„Shitshow“: Modelagentur-Chef rechnet mit GNTM ab - Teilnahme „massiv hinderlich für Karriere“

Der Model-Experte Marco Sinvera sieht bei den Kandidatinnen von GNTM 2022 überhaupt kein Potenzial. Im Gegenteil.
Die 17. Staffel „Germany‘s Next Topmodel“ ist in vollem Gange: Umstyling und Nacktshooting haben die Kandidatinnen schon hinter sich. Während die 66-jährige Lieselotte immer noch auf den Titel hoffen darf, musste Publikumsliebling Viola die Show verlassen. Kurz nach ihrem Rauswurf bekam Viola einen Job bei Stardesigner Jean Paul Gaultier.
Als Heidi Klum im Januar 2006 zum ersten Mal Deutschlands nächstes Topmodel suchte, steckten einige der aktuellen Kandidatinnen noch in den Windeln. Jahr für Jahr läuft die Castingshow für mehrere Monate auf ProSieben und habe seitdem entscheidend dazu beitragen, dass junge Mädchen eine völlig falsche Vorstellung davon haben, was es bedeutet, als Model zu arbeiten. Das findet jedenfalls der Chef von Deutschlands größter Modelagentur „MGM Models“ Marco Sinervo. In seinem Buch „Fame vs. Fake“ beschreibt er Germany‘s Next Topmodel als „rein kommerzielle Shitshow“, die „als Geldmaschine für Heidi Klum“ konzipiert wurde.
Experte: GNTM 2022 hat mit der Realität des Model-Business nichts zu tun
„GNTM ist ein reines Entertainment-Format. Das ist Trash-TV“, sagt Sinervo im Gespräch mit BuzzFeed News Deutschland. Ein Harald Glööckler wisse, was ihn erwarte, wenn er ins Dschungelcamp gehe, aber die teilweise 18- und 19-jährigen Bewerberinnen von GNTM sei es nicht bewusst. Sie gehen mit der Vorstellung in die Show, dass sie Model werden können und enden dann in seiner Agentur als „psychische Wracks“.
Heidi Klum spiele damit, dass viele das Model-Business gar nicht begreifen. GNTM gebe ein komplett verzerrtes Bild seiner Branche wider. „Nacktshootings oder extreme Typveränderungen bei Umstylings haben nichts mit der Realität zu tun“, so der Model-Agent. Die von Sinervo gegründete Model-Agentur ist eine der größten Agenturen Europas. Sie habe tausende Model-Buchungen jedes Jahr, aber eine „Nacktshow“ sei noch nie dabei gewesen.
„Möglichst viel Trash-Drama“: Challenges bei GNTM bereiten nicht auf Model-Alltag vor
Die Challenges, von denen Heidi Klum immer wieder behauptet, dass sie die Kandidatinnen auf den Model-Alltag vorbereiten, seien laut Sinervo so konzipiert, dass die GNTM-Kandidatinnen überreagieren und somit die Show ihren Entertainmentfaktor behalte. „Heidi Klum bringt junge Mädchen absichtlich in Situationen, die sie überfordern“, kritisiert Sinervo. Sie müssen ihre Ängste überwinden und mit einer Schlange um den Hals posieren. Dabei seien sie abgeschottet von ihrer Familie und ihren Freund:innen und spüren einen harten Konkurrenzdruck.
Jungen Frauen zuzuschauen, wie sich bemühen, bei Nacktshootings vor Millionen Zuschauer:innen ihre Scham zu überwinden, halte er für entwürdigend. „Heidi Klum hat die Challenges, damit möglichst viel Trash-Drama entsteht. Das hat nichts damit zu tun, dass sie die Models in irgendeiner Form vorbereiten möchte, weil so etwas im Alltag eines Models gar nicht stattfindet“, sagt Sinervo. Viel reisen, jeden Morgen frisch aussehen und den ganzen Tag durcharbeiten, das sei eine Challenge, die wirklich etwas mit dem Alltag eines Models zu tun habe. Auf Anfrage von BuzzFeed News Deutschland hat sich ProSieben zu den Vorwürfen von Marco Sinervo nicht geäußert.
Diversity nur für die GNTM-Quote – keine Chance bei echten Kund:innen
In der aktuellen Staffel GNTM merken es Zuschauer:innen besonders: Heidi Klum setzt immer mehr auf „Diversity“ bei ihren Kandidatinnen. Für Buzzfeed News Autor Mika Engelhardt macht das die Show erträglich, Model-Agentur-Gründer Sinervo ist teilweise fassungslos. „Jahrelang wird diskriminiert und jetzt springt Heidi Klum auf den Diversity-Zug auf und hat Kandidatinnen bei GNTM, die überhaupt kein Potenzial zum Model haben“, sagt Sinervo.
Der Fokus auf Diversity, also kleinere, ältere oder curvy Frauen spiegle die Realität nicht wider. „Natürlich gibt es mal ein curvy Model auf dem Cover eines Modemagazins oder ein Model mit Beinprothese bei einer Runway-Show, aber das sind Ausnahmefälle.“ Es gebe viel zu wenig Kund:innen, die die Models buchen, um wirklich Karriere zu machen. Den Kandidatinnen von GNTM den Floh ins Ohr zu setzen, sie könnten Karriere machen, sei „nicht ehrlich und nicht gerecht“.
GNTM dreht sich nur um Heidi Klum – Kandidatinnen werden „zerrockt“
Mittlerweile merke man, dass Heidi Klum gar nicht möchte, dass aus ihren Kandidatinnen etwas werde, so Sinervo. Es drehe sich alles nur noch um sie selbst. Die Kandidatinnen werden „zerrockt“, in den sozialen Medien zerrissen und nach der Show klebt der GNTM-Stempel an ihnen. „Das ist massiv hinderlich für die Model-Karriere.“
Auch die potenziell neuen Follower:innen, die die GNTM-Kandidatinnen durch die Show bei Instagram dazu gewinnen, seien nicht der Startschuss für die Karriere als Model. „Du musst trotzdem ein guter Werbeträger für große Firmen sein, wenn du Geld verdienen willst“, sagt Sinervo. Die meisten Ex-Kandidatinnen entwickeln sich nicht weiter und dann sei man ihnen auch schnell wieder entfolgt. Um als Influencer:in erfolgreich zu sein, müsse man wirklich guten Content kreieren und das könne eben auch nicht jeder.