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5 Gründe, warum es schwachsinnig ist, dass alle auf Histamin verzichten wollen

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Von: Jana Stäbener

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Das Start-up „HistaFit“ sagt Histamin bei der „Höhle der Löwen“ den Kampf an. Aber wie sinnvoll ist es, als gesunde Person auf Histamin zu verzichten?

Ist Histamin das neue Gluten, auf das angeblich alle verzichten sollten? So wirkt es zumindest, wenn man sich den TikTok-Channel von „HistaFit“ anschaut, auf dem Melina Neumann (24) und Ana Hansel (37) als „Experten für Histamin-Intoleranz und histaminarme Ernährung“ auftreten. Dort geben sie Tipps für den perfekten „histaminarmen Sommer“ oder zeigen Rezepte von Burgern mit Salatblättern statt Brötchen (siehe unten). Am 17. Oktober waren sie mit „HistaFit“ bei der Höhle der Löwen (DHDL) und überzeugten dort gleich mehrere Investor:innen von ihrem Start-up.

Manche Lebensmittel sind bewiesenermaßen schädlich – auch hier vor allem, wenn sie in großen Mengen konsumiert werden. Hier erzählen TikToker, dass Energydrinks sie krank gemacht haben.

„HistaFit“ bei der Höhle der Löwen: Histamin den Kampf ansagen

Laut Fitbook legten die zwei Frauen bei der „Höhle der Löwen“ einen „glänzenden Auftritt“ hin. Ihr Ziel: Sie wollen neben Selbsthilfeseminaren nun noch weitergehen und Histamin durch histaminarme Produkte den Kampf ansagen. Aktuell haben sie bereits sechs Produkte entwickelt – unter anderem ein Müsliriegel, ein Brotaufstrich und tomatenartige Soße ohne Tomaten. Mit den DHDL-Investoren Nils Glagau und Ralf Dümmel einigen sich die „HistaFit“-Gründerinnen schließlich auf 20 Prozent Firmenanteile für 160.000 Euro, die helfen sollen, histaminarme Produkte in deutsche Supermärkte zu bringen.

Frau, die sich die Hand an den Kopf hält und Tomaten, Wein und Pizza.
Endgegner Histamin: Sollte man auf histaminhaltige Lebensmittel wie Wein, Tomaten und Pizza lieber verzichten? © YAY Images/Shotshop/IMAGO

Der Hype um Histamin ist groß – zumindest auf TikTok ist der Account von „HistaFit“ nicht der einzige, der über Histaminintoleranz (auch HIT genannt) aufklärt. Menschen, die darunter leiden, können Histamine nicht richtig abbauen. Symptome sind dann Bauchkrämpfe, Durchfälle, Übelkeit, Hautrötungen, Schwindel, Herzrasen, mitunter sogar Atemnot und Kreislaufprobleme. Die Liste der Lebensmittel, die man mit Histaminintoleranz meiden sollte, ist lang: Gemüse, Käse, Wurstwaren, Fleisch, Fisch, Wein, Bier, Schokolade, Fette, Eier, Hülsenfrüchte, Nudeln, Essig, Chili – in fast allen Lebensmitteln findet sich das biogene Eiweiß Histamin.

Bedeutet das jetzt, dass man diese Dinge alle nicht mehr essen sollte? Definitiv nicht, vor allem, wenn du überhaupt keine Beschwerden hast und bei dir auch noch keine Histaminintoleranz oder Unverträglichkeit festgestellt wurde. Genauso wie auch Laktose und Gluten ist Histamin per se nicht schädlich. Histaminarme Lebensmittel von „HistaFit“ ergeben für Menschen Sinn, deren Körper Histamin nicht abbauen kann – für alle anderen ist es schwachsinnig, unbedingt auf Histamin verzichten zu wollen. Hier fünf Gründe, warum.

5 Gründe, warum es schwachsinnig ist, dass alle auf Histamin verzichten wollen

  1. Die Wahrscheinlichkeit, dass du Histamin nicht verträgst, liegt gerade einmal bei etwa drei Prozent. Die „HistaFit“-Gründerinnen sprechen zwar davon, dass 17 Prozent der Bevölkerung eine Histamin-Unverträglichkeit haben – laut Gastroenterologen ist jedoch nur bei etwa ein bis drei Prozent der europäischen Bevölkerung eine Intoleranz wirklich nachgewiesen. Diese Zahlen bestätigt auch das deutsche Bildungs- und Forschungsministerium.
  2. Wir brauchen Histamin, um zu überleben. Histamin ist ein Eiweiß, das wichtige Funktionen erfüllt. Es ist ein wichtiger Botenstoff in deinem Körper, aktiviert zum Beispiel deine Verdauung, senkt den Blutdruck und ist an der Immunabwehr beteiligt. Unser Körper kann Histamin auch selbst produzieren. Es steuert wichtige Körperfunktionen wie den Schlaf-Wach-Rhythmus und die Magensäureproduktion.
  3. Die durchschnittliche Person nimmt laut des Instituts für Ernährungsmedizin der Technischen Universität München (TUM) täglich ungefähr 4 Milligramm Histamin durch die Nahrung zu sich. Bei einer gesunden Person liegt die Verträglichkeitsmenge bei 10 Milligramm Histamin pro Tag. Lebensmittel sind erst ab einer Histaminkonzentration von 100-225mg/kg kritisch – das betreffe vor allem lang gelagerte oder gereifte Lebensmittel (zum Beispiel Bier, Wein, Sojasoße, Salami, Käse). Es reicht für gesunde Menschen also schon, sich damit nicht vollzustopfen.
  4. Stichwort ist bei Histamin der altbewährte Satz: „Die Dosis macht das Gift.“ Bei Salz ist es ähnlich: Wir brauchen Salz, um zu überleben, zu viel Salz jedoch ist ungesund. Allgemein sollten wir uns deswegen ausgewogen ernähren, nicht zu viel verarbeitete Lebensmittel essen und lang gelagerte und gereifte Lebensmittel wie Wein und Käse eben nur in Maßen genießen. Wer gesund ist, braucht deswegen aber nicht extra histaminarme Produkte.
  5. Hast du dich schon mal gefragt, warum Hafermilch eigentlich so viel teurer ist, als Kuhmilch? Oder warum glutenfreie Haferflocken astronomische Summen kosten? Laut der Verbraucherschutzzentrale kosten „Frei von“-Produkte rund sechsmal mehr. Auch histaminarme Produkte von „HistaFit“ haben dieses Potenzial – das sahen vielleicht auch die Investor:innen bei der Höhle der Löwen. Menschen, denen Histamin jedoch keine gesundheitlichen Probleme bereitet, sollten nicht mit Marketing dazu verleitet werden, darauf verzichten zu wollen.

Obwohl sie teurer ist: Deutsche trinken so wenig Kuhmilch wie nie – wird Pflanzenmilch das neue Normal? 

Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren Redakteurinnen und Redakteuren leider nicht beantwortet werden.

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