbreitet wurde, nicht stimmt. Sie warnten jedoch, dass die Realität für die Demonstrant:innen immer noch erschreckend ist und die Menschen weiterhin Nachrichten über die Proteste im Iran verbreiten sollten, ein Grund, warum auch Joko und Klaas Iranerinnen ihre Instagramreichweite schenkten.

So in der Art sah der Fake-Post aus, den mehrere Menschen auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken teilten:

Iran Proteste: Hinrichtung von 15.000 Demonstrant:innen sind Fake-News

„Das iranische Regime ist schon brutal genug. Es hat in 60 Tagen über 340 Menschen getötet, darunter 52 Kinder – das jüngste Opfer war acht Jahre alt. Einige Medien haben diese Geschichte noch schrecklicher gemacht, indem sie die Schlagzeilen verdrehten, ohne den eigentlichen Kontext zu verstehen“, sagte Skylar Thompson, Leiterin der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Activists“ in Iran, gegenüber BuzzFeed News US. „Es ist gefährlich.“

Die Frauen im Iran könnten das iranische Regine sogar besiegen. Prominente wie Viola Davis meinten es also nur gut und versuchten das Bewusstsein über die Geschehnisse im Iran zu schärfen, indem sie auf Instagram ein Bild einer Demonstrantin mit der Überschrift „Iran verurteilt 15.000 Demonstrant:innen zum Tode – als ‚harte Lektion‘ für alle Rebell:innen“ postete.

Screenshot von Viola Davis Instagram Post über 15.000 zu Tode verurteilte Demonstrant:innen, der als falsche Information gekennzeichnet wurde
Viola Davis Post wurde als Falschinformation gekennzeichnet. © @Viola Davis/via Instagram

„Warum darüber nicht mehr berichtet wird, ist mir ein Rätsel, aber das muss sich jetzt ändern“, ergänzte die „The Woman King“-Darstellerin. Der Beitrag ging auf der Plattform viral. Instagram kennzeichnete Davis‘ Beitrag am Montag, 14. November, wegen „falscher Informationen“ mit folgendem Hinweis: „Unabhängige Faktenprüfer sagen, dass diese Information keine Grundlage hat“. Der Beitrag ist nicht mehr auf ihrer Seite zu finden, und Davis‘ Vertreter reagierten nicht auf Bitten von BuzzFeed News US um einen Kommentar.

Auch beim Thema Ukraine-Krieg verbreiteten sich Fake-News, als am Dienstagabend, 15. November, zwei Raketen in Polen einschlugen. Desinformations-Expert:innen warten sofort davor, falsche Gerüchte zu verbreiten.

Massenhinrichtung im Iran: Mehrere Prominente teilten die Fake-News

Die „Game of Thrones“-Darstellerin Sophie Turner postete das Bild ebenfalls und rief dazu auf, mehr Bewusstsein für das zu schaffen, was ihrer Meinung nach eine „Massenhinrichtung“ sei. „Dies ist eine der größten humanitären Krisen, die es je gegeben hat. Wo bleibt die Berichterstattung?!“, schrieb Turner. „Warum ist das nicht auf den Titelseiten eurer Magazine? Oder in den Schlagzeilen eurer Zeitungen? Die Ironie ist, dass der Iran im UN-Ausschuss für Frauenrechte sitzt.“ Ihr Beitrag wurde inzwischen entfernt.

„Kanada verurteilt die barbarische Entscheidung des iranischen Regimes, die Todesstrafe gegen fast 15.000 Demonstrant:innen zu verhängen“, twitterte der Account des kanadischen Premierministers. „Diese mutigen Iraner:innen haben für ihre Menschenrechte gekämpft – und wir stehen weiterhin gemeinsam hinter ihnen und gemeinsam gegen die abscheulichen Aktionen des Regimes.“ Der Tweet wurde laut CNN nach zwölf Stunden wieder entfernt.

Kanadas Premierminister Justin Trudeau spricht bei einer Demonstration für die Freiheit der Frauen im Iran am 29. Oktober 2022 in Ottawa.
Kanadas Premierminister Justin Trudeau spricht bei einer Demonstration für die Freiheit der Frauen im Iran am 29. Oktober 2022 in Ottawa. © Justin Tang/ZUMA Press/IMAGO

Im Ukraine-Krieg gab und gibt es immer wieder Fake-News-Kampagnen. Wir haben sie in den ersten Monaten des Krieges in einem Fake-News-Ticker zum Ukraine-Krieg gesammelt.

Fake News über Massenverurteilung im Iran: So kamen sie in Umlauf

Eine der Hauptquellen für die Zahl 15.000 war ein Newsweek-Artikel, der sich im Internet schnell verbreitete. Zuvor hatte die Publikation berichtet, dass das iranische Parlament „mit überwältigender Mehrheit für die Todesstrafe für Demonstrant:innen gestimmt“ habe. Das Magazin nahm seine Berichterstattung wohl zurück und erklärte, es habe „eine Reihe von Artikeln“ korrigiert, in denen es jegliche Verweise auf die angeblichen Todesurteile gegeben habe.

Derzeit sind fünf Demonstrant:innen, deren Namen nicht veröffentlicht wurden, zum Tode verurteilt worden. Die erste zum Tode verurteilte Person im Iran wurde der Brandstiftung für schuldig befunden, nachdem sie angeblich ein Regierungsgebäude angezündet hatte.

„Weitere Todesurteile: In Teheran sind drei Demonstrant:innen zum Tode verurteilt worden, eine:r wegen ‚Korruption auf Erden‘ und zwei weitere wegen ‚Moharebeh‘ (‚Krieg gegen Gott‘, Anm.d.R.). Damit ist die Gesamtzahl der zum Tode verurteilten Demonstrant:innen auf fünf gestiegen. Ihre Namen wurden nicht bekannt gegeben.“

Weltweit protestieren Menschen gegen die Menschenrechtsverletzungen im Iran

Die Massenproteste begannen aus Wut über den Tod von Mahsa Amini, einer 22-jährigen iranischen Kurdin, die am 16. September in der Obhut der iranischen Sittenpolizei starb. Die Sittenpolizei, die für die Durchsetzung islamischer Kleidungsvorschriften und Moralvorstellungen zuständig ist und häufig Frauen ins Visier nimmt, nahm Amini fest, da sie enge Hosen und ihren Hidschab „unangemessen“ trug.

Aminis Tod wurde zur treibenden Kraft der regierungsfeindlichen Demonstrationen und führte dazu, dass weltweit die Menschenrechtsverletzungen im Iran scharf verurteilt wurden. Iranische Frauen auf der ganzen Welt verfolgen seitdem mit Stolz und Angst die Proteste im Iran.

Massenhinrichtungen im Iran sind „durchaus möglich“

Demonstrant:innen, die auf Widerstand stoßen, müssen im Iran mit harten Strafen rechnen, da sie es „mit einem Regime zu tun haben, das bereit ist, sehr weit zu gehen, um sich an der Macht zu halten“, so Mahmood Amiry-Moghaddam, Direktor von „Iran Human Rights“, einer Organisation mit Sitz in Norwegen, gegenüber BuzzFeed News US.

Er merkte an, dass die virale Zahl von 15.000 zwar ungenau sei, Massenhinrichtungen von Gefangenen aber keine beispiellose Reaktion der iranischen Regierung seien. „Das ist durchaus möglich“, sagte Amiry-Moghaddam. „In den 1980er Jahren richteten sie öffentlich hin, und sagten, es sei wegen Protesten. Aber jetzt sind die politischen Kosten solcher Hinrichtungen so hoch, dass sie sie für etwas anderes anklagen werden.“

Fake-News schaden den Demonstrierenden und den Protesten im Iran

Die Weitergabe akkurater Informationen ist eine Möglichkeit, Solidarität mit den Demonstrant:innen im Iran zu zeigen. Nach Angaben von Human Rights Activists News Agency (HRANA) wurden fast 350 Demonstrant:innen getötet und mehr als 15.000 verhaftet. Aktivist:innen fürchten, was mit den derzeit Inhaftierten geschehen wird.

Aber nur weil ein Instagram-Post unseren Erwartungen oder unserer Weltanschauung entspricht, ist es nach Ansicht von Faktenprüfer:innen und Aktivist:innen immer noch wichtig, ausschließlich korrekte Informationen zu teilen und sich direkt für das Ende von Menschenrechtsverletzungen einzusetzen.

„Jetzt ist nicht die Zeit, um Fehlinformationen zu verbreiten. Wir müssen alle verfügbaren diplomatischen Kanälen nutzen, damit das verhindert wird“, warnte Thompson. Er wies außerdem darauf hin, dass vielen der in Polizeigewahrsam befindlichen Personen schwere Strafen und harte Urteile drohten, um die Bewegung zu stoppen. Thompson zeigte sich besorgt darüber, dass führende Politiker:innen wie Trudeau mit ihren irreführenden Posts von der Berichterstattung über die tatsächlichen Geschehnisse im Iran ablenken und die Demonstrant:innen gefährden.

Proteste im Iran sind eine „Revolution der Würde“

Amiry-Moghaddam ist der Meinung, dass man lieber Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International folgen sollte, um geprüfte Informationen zu erhalten. Und die Botschaft der Proteste – der größten Menschenrechtsbewegung in der Geschichte des Irans – sollte weitergegeben werden. Das ist beispielsweise auf diesen neun Instagram-Accounts der Fall, die die Proteste im Iran begleiten.

„Wir sprechen hier von Menschen, die als Bürger:innen zweiter Klasse behandelt wurden, sei es als Frau oder als Minderheit“, sagte Amiry-Moghaddam. „Und wenn es ihnen gelingt, diesen Wandel herbeizuführen, werden die Auswirkungen weit über die Grenzen des Irans hinausgehen. Ich würde sagen, wir sprechen von einer Revolution der Würde“.

Autorin ist Ade Onibada. Dieser Artikel erschien am 17.11.2022 zunächst auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Aranza Maier.

Auch interessant

Kommentare