Was die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für das Homeoffice bedeutet
Mit zu vielen Überstunden könnte dank des Urteils zur Arbeitszeiterfassung des Bundesarbeitsgerichts bald Schluss sein. Aber was bedeutet das Urteil fürs Homeoffice?
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Das findet zumindest das Bundesarbeitsgericht und entschied, dass Unternehmen in Zukunft verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden zu erfassen. Das Gericht begründet seine Entscheidung laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) mit dem Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das die EU-Länder schon 2019 verpflichtete, „objektiv, verlässlich und zugänglich“ Arbeitszeiten zu erfassen.
Doch was bedeutet das Urteil für die „Arbeitswelt der Zukunft“, die laut arbeitenden Eltern immer noch düster aussieht? BuzzFeed News DE von IPPEN.MEDIA hat das einen Experten für digitale Zeiterfassung und den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) gefragt.
Stechuhr-Urteil sorgt in Zukunft für Pflicht zur Arbeitszeiterfassung
Am Dienstag, 13. September, fällten die höchsten deutschen Arbeitsrichter:innen die Entscheidung zum neuen Stechuhr-Urteil. Es besteht in Deutschland eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Nach dem deutschen Arbeitszeitgesetz müssen laut dpa bisher nur Überstunden und Sonntagsarbeit dokumentiert werden. Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Inken Gallner sagte in der Gerichtsverhandlung: „Zeiterfassung ist auch Schutz vor Fremdausbeutung und Selbstausbeutung.“ Selbst junge Menschen der Generation Z haben schon jetzt Burnouts und machen zu viele Überstunden.
Auch Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), sieht Vorteile in einer Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. „Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften begrüßen diese Entscheidung. Diese Feststellung ist lange überfällig: Die Arbeitszeiten der Beschäftigten ufern immer mehr aus, die Zahl der geleisteten Überstunden bleibt seit Jahren auf besorgniserregend hohem Niveau.“ Arbeitszeiterfassung könne helfen, „Ruhe- und Höchstarbeitszeiten“ einzuhalten – dies werde heutzutage viel zu oft nicht getan, heißt es in einem Statement gegenüber der Redaktion.
Was bedeutet die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für das Homeoffice?
Fachleute gehen laut Tagesschau davon aus, dass das Stechuhr-Urteil weitreichende Auswirkungen auf die bisherigen Vertrauensarbeitszeitmodelle hat – auch auf mobiles Arbeiten und Homeoffice. Der DGB sieht da keine Gefahr: „Das Urteil bedeutet mitnichten das Ende von Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice – das ist eine Gespensterdebatte. Vertrauensarbeitszeiten und Homeoffice sind weiter möglich“, so Piel.
Zeiterfassung müssen Unternehmen laut Piel auch im Homeoffice anbieten. „Wir leben schließlich im digitalen 21. Jahrhundert und eine Zeiterfassung ist so einfach wie nie zuvor. Jedenfalls widerspricht es überhaupt nicht dem Bedürfnis vieler Arbeitnehmer nach flexibler Arbeitszeitgestaltung, ganz im Gegenteil. Denn Arbeitszeiterfassung darf man nicht mit Präsenz an einem Ort – zum Beispiel dem Büro – gleichsetzen.“ Auch als die Homeoffice-Pflicht endete, setzte sich der DGB dafür ein, dass Mitarbeitende „nicht ins Büro gezwungen werden“.

Im Homeoffice: „Die Nachfrage nach digitalen Zeiterfassungssystemen könnte zunehmen“
Markus Schunk ist CEO beim IT-Unternehmen „HRworks“, das Personalsysteme für digitale Zeiterfassung anbietet. Wie Piel ist auch er der Meinung, dass es egal sein sollte, ob ein:e Arbeitnehmer:in die Stunden im Büro oder im Homeoffice ist. „Ich glaube nicht, dass sich Mitarbeitende Sorgen um ihr Recht auf Homeoffice machen müssen. Wenn Unternehmen sich weigern, in digitale Zeiterfassung zu investieren, dann sind sie einfach nicht zeitgemäß.“ Unternehmen, die zeitgemäß sein wollen, müssen sich auch klar werden, welche 5 Dinge Menschen im Job am meisten motivieren.
Schunk sieht im Urteil des Bundesarbeitsgerichts auch einen Vorteil für seine ganze Branche. „Die Nachfrage nach digitalen Zeiterfassungssystemen könnte zunehmen“, sagt er im Gespräch mit BuzzFeed News DE. „Bei unserer Software für Zeiterfassung ist es ganz simpel: Es gibt eine Art digitalen Stempel und wenn man in die Mittagspause oder in den Feierabend geht, drückt man einfach den ‚Out-Button‘. Dafür muss man nicht im Büro sitzen, sondern einfach nur am Laptop.“
Für den Digital-Experten bringt das Gesetz vor allem eines: Transparenz für Mitarbeitende und Unternehmen. „Überstunden werden schneller sichtbar und das gibt beiden Seiten die Möglichkeit, entgegenzusteuern und die Arbeitssituation zu verbessern“, so Schunk gegenüber BuzzFeed News DE. Vertrauen bleibe jedoch weiterhin wichtig – genauso wie die Arbeitsverträge. „In einem Start-up werden die Mitarbeitenden sicher auch nach diesem Gesetzesurteil noch Überstunden machen müssen“, vermutet Schunk. „Es bleibt also am Ende immer der Dialog zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer – aber dann eben innerhalb gewisser Grenzen.“
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