„Bückling“-Deal über Gas aus Katar für Deutschland steht – „verlogene Doppelmoral“
Der Gas-Deal mit Katar, für den Robert Habeck im März als „Bückling“ beschimpft wurde, steht. „Diese verlogene Doppelmoral ist so zum Kotzen!“
Update vom 29. November 2022: Das Energieunternehmen „Qatar Energy“ hat ein Abkommen über Flüssiggaslieferungen nach Deutschland geschlossen. Das Gas aus Katar solle an das US-Unternehmen „Conoco Phillips“ verkauft werden, das es weiter nach Brunsbüttel liefere, sagte Katars Energieminister Saad Scharida al-Kaab am Dienstag, 29. November. Die Lieferung soll 2026 beginnen und mindestens 15 Jahre laufen. Jährlich sollen bis zu 2 Millionen Tonnen geliefert werden.
Es handele sich über die ersten langfristigen Abkommen für Lieferungen von Katars Gas nach Deutschland, sagte Al-Kaabi. Der Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte sich schon im März 2022 um sie bemüht. Er reiste damals nach Katar, um über Flüssiggaslieferungen zu verhandeln. Ein Bild, auf dem er sich vor dem Energieminister Katars Saad Scharida al-Kaabi verbeugte, kam damals gar nicht gut an (siehe Originalmeldung). Unter anderem, weil Katar auch für seine Verletzungen von Menschenrechten bei der WM in Kritik steht.
Dass nun während der WM 2022 die Nachricht kommt, Katar und Deutschland haben ein Abkommen über Gaslieferungen getroffen, stößt bei einigen bitter auf. So schreibt beispielsweise der stellvertretende Parteivorsitzende der Linken Lorenz Gösta Beutin: „Diese verlogene Doppelmoral ist so zum Kotzen!“ Deutschland sei alles egal: Menschenhandel, Frauenverachtung, Queerfeindlichkeit, Terrorunterstützung und noch viel mehr. „Klimaziele kann man auch geflissentlich in die Tonne schmeißen“, twittert der Politiker am Dienstagvormittag.
Originalmeldung vom 21. März 2022: Mitte März befand sich der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grüne) auf einem dreitägigen Besuch in Katar. Er verhandelte dort über Gaslieferungen für Deutschland. Mit den ersten Verhandlungen zeigte sich Habeck zufrieden – eine Energiepartnerschaft mit Katar liegt wohl auf dem Tisch. Dies verurteilen viele Twitter-User:innen nun jedoch aufs Schärfste, ist doch Katar ein Land, das demokratische Grundwerte und Menschenrechte bisher nur allzu oft missachtet hat.
Grund für Habecks Besuch in Katar ist der Ukraine-Konflikt, der die Energiepreise die vergangenen Wochen in die Höhe getrieben hat. Auch die Spritpreise explodieren momentan, Christian Lindners (FDP) Idee eines Tankrabatts stieß auf Twitter jedoch auch auf heftige Kritik. Doch wie kann Deutschland gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgehen, ohne sich ins eigene Fleisch zu schneiden? Bisher werden Gasimporte zu 55 Prozent von Russland abgedeckt. Ein Embargo russischer Gaslieferungen lehnte Habeck deswegen vehement ab. Katar könnte eine Lösung sein, diese russische Abhängigkeit von Putin zu beenden.
Habeck in Katar: Ersetzt der Wirtschaftsminister eine Abhängigkeit durch eine andere?
Habeck wird vor allem kritisiert, die Energiepartnerschaft mit Katar mit „großartigerweise“ beschrieben zu haben. Das arabische Emirat gilt als absolute Monarchie und missachtet nicht nur Menschen- und Arbeitsrechte, sondern richtet auch Journalist:innen und andere politische Gegner:innen hin.
Aus diesem Grund wurde die Ausrichtung der Weltmeisterschaft durch das arabische Emirat stark kritisiert, besonders von den Grünen. Twitter-User:innen werfen ihnen nun eine Art Doppelmoral vor. Ein Bild vom Wochenende, auf dem Habeck sich vor dem Energieminister Katars Saad Scharida al-Kaabi geradezu tief verbeugt, kommt ihnen deshalb gerade recht, um sich über den grünen Wirtschaftsminister lustig zu machen.
Das Wort „Bückling“ wird zum Hashtag für Habecks Verbeugung – es trendet auf Twitter. Bei ihrer Kritik beziehen sich viele Nutzer:innen vor allem auf die Weltmeisterschaft 2022, die die Grünen abgelehnt hatten.
Bei der Kritik vergessen Twitter-User:innen jedoch, wie dringlich der Ukraine-Krieg einerseits, und die Energieversorgung in Deutschland andererseits sind. In einem Video des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz sagt Habeck, dass er die Reise selbst merkwürdig findet. Er sehe jedoch ganz klar die Notwendigkeit, die russischen Gasimporte Stück für Stück zu ersetzen.
Ich bin jetzt hier in Doha, am zweiten Tag einer Reise, die irgendwie total merkwürdig ist. In der Ukraine sterben die Menschen und hier... ihr seht ja, wie die Skyline ist. Aber es ist die Ukraine-Krise, die mich hierher gebracht hat. Der Versuch, möglichst schnell von russischem Gas herunterzukommen. Katar ist dabei, seine Fördermenge von Gas zu erhöhen, und wir brauchen kurzfristig mehr Gas.
Dieser Twitter-User teilt das Video des Wirtschaftsministers unter einem Hass-Post und kritisiert, dass User:innen wie @MixeD47 Robert Habeck als „devoten Bückling“ bezeichnen.
Diese:r User:in spricht von einer „rechten Bubble“, die völlig ausblende, dass Deutschland seine Energieimporte in den letzten 16 Jahren nicht genug diversifiziert habe, und genau deswegen vor dem aktuellen Schlamassel stehe.
Langfristig wollen die Grünen und die gesamte Ampel-Koalition bis 2045 Klimaneutralität erreichen, also raus aus den fossilen Energien. Der Konflikt in der Ukraine macht diesem Vorhaben fürs Erste einen Strich durch die Rechnung, nicht ohne Grund bezeichnet Luisa Neubauer den Ukraine-Krieg in einer Talkshow mit Markus Lanz als „fossilen Krieg“. Dass gerade Grünen-Minister Habeck nun bei anderen Staaten um Gaslieferungen nach Deutschland werben muss, ist da natürlich schwer zu verdauen. Auch in Kanada und Norwegen war er bereits, sein Besuch in Katar sei jedoch besonders erfolgreich gewesen.
Vor seinem Abflug aus Katar betont Habeck, dass Energiesparen immer noch wichtig sei. Gasheizungen seien weiterhin ein „Auslaufmodell“. Er führte mit Katar am 21. März laut Angaben der dpa auch Gespräche über die Lieferungen von grünem Wasserstoff, der ohne CO₂-Emissionen hergestellt wird. Das Emirat Katar wolle sich laut Habeck ebenfalls hin zur erneuerbaren Energie entwickeln. Es sei deswegen also nicht nur ein kurzfristiges Partnerland für Gasimporte, sondern auch eines, mit dem der Vizekanzler langfristig kooperieren will – die Menschenrechtsproblematik wird uns also nach wie vor beschäftigen.