11 Gründe, warum das Wirtschaftssystem in Harry Potters Welt Unsinn ist

In einer Fantasiewelt wie „Harry Potter“ zu leben wäre doch was, oder? Nicht wirklich, denn die Marktwirtschaft dort wäre eine Katastrophe. Hier 11 Gründe, warum.
SPOILERALARM! Wer die Harry-Potter-Bücher und Filme noch nicht kennt, muss bei diesem Text aufpassen.
Die wirtschaftliche Situation sieht aktuell nicht besonders gut aus. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach vor einigen Wochen vor einer „Historischen Herausforderung“ und einer Rezession, die das Leben in Deutschland immer teurer mache. Die Pandemie, der Ukraine-Krieg und der damit verbundene Rohstoffmangel stellen die komplette Welt wirtschaftlich ganz schön auf die Probe. Preise steigen im Rahmen der Inflation (Stand Juni 2022: 7,6 Prozent), Lebensmittel werden teurer und viele fragen sich, ob hinter den explodierenden Preisen nicht auch Gier der Unternehmen steckt. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtete, entschied die Europäische Zentralbank (EZB) am 21. Juli, erstmals seit über zehn Jahren, den Negativzins um 0,5 Prozent, also auf null, zu erhöhen.
Liest man von Rezession, steigenden Preisen und Co. will man am liebsten in eine Fantasiewelt eintauchen, in der es diese Probleme nicht gibt. Wie wäre es zum Beispiel mit Harry Potter? Da gibt es keine Inflation und auch keine fallenden Aktienkurse, um die man sich sorgen muss. Genau das ist ein Problem, finden die Wirtschaftswissenschaftler Daniel Levy und Avichai Snir aus Israel. Sie haben die Harry Potter-Bücher von Joanne K. Rowling intensiv auseinandergenommen und festgestellt: Die wirtschaftliche Situation in der Zauberwelt ist ziemlich katastrophal.
BuzzFeed News Deutschland zeigt elf Gründe, warum die Marktwirtschaft bei Harry Potter zum Scheitern verurteilt wäre.
Harry Potter: 11 Gründe, warum die Marktwirtschaft eine Katastrophe ist
Die Ökonomen Levy und Snir veröffentlichen ihre Ergebnisse im Journal-Artikel „Pottersche Wirtschaft“ (engl. „Potterian Economics“), der am 19. Juli 2022 bei „Oxford Open Economics“ erschien. Unter anderem die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hatte über ihre Studienergebnisse zuvor berichtet. Aber warum beschäftigten sich die Forscher überhaupt mit einer Fantasiewelt? Weil neuste Studien anscheinend zeigten, dass fiktionale Werke wie Harry Potter einen enormen Einfluss auf die Leser:innen ausüben und ihr Bild von einer Marktwirtschaft deutlich prägen, schreiben die Wissenschaftler in ihrem Journal-Artikel.
Schaut man sich den 30-seitigen Fachartikel der beiden Wissenschaftler genauer an, so heben die Autoren fast nur negative Aspekte aus Harry Potters Wirtschaft hervor. Die Liste ist endlos: von Korruption, Monopolen, fehlenden Sozialstrukturen und zu wenig sozialem Aufstieg ist alles dabei, das eine moderne, gut funktionierende Wirtschaft eigentlich haben sollte. Ein:e naive:r Leser:in erhalte von Harry Potter also „ein verzerrtes Bild der Wirtschaft“ schließen sie.
Klar, Harry Potter bleibt eine Fantasiewelt, in der Fakten zwangsläufig „verzerrt“ werden. Viele Dinge ergeben im echten Leben keinen Sinn – hier stellen wir uns 21 Fragen, die wir immer noch zu „Harry Potter“ haben. Aber warum ist denn das Wirtschaftssystem in Harry Potter jetzt eigentlich so schlimm? Hier 11 Gründe.
1. Die Bank Gringotts ist der Inbegriff eines klassischen Monopols.

Dass die „Potterianer“, wie Levy und Snir sie nennen, nur eine Bank haben, nämlich Gringotts, mache diese zu einer Lehrbuchversion eines perfekten Monopols. Außerdem sei es seltsam, dass die Bank vor allem Zauberer und Hexen bediene, obwohl es selbst nur Kobolde seien, die in der Bank arbeiten. Laut den Büchern gebe es dort zwar die Möglichkeit Gold gegen andere Wertgegenstände oder auch „Muggelgeld“ zu tauschen, das geschehe aber viel zu selten.
2. Reiche Menschen sind überwiegend Fieslinge, was einen schlechten Anreiz setzt.

Wer unternehmerisch erfolgreich sein will, braucht Vorbilder, heißt es in der Studie. Und woher sollen die bei Harry Potter kommen? Reiche Familien wie beispielsweise die Malfoy-Eltern (hier schreiben wir darüber, wie Draco Malfoy von Ex-GNTM-Kandidatin Sophie angehimmelt wird) sind der Inbegriff des Bösen, da sie mit Lord Voldemord in Verbindung gebracht werden. Die beliebten Weasleys dagegen leben in einem bescheidenen, altertümlich aussehenden Haus und sind „die Guten“ in der Harry-Potter-Reihe. Damit bedient sich Joanne K. Rowling einer eher altmodischen Art des Geschichten-Erzählens. Aktuelle Studien aus Indien beispielsweise zeigen, dass die Charaktere reicher Kaufleute von Bösewichten zu Helden geworden sind – laut der Forschenden eine moderne Art, Wirtschaft in positiverem Licht zu zeigen.
3. Bei Harry Potter gibt es weder Zinsen noch Aktien. Das Geld liegt einfach im Verlies bei Gringotts.

Wenn Gringotts eine echte Bank ist, dann nimmt sie nicht nur Einlagen entgegen, sondern leiht auch einen Teil dieser Einlagen an andere Kunden, schreiben die Autoren der Studie. Aber das scheinen die kleinen Kobolde gar nicht zu machen. Das Bild von Harry und seinem Tresor voller Geld, mit dem nichts geschehe, suggeriere ein falsches Bild vom Sparen, nämlich das, dass das Geld dort am besten aufgehoben sei. In Zeiten von Inflation ist dies jedoch nicht der Fall – im Gegenteil: Geld, das auf der Bank liegt, verliert an Wert.
Weil die Bank also kein Geld verleiht und auch keine Zinsen gibt, müssen einige Zauberer und Hexen immer wieder von einem Freund oder von illegalen Wucherern leihen, schreiben die Autoren. Ein Beispiel sei, als die Weasley-Zwillinge Fred und George ihren Scherzartikelladen „Weasleys‘ Wizard Wheezes“eröffnen und sich dafür Geld von Harry leihen. Hier teilen wir magische Harry-Potter-Memes, die lustiger sind als die Zwillinge Fred und George.
4. Der Wechselkurs beim Zauberer-Geld ist viel zu kompliziert.

Bei Harry Potter gebe es drei Arten Münzen: goldene Galeonen, silberne Sicheln und bronzene Knuts, wobei eine Galeone 17 Sicheln entspricht und eine Sichel 29 Knuts entspreche. Dieses Geldsystem der Zauberer ähnele dem alten englischen Geldsystem, das vom Mittelalter bis 1971 bestand. Dieses System sei erstens viel zu kompliziert, zweitens sei es seltsam, dass auch Münzen von anderen Zauberern und Hexen aus fremden Ländern denselben Wert hätten – trotz unterschiedlicher Größen.
Das Pottersche Geldsystem habe außerdem einen weiteren wichtigen Fehler: die unangemessen große Lücke zwischen dem Warenwert einer Gold-Galeone und ihrem Tauschwert. Auf der Grundlage von Informationen aus drei Quellen schätze man den Galeon-Dollar-Wechselkurs auf etwa 7,30 $ pro Galeone, was viel zu wenig sei verglichen mit der Menge an Gold, aus der die Münze bestehen würde.
5. Zauberer, Hexen und Kobolde sind nicht gierig genug für eine kapitalistische Marktwirtschaft.

Gerade weil der Wechselkurs zum Dollar so niedrig sei, wäre es seltsam, dass Zauberer, Hexen und vor allem auch die angeblich so geschäftstüchtigen Kobolde das Gold nicht schmelzen und an Muggel (Menschen) verkaufen. Das wären immense Gewinne mit praktisch nicht vorhandenem Risiko, so die Ökonomen. In jedem realistischen „Warengeldmodell“ gebe es zumindest ein paar Menschen, die solche profitablen Arbitrage-Möglichkeiten [Anm. der Red.: Ausnutzung von Kurs- oder Preisunterschieden an verschiedenen Börsen bzw. Märkten] ausnutzen würden.
6. Handelsbeschränkungen und andere unsinnige Vorschriften machen den Zauberern und Hexen bei Harry Potter das Leben schwer.
Zauberer können problemlos und kostengünstig weite Strecken zurücklegen, indem sie teleportieren (siehe GIF oben). Es gibt also kaum Beschränkungen für internationale Reisen. Dennoch gebe es in Harry Potter nur wenig internationalen Handel, merken die Wirtschaftsexperten an. Problem sei hier auch, dass die Zauberer wenige Sprachen sprechen würden (siehe Krum und Hermine beim Abschlussball – hier übrigens 12 Harry-Potter-Pärchen, die sich Fans von den Filmen gewünscht haben) und sich schlecht verständigen könnten, was internationalen Handel schwieriger mache.
Ausländische Waren sind also sehr selten in der Winkelgasse oder in Hogsmeade zu finden – wenn zum Beispiel ein führender englischer Zauberstab-Hersteller verschwinde, wüssten die Zauberer nicht, wo sie einen anderen Zauberstabhersteller finden, obwohl es (so stehe es in den Büchern) mehrere Qualitäts-Hersteller in anderen Ländern gebe.
7. Bei Harry Potter gibt es so gut wie kein Sozialkapital.

Auch weil die „Pottersche Wirtschaft“ so wenig internationalen Handel habe, würde der Bestand an Humankapital nicht wachsen und Investitionen seien nicht vorhanden. All das sei dann wiederum problematisch für „die Entscheidungsträger, die soziale Wohlfahrt zu maximieren versuchen“. Soziale Institutionen sind rar (es gibt eine Schule? Eine?), in Gefängnissen herrscht kein menschengerechter Umgang (Gefangenen wird schließlich die Seele ausgesaugt) und es gibt keinerlei Rechte für Haussklaven wie Dobby (siehe oben). In diesem Punkt sei die Harry-Potter-Welt vielen Volkswirtschaften auf dieser Erde jedoch erschreckend ähnlich, so das Fazit der Ökonomen. So auch der in China: Hier wird die Personengruppe der Uiguren diskriminiert und muss in einer Disney-ähnlichen Kulissen-Stadt leben.
8. In der Zauberwelt gibt es zu wenig sozialen Klassenaufstieg.

Klassenaufstieg wird von den Forschern auch als „soziale Mobilität“ bezeichnet. Die sei bei Harry Potter meist abwärts gerichtet. Es gibt nur eine prominente Figur, die es von ganz unten nach ganz oben schafft und das sei Voldemort. Menschen, die die soziale Leiter heruntersteigen gebe es hingegen mehrere: Sirius Black, Andromeda Tonks und die Gaunts. Das sei kein gutes Vorbild für die Leser:innen, sind sich Snir und Levy einig.
Erfreulich sei, dass die Mobilität zwischen Zauberern aus der Unter- und der Mittelschicht weitaus häufiger sei. Ein Beispiel hierfür wäre Hermine, die sich von der „Schlammblut-Zauberin“ zur Ministerin für Zauberei hocharbeitet. Auch einige der Weasley-Söhne hätten sich sozial verbessert – schade sei jedoch auch, dass die Mutter der Weasleys ihre Kinder nicht zum Unternehmertum ermutige, weil sie glaube, dass Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor eine bessere Reputation hätten.
9. Die Regierung bei Harry Potter ist korrupt und wird trotzdem anerkannt.
Cornelius Fudge ist in der Harry-Potter-Reihe lange der Minister für Zauberei. Er wirkt nicht gerade helle und scheint mehr als einmal eher willkürlich zu handeln, als auf politischen Interessen basierend. Er glaubt so beispielsweise lange nicht, dass der Bösewicht Voldemort zurückgekehrt ist. Immer wieder wird in den Büchern klar, dass die Regierung und das gesamte Zaubereiministerium korrupt ist. Es werde von Eliten kontrolliert und für deren Zwecke benutzt, schreiben die Autoren der Studie. Trotzdem werde die Regierung anerkannt, was problematisch sei. Auch Lehrer:innen wie die Schreckschraube Dolores Umbridge werden trotz fehlender Qualifikationen in Jobs geschleust – einfach um die Kontrolle zu behalten. Hier 13 Meinungen zu Harry Potter, die so beliebt sind wie Dolores Umbridge.
10. Beamte werden unabhängig von ihrer Effizienz im Job gehalten (gut, das kennen wir auch in Deutschland).

Eine Sache, die uns in Deutschland vielleicht gar nicht so unbekannt vorkommt, ist diese hier: Laut der Wirtschaftsexperten gebe es bei Harry Potter mehrere Charaktere, die als Beamte arbeiten und trotz schlechter Leistungen im Job blieben. Das gelte vor allem für Angestellte des Zaubereiministeriums, aber wahre Harry-Potter-Nerds wissen: Auch die Lehrerin Sybill Trelawney ist solch ein Fall (auch wenn Dumbledore noch einen weiteren Grund hatte, sie in Hogwarts zu halten). Sie sitzt in ihrem Türmchen, unterrichtet ihren Schüler:innen seltsame Dinge und muss sich dennoch keine Sorgen um ihren Job machen. Ein wahr gewordener Beamtentraum...
Auch der Lehrer Gilderoy Lockhart ist komplett unfähig – hier teilen wir 23 Momente, in denen Harry Potter aber ein noch größerer Vollidiot war, als Gilderoy Lockhart.
11. In der Zauberer-Welt fehlt jeglicher technologischer Fortschritt.
Wie Snir und Levy schon 2010 feststellten, wächst die Wirtschaft in der Potter-Welt nicht. Und warum? Weil es keinen Fortschritt gibt. Sowohl bei den Arbeitskräften (jeder kann sich ja einfach aus dem Nichts herbeizaubern, was er oder sie sich gerade wünscht) noch beim Sach- oder Humankapital. Auch der technologische Fortschritt sei hier nicht zu finden.
Ein gutes Beispiel dafür ist das Auto der Weasleys, das es nicht mal schafft Harry und Ron unbeschadet in Hogwarts abzusetzen. Nur die Besenindustrie der Potterianer sei eine Ausnahme, so die Ökonomen. Hier hat sich definitiv etwas getan, wie wir an Harrys Besen-Vergangenheit sehen, die vom Nimbus 2000 bis zum gehypten Feuerblitz reicht, den sogar die National-Spieler der Quidditch-Mannschaften verwenden.
Apropos technischer Fortschritt: Bei Harry Potter werden immer noch Briefe verschickt. Doch was wäre, wenn Harry Potter in Deutschland spielen würde? Käme die Einladung zu Hogwarts dann per Fax?