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5 Gründe, warum die Grünen die Räumung in Lützerath unterstützen

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Von: Jana Stäbener

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Wirtschaftsminister Robert Habeck kritisiert die Proteste in Lützerath. Und das als Grüner? Wir erklären, warum die Grünen die Räumung unterstützen.

Die Grünen, das sind doch eigentlich die Partei, die auf Seite der Klima-Aktivist:innen steht, denken sich momentan viele. Annalena Baerbock war es doch, die den Kohleausstieg bis 2030 im Wahlkampf 2021 als „absolute Priorität“ bezeichnet hatte. Und Wirtschaftsminister Robert Habeck, der war doch 2012 Umweltminister in Schleswig-Holstein und konnte den Anteil der erneuerbaren Energien dort verdoppeln. 

Und jetzt? Lassen sich die Grünen „Ziele von RWE diktieren“, kritisieren Lützerath-Aktivist:innen. Bundesvorsitzender der Grünen, Omid Nouripour unterstützte im ZDF-Morgenmagazin explizit nicht, dass Klima-Aktivist:innen die Räumung von Lützerath verhindern. Robert Habeck äußerte am 13. Januar ebenfalls wenig Verständnis und kritisierte die Proteste.

Aber warum unterstützen Politiker:innen wie Habeck nun die Räumung in Lützerath, anstatt sich mit den Klima-Aktivist:innen zu solidarisieren? Hier 5 Gründe, warum die Grünen Lützerath räumen wollen.

1. In der Opposition war es für die Grünen leichter, beim Klimaschutz 100 Prozent zu geben.

Robert Habeck (Grüne) bei der Fraktionsvorstandsklausur der Grünen-Bundestagsfraktion.
Robert Habeck (Grüne) bei der Fraktionsvorstandsklausur der Grünen-Bundestagsfraktion. © Fabian Sommer/dpa

Sind Parteien nicht an der Macht, so können sie sich meist viel vornehmen und auch fordern. Das sieht man momentan auch an der Union (CDU/CSU), die sich vor allem beim Thema Asylpolitik ganz klar gegen den Kurs der Ampelkoalition positioniert. Eine schnellere Einbürgerung entwerte den deutschen Pass, sagen CDU-Politiker – neun Tweets zu diesem Argument sammeln wir hier.

Sind Parteien an der Macht, so müssen sie bei ihren Zielen oft Abstriche machen. Vor allem, wenn sie eine Koalition mit anderen Parteien eingehen, so wie das bei den Grünen aktuell mit der SPD und FDP der Fall ist. Parteien in Koalitionen bewegen sich aufeinander zu und passen sich so an, dass ein gemeinsames Regieren funktioniert.

Das kann schon mal dazu führen, dass die Parteibasis aufbegehrt. Bei den Grünen ist dies momentan so, berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Es gebe einen offenen Brief gegen die Räumung des Dorfes Lützerath für den Braunkohle-Abbau. Dieser wurde bis Freitagvormittag, 13. Januar 2023, von mehr als 2000 Grünen-Mitglieder unterzeichnet.

2. Die Grünen geraten in der Ampel-Koalition immer wieder mit der FDP aneinander

Olaf Scholz (SPD, r.), Robert Habeck (Grüne, M.) und Christian Lindner (FDP) im Bundestag.
Schlecht Umfragewerte für die Ampel: Die Koalition von Olaf Scholz (SPD, r.), Robert Habeck (Grüne, M.) und Christian Lindner (FDP) hätte derzeit keine Mehrheit. © IMAGO/Jochen Eckel

„Konflikte in der Koalition sind vorprogrammiert“, sagt Jan Kowalzig von Oxfam 2021 zur Deutschen Welle über die Koalition, die die Grünen nach der Bundestagswahl 2021 mit SPD und FDP eingingen. „Hinzu kommt, dass die Grünen in der Koalition mit der SPD und der FDP nur sehr bedingt Verbündete im Klimaschutz finden werden“, war damals seine Einschätzung.

Sichtbar wurde dies, als Habeck im Oktober 2022 verkündete, dass sich der Energiekonzern RWE statt 2038 bereits im Jahr 2030 aus der Förderung von Braunkohle in Nordrhein-Westfalen herausziehen wird. Damals äußerte unter anderem die FDP Kritik am vorschnellen Kohleausstieg. Aus Sicht der Partei berge dieses Vorgehen erhebliche Risiken. So verwiesen Politiker wie Stefan Birkner (FDP) auf die Herausforderungen der Gas- und Stromkrise in Deutschland.

Mehr zu Lützerath: Zwei Aktivist:innen wollen mit Tunnel unter Lützerath die Räumung hinauszögern.

3. Schon im Koalitionsvertrag der Bundesregierung bleibt offen, was mit Lützerath passiert

Die Zukunft der Energiegewinnung im Blick: Der Kohleausstieg ist ohnehin längst beschlossen, die schwarz-grüne NRW-Landesregierung hat sich mit RWE auf den vorgezogenen Ausstieg bis 2030 geeinigt. Trotzdem soll Lützerath geräumt werden.
Die Zukunft der Energiegewinnung im Blick: Der Kohleausstieg ist ohnehin längst beschlossen, die schwarz-grüne NRW-Landesregierung hat sich mit RWE auf den vorgezogenen Ausstieg bis 2030 geeinigt. Trotzdem soll Lützerath geräumt werden. © Christoph Reichwein/dpa

„Die im dritten Umsiedlungsabschnitt betroffenen Dörfer im Rheinischen Revier wollen wir erhalten. Über Lützerath werden die Gerichte entscheiden“, steht im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition von 2021. Ähnlich ist es im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen in Nordrhein-Westfalen (NRW). Dort steht: „Alle Dörfer des dritten Umsiedlungsabschnitts werden wir erhalten. Die Tagebauplanung für den Tagebau Garzweiler muss dementsprechend zeitnah angepasst werden.“

Lützerath gehört laut WDR zum zweiten Umsiedlungsabschnitt, ein explizites Bekenntnis zu seinem Schutz gab es von Schwarz-Grün in NRW also nicht. Schon damals gab es von den Grünen Delegierten Kritik an den Themen Tagebau und Lützerath. Vertreter:innen vom Niederrhein und von der Grünen Jugend zeigten sich im Juni 2022 enttäuscht, weil die Themen nicht in den Vertrag aufgenommen wurden.

4. Laut der Grünen braucht es Lützerath wegen der Energiekrise

Räumung von Lützerath: Grüne verteidigen die Entscheidung.
Räumung von Lützerath: Grüne verteidigen die Entscheidung. © Fabian Sommer/dpa

Das sagen zumindest die Regierung in NRW und der Konzern RWE. Die Braunkohle in Lützerath werde gebraucht, um Versorgungssicherheit zu garantieren. Sie zitieren Gutachten des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie Nordrhein-Westfalens, nach denen nur die Braunkohle den zukünftig entstehenden Bedarf decken könne.

Gutachten von Wissenschaftler:innen der Europa-Universität Flensburg, der Technischen Universität Berlin und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) kommen jedoch zu einem gegenteiligen Schluss. Ein dpa-Faktencheck kommt zu dem Schluss: Hierzu gibt es widersprüchliche Untersuchungen und es kann nicht abschließend geklärt werden, was stimmt.

Hier 23 Fotos, die zeigen, was aktuell bei der Räumung in Lützerath abgeht.

5. Für die Grünen ist die Räumung von Lützerath ein Kompromiss im Deal mit RWE

Omid Nouripour, aufgenommen im Rahmen einer Pressekonferenz in der Bundesgeschaeftsstelle von Buendnis 90/Die Gruenen
Omid Nouripour, Vorsitzender von den Grünen. © IMAGO/Felix Zahn

Ähnlich weit gehen die Meinungen beim fünften Grund auseinander. Laut Omid Nouripour, Vorsitzender von den Grünen, sei der Abbau von Braunkohle in Lützerath Teil eines „Kompromisses“, den er „wirklich gut tragen“ könne. Der Deal habe fünf Dörfer vor der Räumung bewahrt und den auf 2030 vorgezogenen Ausstieg aus der Kohle ermöglicht, sagt er beim ZDF-Morgenmagazin.

Auch Habeck sagte laut dpa Lützerath sei eben nicht das Symbol für ein Weiter-so beim Braunkohletagebau Garzweiler im Rheinland, sondern „es ist der Schlussstrich“. Man ziehe den Kohleausstieg im dortigen Kohlerevier um acht Jahre auf 2030 vor, was immer auch Ziel der Klimabewegung gewesen sei. „Die Vereinbarung gibt uns Planungssicherheit. Ihretwegen werden jetzt Investitionen in eine klimaneutrale Energieversorgung, in Wasserstoffkraftwerke getätigt.“

Für die Grünen ist die Räumung von Lützerath also ein Kompromiss, wie man sie in der Politik häufig findet. Klima-Aktivist:innen werfen ihnen hingegen vor, sich ihre Position von RWE „diktieren“ zu lassen. „Die Rolle der Grünen ist es in diesem Moment, der Bevölkerung einen Greenwashing-Deal zu verkaufen“, sagte Aktivist Florian Özcan Merkur.de von IPPEN.MEDIA.

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