Iranische Fußballer und Fans unterstützen bei WM in Katar die Revolution im Iran
Beim Spiel gegen England schwieg die iranische Nationalmannschaft während der Nationalhymne. Fans hielten Schilder von bei Protesten getöteten Menschen hoch.
Iranische Fußballspieler und -fans stellten sich am Montag, 21. November, bei der Fußballweltmeisterschaft offen gegen das islamistische Regime des Landes und zeigten so mutig ihre Solidarität mit den Demonstrationen im Iran, die seit Mahsa Aminis Tod stattfinden. Und das selbst im Angesicht potenziell tödlicher Konsequenzen.
Die iranische Nationalmannschaft schwieg, als vor dem ersten Gruppenspiel gegen England ihre Nationalhymne gespielt wurde. Ein in den sozialen Medien veröffentlichtes Video zeigt iranische Fans in der Menge, die lautstark buhten, als die Nationalhymne gespielt wurde. Ein starkes Zeichen gegen das Regime, wohl ganz im Gegenteil zur Geste der deutschen Mannschaft, bei der sich Twitter-Nutzer:innen vor Lachen den Mund zuhalten.
Iran-Nationalmannschaft: Vor Abreise Kontakt zu extremistischem Präsidenten
Laut Iran International wurden seit Beginn der Proteste im September schätzungsweise mehr als 400 Menschen – darunter mindestens 58 Minderjährige – von Sicherheitskräften getötet. Amini, eine 22-jährige Kurdin, die verhaftet wurde, da sie ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß trug, starb später in der Obhut der Sittenpolizei, deren Funktion hier erklärt wird.
Ihr Tod führte zu einer Welle an Protesten gegen die Unterdrückung von Frauen im Iran, die allgemeine Unzufriedenheit und Wut auf das Regime wurde immer größer.
Die iranische Nationalmannschaft war zuvor in ihrem Heimatland kritisiert worden, da sie sich vor ihrer Abreise nach Doha mit dem Präsidenten und Extremisten Ebrahim Raisi getroffen hatte, so Iran International. Raisi unterstützte die Sittenpolizei, und unter seiner Führung gingen Sicherheitskräfte gewaltsam gegen Demonstrant:innen vor.

Iran-Kapitän bekundet bei WM seine Solidarität mit Demonstrierenden im Iran
Vor dem ersten Spiel der Mannschaft am Montag drückte Kapitän Ehsan Hajsafi den Familien der von den Regierungstruppen Getöteten sein Beileid aus und bekundete öffentlich seine Unterstützung für die Demonstrant:innen.
„Wir müssen akzeptieren, dass die Bedingungen in unserem Land nicht richtig sind. Unser Volk ist nicht glücklich“, so Hajsafi, der für AEK Athen spielt, bei einer Konferenz vor dem Spiel. „Wir sind hier, aber das bedeutet nicht, dass wir nicht ihre Stimme sein sollten oder dass wir sie nicht respektieren sollten.“
„Was immer wir haben, ist für sie, und wir müssen kämpfen, wir müssen unser Bestes geben“, ergänzte er. „Ich hoffe, dass sich die Bedingungen entsprechend den Erwartungen des Volkes ändern.“
WM 2022 in Katar: Fans zeigten beim Auftaktspiel Solidarität mit den Iran-Protesten
Solidaritätsbekundungen gab es auch auf den Tribünen, wo die Fans Protestschilder mit der Aufschrift „Frau, Leben, Freiheit“ und Fotos der von den Sicherheitskräften getöteten Demonstrant:innen hochhielten. Sogar das EU-Parlament brach aus Solidarität mit den Demonstrant:innen den Kontakt zum Iran ab.
Obwohl England das Spiel gegen Iran mit 6:2 gewann, waren die Proteste während des Spiels Berichten von AP zufolge für die iranischen Fans von großer Bedeutung. Das gilt besonders für Frauen, denen es verboten ist, Fußballspiele zu Hause zu sehen.

Die Gewalt im Iran ist real, jedoch stellte sich die Nachricht über 15.000 Todesstrafen als Fake News heraus.
Menschenrechte im WM-Gastgeberland Katar extrem eingeschränkt
Der Beginn der Fußballweltmeisterschaft 2022 wurde von Kontroversen um die Entscheidung der FIFA überschattet, die WM 2022 nach Katar vergeben zu haben. Und das, obwohl die Menschenrechtssituation in dem Land laut Amnesty International miserabel ist.
Katar ist das kleinste Land, das in der Geschichte der WM Gastgeber ist. Es verbrachte zwölf Jahre damit, die Infrastruktur für dieses riesige internationale Sportereignis aufzubauen. Katars Regierung wurde wegen der Behandlung von Arbeitsmigrant:innen – die etwa 90 Prozent der Bevölkerung des Landes ausmachen – und ihrer rigorosen Anti-LGBTQIA+-Haltung heftig kritisiert.
Tausende Gastarbeiter:innen starben für die Fußballweltmeisterschaft 2022
Letztes Jahr berechnete der Guardian, dass seit 2010 etwa 6.500 Gastarbeiter:innen, von denen die meisten an den Infrastrukturprojekten der WM arbeiteten, starben. Nur ein Grund von mehreren, die WM in Katar 2022 nicht zu schauen.
„Gastarbeiter:innen waren unverzichtbar, um die Fußballweltmeisterschaft 2022 zu ermöglichen. Doch das bedeutete einen hohen Preis für viele Gastarbeiter:innen und ihre Familien, die nicht nur persönliche Opfer brachten, sondern auch mit weitverbreitetem Lohndiebstahl, Verletzungen und Tausenden von ungeklärten Todesfällen konfrontiert waren“, sagte Rothna Begum, eine leitende Forscherin bei Human Rights Watch, in einer Erklärung.

„One Love“-Binde bei der WM 2022: FIFA drohte mit Strafen und Gelben Karten
Trotz der heftigen Kritik versuchte die FIFA, die Weltmeisterschaft fortzusetzen. Sieben europäische Länder fassten den Beschluss, die „One Love“-Binde zu tragen, um ein Zeichen gegen Diskriminierung und für Inklusion zu setzen.
Die Kapitäne von England, Wales, Belgien, Dänemark, Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz hatten geplant, während ihrer Spiele „One Love“-Armbinden zu tragen. Ihre jeweiligen Fußballverbände erklärten jedoch später in einer gemeinsamen Erklärung, dass sie die „One Love“-Armbinden aufgrund Drohungen der FIFA doch nicht tragen werden. Dazu gehörten auch Gelbe Karten und Strafen.
„Wir waren bereit, Geldstrafen zu zahlen, die normalerweise bei Verstößen gegen die Ausrüstungsvorschriften fällig würden, und haben uns nachdrücklich für das Tragen der Armbinde eingesetzt“, so die Verbände. „Wir können unsere Spieler jedoch nicht in die Situation bringen, dass sie mit einer Verwarnung belegt oder sogar gezwungen werden könnten, das Spielfeld zu verlassen.“
FIFA-Präsident Infantino: „Ich weiß, was es heißt, diskriminiert zu werden“
Am Vorabend des Eröffnungsspiels am Sonntag wehrte sich FIFA-Präsident Gianni Infantino mit einer empörenden Rede gegen Kritiker:innen, in der er behauptete, Verständnis für die Diskriminierung von Randgruppen zu haben. Er selbst sei als Kind wegen seiner roten Haare und Sommersprossen schikaniert worden.
„Heute fühle ich mich katarisch. Heute fühle ich mich arabisch. Heute fühle ich mich afrikanisch. Heute fühle ich mich schwul. Heute fühle ich mich wie ein Mensch mit Behinderung. Heute fühle ich mich als Gastarbeiter“, sagte Infantino. „Natürlich bin ich kein Katarer, kein Araber, kein Afrikaner, kein Schwuler und kein Mensch mit Behinderung. Aber ich fühle mich so, weil ich weiß, was es heißt, diskriminiert und schikaniert zu werden.“
Anti-LGBTQIA+-Politik im Katar: Eine ZDF-Kommentatorin setzte in Katar mit ihrem Regenbogenoutfit ein Zeichen.
Autorin ist Clarissa-Jan Lim. Dieser Artikel erschien am 22.11.2022 zunächst auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Aranza Maier.