Forschende entdecken Gen, das offenbar für Essstörungen verantwortlich ist

Auch Umwelteinflüsse wie die Pandemie erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Essstörung. Forschende fanden jetzt jedoch offenbar auch ein Gen, das Gewicht und Magersucht beeinflussen kann.
Es gibt sehr wenige exakte Daten dazu, wie viele Menschen tatsächlich an einer Essstörung leiden. Die Gründe hierfür sind laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, dass unterschiedliche Diagnosekriterien herangezogen werden oder dass einige Studien sich die gesamte Lebenszeit der untersuchten Personen anschauen, während andere nur den Zeitraum von einem Jahr berücksichtigen. Klar ist: Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer: Auch Corinna*, die hier erzählt, wie sie ihre Magersucht überwand. Forschende haben nun jedoch noch einen weiteren Faktor entdeckt, der beeinflusst, ob jemand an einer Essstörung erkrankt – das Gen für PTBP2.
Essstörungen: Mehr Frauen als Männer von Magersucht, Bulimie und Binge-Eating betroffen
Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ist die Magersucht zwar die bekannteste aller Essstörungen, gleichzeitig aber auch die, die am seltensten auftrete. Von 1.000 Frauen erkranken laut BZgA im Laufe ihres Lebens durchschnittlich etwa 28 an einer Binge-Eating-Störung, 19 an Bulimie und 14 an Magersucht. Bei Männern sind es jeweils zehn, sechs und zwei – deutlich weniger also, wie auch die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) bestätigt. Sie verweist außerdem auf erste Forschungsergebnisse, die darauf hindeuten, dass Essstörungen durch die COVID-19-Pandemie zugenommen haben. Auch die BZgA bestätigt diesen Trend.
Hier sammeln wir 12 Sätze, die Menschen mit einer Essstörung nicht mehr hören wollen.
Doch warum erkranken Menschen an Essstörungen? Neben den Umweltfaktoren (also Dingen wie der Pandemie, der Erziehung, emotionalem Stress, den sozialen Kontakten, gesellschaftlichen Idealen, Leistungsdruck und vielen weiteren Faktoren) beeinflussen offenbar auch die Gene die Wahrscheinlichkeit, an einer Essstörung zu erkranken. Das fanden Forschende der Universität Duisburg-Essen in einer neuen Studie heraus. Sie untersuchten dafür jeweils 200 Proband:innen mit Magersucht und mit Adipositas (extremes Übergewicht) und verglichen deren genetische Marker. Das Gen für PTBP2 stach ihnen dabei besonders ins Auge.
Gen PTBP2 beeinflusst Essstörungen wie extremes Übergewicht und Magersucht
„PTBP2 scheint das Körpergewicht und die Magersucht gleichermaßen zu beeinflussen“, erklärt Anke Hinney von der Forschungsabteilung Molekulargenetik an der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Essen. „Eine frühere Studie hat gezeigt, dass die Expression von PTBP2 bei Patient:innen mit extremem Übergewicht höher ist als bei normal gewichtigen Kontrollpersonen.“
Daraus schließen die Forschenden, dass PTBP2 mit weiteren Genen interagiert, die das Körpergewicht regulieren. Vor allem bei Männern, die allgemein seltener an Essstörungen erkranken, dürfte PTBP2 eine größere Rolle spielen. Der Grund: Bei ihnen sei eine größere Zahl an Gen-Varianten für die Gewichtsregulation relevant. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler:innen kürzlich in der Fachzeitschrift Translational Psychiatry.
Die Doktorandin in der Molekulargenetik, Yiran Zheng, war auch Teil der Studie. Ihr ist es wichtig, klarzustellen, dass niemand, der solch einen genetischen Marker habe, automatisch eine Essstörung entwickle. „Darüber entscheidet nicht nur ein einziges Gen. Aber wir wissen, dass sowohl Anorexia nervosa, also Magersucht, als auch ein hoher BMI in hohem Maße vererbbar sind. Deshalb ist PTBP2 für uns ein weiterer Ansatzpunkt, um die genetischen Faktoren genauer zu betrachten.“
Mehr zum Thema Gewicht und Essstörungen? Eine Frau erzählt von ihren Erfahrungen in einem „Fat Camp“ für Jugendliche.