Hassan Akkouch: „Habe bewiesen, dass es Menschen wie mich in der Filmbranche braucht“

27 Jahre lang war er als Geflüchteter von der Abschiebung bedroht, heute ist Hassan Akkouch ein etablierter Schauspieler. Wir haben ihn zum Interview getroffen.
Er hat mit seinen 34 Jahren bereits einen ereignisreichen Lebensweg hinter sich: Der Schauspieler Hassan Akkouch kam 1990 als libanesischer Bürgerkriegsgeflüchteter nach Deutschland, lebte jahrzehntelang mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus in Berlin und wurde sogar schon zeitweise in den Libanon abgeschoben – und doch hat er es geschafft, sich als ernst zu nehmender Schauspieler zu etablieren. Andere haben nicht so viel Glück und werden als Geflüchtete in „brutale Verfolgerstaaten“ abgeschoben
Ein Dokumentarfilm von 2010, „Neukölln Unlimited“, begleitete ihn und seine Familie jahrelang bei deren Bemühungen, dauerhaft in Deutschland bleiben zu dürfen. Damals machte Akkouch sich als professioneller Tänzer einen Namen, der auch auf Bühnen in Paris auftrat. Als er schließlich 2017, nach 27 Jahren in Deutschland, eingebürgert wurde, hatte Akkouch inzwischen als Schauspieler Fuß gefasst. Seine Biografie verdeutlicht, wie wichtig es ist, Geflüchteten eine Chance zu geben, Teil dieser Gesellschaft zu werden – statt sie etwa in ein Land wie Ruanda zu deportieren, wie es Großbritannien vor wenigen Monaten plante.
Hassan Akkouch: Früher Geflüchteter, heute TV-Kommissar
Seinen schauspielerischen Durchbruch hatte er im selben Jahr mit seiner Rolle in der preisgekrönten Dramaserie „4 Blocks“, in der er ein kriminelles Clanmitglied in Berlin spielt. Mittlerweile wirkt er auch an Kinoproduktionen wie der Komödie „Contra“ (2020) mit, wo er an der Seite von Christoph Maria Herbst zu sehen ist. Für die ARD verkörpert er in der Vorabendserie „WaPo Berlin“ einen TV-Kommissar.
Es scheint, als sei Akkouch angekommen. Dieses Jahr wird er die Verleihung des „First Steps Awards“ im Berliner Motorwerk moderieren. Der Nachwuchspreis wird am 26. September in neun Kategorien vergeben und zeichnet junge Filmschaffende aus dem gesamten deutschsprachigen Raum aus.
Im Gespräch mit BuzzFeed News Deutschland erzählt er davon, wie er seine Rolle als deutscher Schauspieler mit libanesischem Migrationshintergrund sieht, warum er weiterhin Kriminelle spielen würde und was er schon alles auf deutschen Schauspielschulen erlebt hat.
Du bist 1990 aus dem Libanon nach Deutschland geflüchtet und spielst nun einen TV-Kommissar in einer typisch deutschen Vorabendserie. Was sagen deine Familie und Freunde dazu?
Mein Vater war nicht begeistert, dass ich Schauspieler werden möchte. Aber ich habe gezeigt, dass man auch als Schauspieler mit Migrationshintergrund viel erreichen kann, ohne seine Herkunftskultur oder seine Religion zu vernachlässigen. Ich denke, ich habe sogar bewiesen, dass es Menschen wie mich in der deutschen Filmbranche braucht. Mein Vater war schließlich auch ganz stolz auf mich, als die Leute ihm erzählten, sie hätten mich im Fernsehen gesehen.
Die Berliner Morgenpost nennt die Rolle eines TV-Kommissars einen „Adelstitel“ für einen Schauspieler im deutschen Filmgeschäft. Fühlst du dich mit deiner Rolle bei “WaPo Berlin” endgültig in der deutschen Filmbranche angekommen?
Wichtig für mich ist, als vollwertiger Schauspieler wahrgenommen zu werden.. Wenn es heißt, wir brauchen Hassan für die Rolle, weil er ein guter Schauspieler ist, dann fühle ich mich angekommen. Inzwischen werde ich nicht nur angefragt für arabischstämmige Rollen, sondern für alle möglichen. Bewiesen habe ich mich ironischerweise mit der Rolle eines Drogendealers in der Serie „4 Blocks”. In der Rolle hatte ich Raum zur Entfaltung. Sie hatte Substanz und einen eigenen Handlungsstrang. Ich war nicht nur ein Krimineller in einem Verhörraum.
Es geht dir bei der Wahl deiner Rollen also mehr darum, welche Möglichkeiten zur schauspielerischen Entfaltung sie dir bieten, und weniger darum, in welchem Milieu sie angesiedelt sind?
Ich kann auch noch hundert Gangster spielen. Das ist mir egal, solange diese Rollen gut geschrieben sind. Mit „4 Blocks” hatte ich die Gelegenheit zu beweisen, dass ich ein echter Schauspieler bin und nicht bloß ein Araber, der vor der Kamera steht. Solche Rollen, in denen sich Kolleg:innen mit Migrationshintergrund beweisen können, gibt es leider nicht genug.
Was können junge Film- und Serienproduktionen tun, um mit Klischees und Vorurteilen aufzuräumen?
Es geht vor allem darum, marginalisierte Gruppen, um die es in einem Film oder einer Serie geht, bei der Entwicklung der Stoffe zu integrieren und sie dazu zu ermutigen, selbst die Initiative zu ergreifen. Ich möchte ihnen sagen: Ihr dürft nicht darauf warten, dass weiße Menschen eure Geschichte erzählen, sondern ihr müsst sie selbst erzählen. Das hängt aber damit zusammen, ob sie überhaupt die Möglichkeit dazu haben. Film- und Schauspielschulen müssen diverser werden, mehr Menschen mit Migrationshintergründen aufnehmen. Oft geht es allerdings schon bei der Ausbildung und den Castings unfair zu, wie ich auch selbst schon erlebt habe.
Du hast selbst schon Ungleichbehandlung erfahren?
Beim Vorsprechen für eine Schauspielschule kam jemand in meine Prüfung, der gar nicht mein Prüfer war. Er hat sich mir grinsend gegenübergesetzt und die ganze Zeit den Prüfer abgelenkt, ihm Dinge ins Ohr geflüstert. Es war absurd. Ich wusste ganz genau, worum es geht und, dass ich wegen meiner Herkunft keine Chance habe. An den meisten Schulen bin ich weitergekommen. Nur an zwei Schulen aus sehr offensichtlichen Gründen nicht. Dort, an der Basis also, gibt es noch Verbesserungspotenzial.
Was sind deine Pläne für die Zukunft? Gibt es eine Rolle, die du unbedingt noch spielen möchtest, oder eine Produktion, an der du unbedingt mitwirken möchtest?
Es soll ein Film produziert werden, in dem die Sprache im Versmaß gehalten ist. Die Sprache ist sehr theatermäßig, aber die Handlung spielt in der Gegenwart. Darauf hätte ich richtig Lust. Das wäre eine große Herausforderung. Für meine letzte Rolle musste ich lernen, als Rechtshänder alles mit der linken Hand zu machen. Ich musste sieben Kilo abnehmen und Gesangs- und Klavierunterricht nehmen. Morgens habe ich mit rechts gegessen und nebenbei mit links geschrieben. Ich möchte am liebsten nur noch an Filmen arbeiten, die mich herausfordern, die mich zwingen, neue Dinge zu lernen.