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Petition rettet Hebammen: Lauterbach streicht sie nicht aus Pflegebudget

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Von: Felicitas Breschendorf, Jana Stäbener, Pia Seitler

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Hebamme. Gibt es nach der Finanzreform noch Hebammen in Krankenhaus?
Gibt es nach der Finanzreform noch Hebammen in Krankenhaus? (Symbolbild) © Westend61/ Imago

In einer Petition wehren sich Hebammen, dass sie aus dem Pflegebudget gestrichen werden. Mit Erfolg: Karl Lauterbach lenkt ein.

Update vom 10.11.2022, 10:40 Uhr: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geht auf die Forderungen der Berufsverbände wie dem Deutschen Hebammenverband (DHV) ein und sagte am Mittwoch, 9. November, der Rheinischen Post, dass Hebammen auch künftig im sogenannten Pflegebudget bleiben sollen. Zugleich kündigte er an, dass die Hebammen auch aus dem Fallpauschalensystem genommen werden sollen, das heißt ihre Leistungen sollen gesondert bezahlt werden. „Auf dem Rücken der Hebammen sollen Krankenhäuser künftig nicht mehr sparen können“, so Lauterbach.

Update vom 08.11.2022, 15:44 Uhr: Der Deutsche Hebammenverband (DHV) unterstützt die Petition, die eine Änderung des GKV Finanzierungsgesetzes und die Berücksichtigung von Hebammen und anderem medizinischen Fachpersonal fordert. Die Petition zeige deutlich, „dass es hier nicht um die Befindlichkeit einer einzelnen Berufsgruppe geht“, heißt es in einem Statement des DHV, das BuzzFeed News DE vorliegt. Es gehe darum, die professionelle Betreuung und Versorgung von Frau und Kind sicherzustellen. „Das ist ein Grundrecht, das jede Frau unabhängig vom sozialen Hintergrund für sich in Anspruch nehmen kann und für das wir uns hier in Deutschland als Gesellschaft verbürgen“

Wenn Hebammen in der Versorgung nicht mitgedacht werden und für Hebammenhilfe im Wochenbett oder für die Betreuung von Risikoschwangeren kein Geld da sei, dann sei das nicht nur existentiell für Hebammen. Der DHV sieht damit die Geburtshilfe als solche bedroht. 

Spätestens mit dieser Petition, deren Resonanz die Tragweite der aktuellen Gesetzesverstöße für alle Menschen hierzulande sichtbar macht, sind die politischen Entscheidungsträger:innen aufgerufen, das Anliegen ernst zu nehmen: Eine sichere, hochwertige geburtshilfliche Versorgung ist ohne Hebammen nicht möglich! 

Deutscher Hebammenverband

Der DHV fordert, zuerst die Fehler der vergangenen Monate zu korrigieren und dann „schnellstmöglich die vielfältigen strukturellen Probleme der klinischen Geburtshilfe“ zu beheben.

Originalmeldung vom 08.11.2022, 08:30 Uhr: Der Bundestag beschloss am 20. Oktober eine Finanzreform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte das Gesetz, das mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP angenommen wurde. Im Netz fordern Unterzeichnende einer Petition die Überarbeitung des sogenannten GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes. Der Grund: Hebammen sollen nicht mehr im Pflegebudget für Krankenhäuser berücksichtigt werden können.

Was bedeutet die Finanzreform der gesetzlichen Krankenversicherung für Hebammen?

„Für den Krankenhausbereich ist geplant, dass ab 2024 nur noch die Pflegepersonalkosten qualifizierter Pflegekräfte, die in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen eingesetzt werden, im Pflegebudget berücksichtigt werden können“, heißt es auf der Seite des Bundestags. Weiteres medizinisches Fachpersonal müssen die Krankenhäuser dann anderweitig finanzieren, heißt es in der Petition, die am Montagabend (7. November) beinahe eine Million Menschen unterschrieben haben. Neben Hebammen und Entbindungspfleger:innen betreffe das neue Gesetz auch Physio- und Ergotherapeut:innen, Logopäd:innen und Heilerziehungspfleger:innen.

Kritik vom Hebammenverband: Pflegekräfte können Hebammen nicht ersetzen

Der Deutsche Hebammenverband kritisierte die „katastrophale Auswirkungen auf die klinische Geburtshilfe“. Das Gesetz gefährde „die Versorgung von Frauen und Kindern in bisher ungekanntem Maße.“ Hebammen, die Frauen und Babys pflegen, werden in Krankenhäusern anstelle von Pflegekräften beschäftigt, „die an anderer Stelle dringender gebraucht werden“.

Es handelt sich bei Hebammen um „Expert:innen für die Versorgung und Pflege von Riksikoschwangeren oder Frauen im Wochenbett“, heißt es in einem Pressestatement des Verbands. Anderes Pflegepersonal oder Ärzt:innen könnten sie deshalb nicht ersetzen, heißt es auch in der Petition. „Für eine komplikationslose Geburt und Nachsorge ist die Betreuung durch eine Hebamme unerlässlich.“

Hier sind 13 Dinge, die du eine Hebamme schon immer zu ihrer Ausbildung fragen wolltest.

Petition warnt vor geschlossenen Geburtshilfe-Stationen in Krankenhäusern

In der Petition wird davor gewarnt, dass Krankenhäuser ihre Geburtshilfe-Stationen schließen könnten. Schon jetzt gibt es laut dem Hebammenverband immer weniger Krankenhäuser mit Geburtshilfe: Von 1186 Krankenhäuser im Jahr 1991 sank die Zahl auf 655 im Jahr 2018. Kreißsäle und Wochenbettstationen seien deshalb ohnehin schon überfüllt, heißt es in der Petition. „Eine weitere Schließung von Geburtshilfe-Kliniken würde das System noch mehr überlasten und Schwangere vor weitere große Probleme stellen.“

Gesetz gefährdet Ausbildung von Hebammen

Die Hebamme Stephanie glaubt, dass Krankenhäuser sich durch das Gesetz keine Hebammen mehr leisten können. „Die können ja froh sein, wenn sie genügend Taler haben, um die Glühbirne anzuknipsen“, schreibt sie spöttisch auf Instagram.

Stephanie selbst bildet Hebammen aus und ist durch das Gesetz somit auf eine andere Art betroffen. Denn auch die Ausbildung von Hebammen ist durch die Finanzreform gefährdet, wie der Hebammenverband schreibt. Normalerweise bekommen Auszubildende eine Praxisanleitung im Krankenhaus, die von Hebammen angeleitet wird. Stellt das Krankenhaus jedoch keine Hebammen mehr an, gibt es diesen Ausbildungsteil in der Form nicht mehr. In Deutschland ist bereits fast jeder zehnte Mensch arbeitslos, weil Ausbildungsbetriebe fehlen.

Eine weitere Folge könne sein, dass viele Hebammen in die Freiberuflichkeit wechseln, schreibt Stephanie. Das ändere aber nichts daran, dass sie bei der Geburt im Krankenhaus fehlen. „Wie es mit den Geburten dann jedoch aussieht?“, fragt sie in ihrem Post. Vielleicht „ein bisschen wie in Star Wars? Stylische Blechröhre wie bei Padma? Mit Klonen dazu?“

Waa fordert die Petition von Karl Lauterbach?

Die Petition fordert eine Änderung des GKV Finanzierungsgesetzes. Hebammen und anderes medizinisches Fachpersonal sollen weiterhin von dem Pflegebudget berücksichtigt werden. „Frauen brauchen Hebammen in Kliniken bei der Entbindung und danach“, steht in der Petition. Außerdem fordert die Petition, dass sich die Arbeitsbedingungen für Hebammen verbessern sollen. „Eine Geburt im Krankenhaus und eine Betreuung durch eine qualifizierte Hebamme sollte kein Luxus sein. Sie sollte ein Grundrecht für jede Frau sein!“

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